Friedensnobelpreisträgerin in Myanmar: Zwei Jahre Haft für Suu Kyi
Die birmanische Politikerin Aung San Suu Kyi ist zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Myanmars Generäle geben sich unbeeindruckt von Protesten.
Verurteilt wurde sie für angebliche Anstiftung zum Aufruhr während des Wahlkampfs im vergangenen Jahr und angeblicher Verstöße gegen Verordnungen zur Bekämpfung der Coronapandemie in Myanmar. Es waren die ersten Urteile einer Serie von elf Anklagen, die allesamt an den Haaren herbeigezogen sind. So werden Aung San Suu Kyi und Win Myunt Aufrufe zum Widerstand gegen die Militärs zur Last gelegt, die erst nach ihrer Inhaftierung durch die Generäle von Regimegegnern veröffentlicht wurden.
„Die Verurteilung der Staatsrätiin (Suu Kyis offizieller Titel) in einem geheimen Scheinprozess vor einem vom Militär kontrollierten Gericht ist eindeutig politisch motiviert“, erklärte die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet und verlangte die sofortige Freilassung der Friedensnobelpreisträgerin.
Charles Santiago, Abgeordneter aus Malaysia und Vorsitzender der Vereinigung für Menschenrechte von Parlamentariern (APHR) im südostasiatischen Staatenbund Asean bezeichnete die beiden Urteile als „lächerlich“ und polterte: „Davon wird niemand getäuscht. Die Anklagen sind nichts anderes als eine Rechtfertigung für die illegale Machtergreifung.“
Myanmars Generäle zeigen sich wenig beeindruckt. Sie verweigern ein zugesagtes Treffen des Asean-Gesandten mit Aung San Suu Kyi mit dem Argument, zuerst müsse die Junta als legitime Regierung anerkannt werden. Juntachef Min Aung Hlaing hat am 1. Februar den Putsch angeordnet, weil Suu Kyi und ihre gewählten Getreuen dem General eine „ebenso wichtige Rolle wie der Friedensnobelpreisträgerin in der Regierung“ verweigert hatten.
Charles Santiago, ASEAN-Mitglied
Am Montag ließ der General, der unter anderem für die gewaltsame Vertreibung von 700.000 bis 800.000 muslimischen Rohingyas ins Nachbarland Bangladesch verantwortlich ist, ein Foto verbreiten, das ihn als gütigen Landesvater darstellt – lächelnd und in Zivil auf einem Stuhl neben dem 95-jährigen Tin Oo, einem ehemals hohen Funktionär von Suu Kyis Partei NLD.
Der Greis, der keine aktive Funktion in der inzwischen verbotenen NLD mehr bekleidet, durfte bei der Begegnung sogar eine Anstecknadel mit dem Parteisymbol tragen. „Min Aung Hlaing bot ihm an, sich bei Bedarf im Militärkrankenhaus behandeln zu lassen“, ließ das Informationsteam der Junta die Öffentlichkeit wissen. Das Gesundheitswesen des Landes ist wegen Streiks seit dem Putsch weitgehend kollabiert. Bislang wurden erst 25 Prozent der 55 Millionen Einwohner gegen Corona geimpft.
Auf Aung San Suu Kyi, die wegen ihres Widerstands gegen die Militärs rund 15 Jahre in Hausarrest oder Gefängnis verbrachte, wartet weiterer Arrest. „Sie wird sich gemeinsam mit Win Myint dort, wo sie sich derzeit befinden, weiteren Anklagen stellen müssen“, erklärte Juntasprecher Zaw Min Tun am Montag. Das soll wohl bedeuten, dass die beiden völlig isoliert von der Außenwelt weiter im Hausarrest bleiben müssen.
In den Gefängnissen herrschen inzwischen barbarische Zustände. Etwa 175 der mehr als 10.000 Menschen, die seit dem Putsch hinter Gittern verschwanden, starben in der Haft an den Folgen von Misshandlungen und Folter. Außerdem verhängte das Regime laut Menschenrechtsorganisationen seit dem Coup mindesten 65 Todesurteile. Bisher gab es aber wohl noch keine Hinrichtungen. Mehr als 1.300 Demonstranten wurden bei Protesten getötet.
Soldaten stehlen und erpressen
Unterdessen verspielt das Militär die letzten Sympathien. „Es gibt so viele Regeln, was an einem Moped stimmen muss“, sagt eine 25-jährige Frau aus einem Dorf nahe der Stadt Dawai im Süden Myanmars, „die finden immer ein Problem. Und dann verlangen sie von Frauen entweder das Moped oder eine gemeinsame Nacht.“ Inzwischen sind in nahezu jeder Dorfschule Soldaten stationiert. Und die stehlen und erpressen laut Bewohnern nicht nur Frauen: „Das bisschen Gemüse, das wir ziehen können, wird von Soldaten geklaut.“
Die angespannte Versorgungslage der Soldaten zeigt, dass die internationalen Sanktionen gegen das Regime greifen. Unternehmen, die mit dem Militär verbandelt sind, werden boykottiert. Ausländische Konzerne haben ihre Bestellungen zurückgefahren. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gingen in den ersten drei Monaten nach dem Putsch 1,2 Millionen Jobs verloren. Die Weltbank schätzt, dass Myanmars Wirtschaft im Jahr 2021 um 18 Prozent schrumpfen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“