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Freihandelsabkommen mit KanadaGabriel glaubt an Mehrheit für Ceta

Vor dem Parteikonvent: Der SPD-Chef nutzt den Besuch der kanadischen Handelsministerin, um für den Wirtschaftspakt zu werben.

Protest am Donnerstag vor dem Bundeswirtschaftsministerium Foto: dpa

Berlin taz | Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht in dem europäisch-kanadischen Handelsabkommen Ceta eine „exzellente Messlatte“ für TTIP, den geplanten Schwesterpakt mit den USA. „Ich könnte mir jedenfalls nicht vorstellen, einem Abkommen wie TTIP zuzustimmen, ohne dass wir mindestens den Standard einhalten, den wir mit Kanada erreicht haben“, sagte er nach einem Treffen mit der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland in Berlin.

Bedenken von KritikerInnen versuchte er zu zerstreuen: Anders als vielfach behauptet sei die Rekommunalisierung etwa von Wasserwerken oder Energieversorgern in Ceta ausdrücklich vorgesehen. Außerdem seien die umstrittenen Klagemöglichkeiten von Unternehmen gegen Staaten nur in eingeschränkten Fällen möglich.

Mit Ceta schaffen die EU und Kanada einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, in dem sie Zölle und andere Handelshemmnisse abbauen. Davon versprechen sich die Regierungen Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze. Das Abkommen gilt als Vorläufer für den Wirtschaftspakt TTIP, den die EU und die USA zurzeit aushandeln.

Gegen die Abkommen hat sich in Deutschland und anderen europäischen Ländern eine breite Protestbewegung firmiert. Viele BürgerInnen fürchten etwa, dass mit dem Abbau von Handelshemmnissen demokratische Prinzipien und Standards für den Umweltschutz oder Lebensmittel ausgehebelt werden. Die Befürworter bestreiten das vehement.

Hin und her mit Schiedsgerichten

Ceta setze einen „goldenen Standard“ für künftige Handelsabkommen, sagte Handelsministerin Freeland in Berlin. In Kanada sei die Begeisterung für das Abkommen groß. Allerdings gibt es auch dort Widerstand gegen den Pakt. AktivistInnen der Protestbewegung werden auf der Stopp-TTIP-Demonstration sprechen, die am 23. April aus Anlass des Besuchs von US-Präsident Barack Obama in Hannover stattfindet.

Zu den umstrittensten Punkten in Ceta und TTIP gehört der Investorenschutz. Ursprünglich war in Ceta die Schaffung von privaten Schiedsgerichten vorgesehen, vor denen Unternehmen Staaten auf Schadensersatz verklagen können, wenn sie durch gesetzliche Maßnahmen ihre Gewinnerwartungen beeinträchtigt sehen. Aufgrund von Nachverhandlungen werden sie in Ceta durch einen Gerichtshof ersetzt, der eine Revisionsinstanz vorsieht.

Außerdem seien die Klagemöglichkeiten für Unternehmen stark eingeschränkt worden, sagte Gabriel. Sie könnten nicht einfach klagen, „wenn eine Gesetzgebung nicht gefällt“. Auch für TTIP müssten diese Regeln gelten, betonte er. Die EU-Kommission hat einen entsprechenden Vorschlag in die Verhandlungen mit den USA eingebracht. KritikerInnen werten das allerdings nur als kosmetische Änderung, weil Unternehmen weiterhin Staaten auf Schadenersatz verklagen können.

Proteste von Sozialdemokraten

Unter den TTIP- und Ceta-GegnerInnen sind viele SozialdemokratInnen. Die SPD wird, wie von Gabriel beim Parteitag im Dezember angekündigt, bei einem Konvent über Ceta abstimmen. „Ich bin sicher, dass wir eine Mehrheit bekommen“, sagte Gabriel. Ein Kritikpunkt an dem Abkommen gerade von SozialdemokratInnen und Gewerkschaften ist, dass Kanada nicht alle Internationalen Arbeitsnormen erfüllt. Dabei geht es unter anderem um das Recht auf den Abschluss von Tarifverträgen. Kanada sei jetzt bereit, alle Internationalen Arbeitsnormen anzunehmen, sagte Gabriel.

Für die Stopp-TTIP-Aktivisten ist der Konvent ein wichtiger Mobilisierungspunkt. Sie hoffen, dass die Delegierten gegen Ceta stimmen. Aus Anlass des Besuchs der kanadischen Handelsministerin demonstrierten am Donnerstag etwa 40 AktivistInnen vor dem Wirtschaftsministerium. „Siggi, mit Ceta wirst du untergehen und steig aus TTIP aus, sonst fliegst du raus“, sangen sie.

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15 Kommentare

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  • Alles, was Gabriel nicht weiß, will er zwangsläufig glauben.

    Leider ist dies für Blinde, die auch nicht einmal hinschauen wollen, die "selbstverschuldete Unmündigkeit"! (Immanuel Kant).

    Jeder sollte sich selbst informieren und weniger glauben!

    Z.B. Bernie Sanders

    We Must Stop Outsourcing Jobs https://www.youtube.com/watch?v=pbF9nYfIOlQ

    Veröffentlicht am 05.03.2016

    We must put an end to the disastrous trade deals like

    NAFTA, CAFTA, and the TPP that

    outsource American jobs to countries like Mexico, China and Vietnam. Instead of paying American workers a fair wage, corporations can

    pay the citizens of those countries

    fifty cents an hour.

    Das sind Erfahrungen, die auch wir bereits machen!

  • Gabriel sieht seine Zukunfts-Chancen eher in seiner Nach-Ministerzeit. Der weiß längst: Die SPD als nennenswerter Karriere-Posten-Beschaffer ist schon so gut wie tot. Nun hält er´s, noch mehr als schon vorher, noch unverhohlener mit den Bonzen. Typisch leitender SPD-Funktionär.

  • Protektionismus ist was fuer schwache Volkswirtschaften, um denen auf die Füße zu helfen, zB Indien damals. Ansonsten wird gehandelt. Wieso ist es ein Theater, wenn ich mir etwas aus den USA importiere? Vollkommen sinnlos. Im übrigen hat die USA gegenüber der EU sowieso eine Handelsbilanzdefizit von 50% mehr Exporte EU-USA im Vergleich zu USA-EU. Die Schiedsgerichte sind eh von Tisch. Standards werden auch nicht ohne weiteres übernommen, oder wird jetzt in den Bibelstaaten der USA der Berliner Straßenstrich eingeführt?

    • @Gabriel Renoir:

      Ach, lieber @Gabriel Renoir, Ihr Beitrag ist ein hervorragendes Beispiel für die Wirkung von Worthülsen-Propaganda auf Mitbürger, die sich mit der SACHE nicht befassen wollen:

       

      - Das derzeitige Handelsvolumen EU-USA ist in der Tat sehr groß. Noch mehr wäre nur möglich, wenn durch TTIP die Nachfrage gesteigert würde. Quatsch.

       

      - TTIP zielt auf mehr Handel mit Agrarprodukten ab (Kostenvorteil USA). Die gibt's aber beiderseits des Atlantiks im Überfluss; da droht ein Verdrängungswettbewerb durch Absenkung von Verbraucherstandards.

       

      - Die Übernahme/Anerkennung europäischer Standards kann Washington nicht durchsetzen (Zuständigkeit der Bundesstaaten).

       

      - Die Schiedsgerichte sind keineswegs vom Tisch, sondern nur mit einem Tarnanstrich versehen worden.

       

      - Von "regulatorischer Kooperation" haben Sie sicher auch noch nie gehört. Das ist aber tatsächlich so eine Art Straßenstrich - wobei die Großkonzerne die Freier und die Parlamente die Nutten sind.

      • @Bitbändiger:

        Bei der regulatorische Kooperation werden Industrievertreter zu Gesetzesvorhaben informiert. Was ist daran anormal? Der Merkantilismus gehört nun mal nicht mehr in unser Zeitalter. Zudem hat eine Zunahme prekärer Arbeitsplätze nichts mit den USA zu tun: dort gibt s einen Mindestlohn von 10 USD/Stunde. Die Zunahme prekärer Arbeitsplätze hat was mit China zu tun: Billigprodukte zT Dumpingexport von Stahl, Solarpaneele ... Der Gegner, wenn man es so kriegerisch ausdrücken möchte, sitzt in China (die unsere Qualitätsartikel frech kopieren, zB Stiehl Motorsägen) und nicht in den USA. Aber das passt vielen nicht in ihr Weltbild aus dem 19. Jahrhundert. Die Welt hat sich rasant verändert. China ist in kürze die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt. Und was glauben Sie, wie da die Standards liegen?

        • @Gabriel Renoir:

          Haben Sie sich Ihren Vornamen eigentlich ausgesucht aus Respekt vor dem deutschen Politiker gleichen Nachnahmens?

  • Dieser Herr Gabriel - wie auch alle anderen CETA-/TTIP-Fans - verbreitet immer dasselbe nichtssagende Geschwurbel, ohne jemals einen Beleg für die kühnen "Alles-Wird-Gut"-Behauptungen beizubringen. Ich will ihn ja gar nicht mit dem hervorragenden Artikel von Heiner Flassbeck hier (http://taz.de/TTIP-und-die-Idee-vom-Freihandel/!5292227/) überfordern; er möge doch einfach nur plausibel und faktengestützt belegen, dass die Abkommen

     

    - einen leidlich relevanten wirtschaftlichen Nutzen für die Bürger/Verbraucher und für den europäischen Arbeitsmarkt bewirken (die ursprünglichen geschönten "Gutachten" sind längst in der Versenkung verschwunden),

     

    - keine Absenkung von Umwelt-, Verbraucherschutz- und Beschäftigungsstandards bewirken (obwohl auf die "Beseitigung von Handelshemmnissen" ausgelegt),

     

    - den demokratischen Gesetzgebern Unabhängigkeit von Lobby-Dominanz ("regulatorische Kooperation") und die volle Verfügungsgewalt über das vollständige Instrumentarium auch für künftige Regulierungen belassen.

     

    Dies (war übrigens nur eine Kurzfassung) wird Herrn Gabriel - wie bisher - nicht gelingen. Die wesentlichen Kritikpunkte sind hingegen so leicht nachvollziehbar, dass auch ein Nicht-Wirtschaftswissenschaftler ab mittlerem intellektuellen Niveau sie begreifen kann. Seine diesbezügliche "Lernresistenz" kann ich somit nur als Hinarbeiten auf eine lukrative Anschlussverwendung deuten.

    • @Bitbändiger:

      Die Zahlen sind eindeutig: Die EU exportiert 50% mehr in die USA als die USA in die EU exportiert. Woher also die DEUTSCHE A N G S T?

    • @Bitbändiger:

      Die meisten Schiedsgerichtsverfahren laufen von den Niederlanden aus, und auch nicht gegen Deutschland. Bei konstanter Politik besteht dazu wenig Anlass. Ausserdem sind viele Länder wie zB SAfrika wieder aus den Verträgen mit den Schiedsgerichten ausgestiegen. Das Problem ist eine übernationale Justiz, die notwendig ist. Den wenn Exon gegen Verstaatlichung in Venezuela klagt, wer soll das verhandeln? Die venezuelanische Justiz? Ein Witz. Die amerikanische Justiz? Auch keine gute Idee. Da müssen eben Mechanismen erarbeitet werden, die transparenter als die aktuellen Schiedsgerichte sind. Und daran wird in TTIP gearbeitet.

  • Wie kann es sein, dass ein *ausländischer* Investor hier in Deutschland *mehr* Rechte bekommen soll als ein deutscher Investor oder ein deutscher Bürger?

    Diese simple Frage kann von keinem Politiker beantwortet werden!

    Aus diesem Grund habe ich auf der WeAct-Plattform von Campact eine Petition gestartet, die diesen Punkt zum zentralen Thema macht. Der Titel ist: "Keine Sonderrechte für ausländische Investoren!" (Die zugehörige Webseite enthält weitere Informationen und Begründungen zur Petition.)

  • Sie könnten nicht einfach klagen, „wenn eine Gesetzgebung nicht gefällt“... so so.

    Aber aus Erfahrung wissen wir, dass gerade große Unternehmen dazu neigen, jede sich bietende Lücke auszunutzen. Und die sind auch immer gut mit Rechtsanwälten ausgestattet. Aber dem Siggi macht das alles eh keinen Kopf. Dass Konzerne Sonderklagerechte haben sollen und quasi über dem normalen Bürger stehn... dass internationale Konzerne plötzlich mehr Rechte haben könnten als deutsche Unternehmen... - wat juckt den Siggi das. Hauptsache er macht seinen Deal.

    Überhaupt ist mir diese Begründung schon sehr seltsam: da sind 2 Staaten, von denen jeder beim anderen auf bessere Absatzmärkte hofft - am Ende wird das entweder ein einfacher Austausch, der nirgendwo mehr Arbeitsplätze bringt. Aber jede Menge neue Konkurrenz: Denn in diesem Fall gewinnt, wer am billigsten produziert, also ein Wettbewerb um niedrige Löhne und die anspruchslosesten Umweltstandards. Aber sag das mal einer dem Siggi.

    • @Artur Möff:

      Es geht um Ingeniosität und den Vorteil, dass ich auf einen doppelt so großen Markt Dinge entwckeln kann, die sich bisher nicht gelohnt haben. Wieso so phantasielos? Der reichste Mann hat Windows entwickelt und die Leute haben keine Lust, zu LINUX zu wechseln. WIESO?

      • @Gabriel Renoir:

        Weil viele Anbieter keine Software für Linux anbieten, deshalb. Und weil Windows praktisch auf jedem neuen Gerät installiert ist.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Mit 19,5% Umfragewert ist die sPD noch sehr gut bedient. Wenn die Konventteilnehmer CETA zustimmen (daran gibt es kaum Zweifel), wird sich der Wert noch einmal um 5% absenken, hoffentlich. Diese Partei ist keine Interessenvertreterin der Bevölkerung mehr. Gabriel schon gar nicht.