Freihandelsabkommen TTIP: Kretschmann freut sich drauf
Das europäisch-amerikanische TTIP-Abkommen wird vom baden-württembergischen Ministerpräsident gelobt. Ganz auf Kritik verzichtet er nicht.
BERLIN taz | Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg hat sich mit klaren Worten hinter das geplante Freihandelsabkommen TTIP gestellt und gleichzeitig einzelne Korrekturen gefordert. Das Abkommen biete die Chance, „Impulse für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft in Baden-Württemberg, Deutschland, der EU und den USA zu geben“, heißt es in einem Positionspapier, dass das Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag verabschiedete.
„Wir wollen eine ambitionierte TTIP, die unserer starken Exportwirtschaft im Land, aber gleichermaßen auch den Bürgerinnen und Bürgern nutzt“, sagte Kretschmann selbst im Anschluss. Ein klares Bekenntnis pro Freihandel von einem Ministerpräsidenten, dessen Partei zum geplanten Abkommen eigentlich ganz andere Töne anschlägt.
Während des letzten Bundesparteitags hatten sich die Grünen im vergangenen November auf eine deutlich kritischere Bewertung des TTIP-Abkommens geeinigt. Auf sechs Seiten werden in dem Beschluss Risiken des Freihandelsvertrags aufgelistet und beklagt, dass dieser „tiefgreifende Einschnitte in unser alltägliches Leben“ verursachen würde. Ein kategorisches Nein beschloss Kretschmanns Partei damals zwar nicht, dafür die Forderung nach komplett neuen Verhandlungen: „TTIP muss gestoppt und Verhandlungen neu aufgestellt werden“, heißt es im Schlusssatz des Papiers.
Von dieser Rhetorik setzt sich Kretschmanns Regierung nun ab. Einzelne Kritikpunkte hat sie aber übernommen – zum Beispiel zur sogenannten „regulatorischen Zusammenarbeit“. Ein sperriger Begriff mit großem Konfliktpotenzial. Bevor ein EU-Staat ein neues Gesetz beschließt, sollen künftig die USA und betroffene Akteure ihre Einwände vorbringen dürfen. Sowohl die Regierung in Washington als auch Lobbyisten könnten dadurch in europäischen Gesetzgebungsverfahren an Einfluss gewinnen.
Lob und eine Bedingung
In ihrem Parteitagsbeschluss schildern die Grünen über beinahe eine Seite die Gefahren der Regelung. Einen Verzicht auf die regulatorische Zusammenarbeit fordern sie zwar nicht. Ein „unverhältnismäßiger Einfluss der USA“ müsse aber unbedingt ausgeschlossen werden.
Die Regierung in Stuttgart geht das Thema anders an, fordert aber ganz Ähnliches. Die Regelung könne „dazu beitragen, die Entwicklung neuer Regulierungen besser zu koordinieren“, schreibt sie in ihrem Papier zunächst – und fügt ihre Bedingung an das Lob an: „Demokratische Gesetzgebungsbefugnisse der Mitgliedstaaten“ müssten eingehalten werden.
Es ist nicht die einzige Bedingung, die Grün-Rot formuliert. Auch bei den umstrittenen privaten Schiedsgerichten, Privatisierungsfragen und dem Schutz der Landwirtschaft kritisiert die Landesregierung den Stand der Verhandlungen zwischen Brüssel und den USA – und stößt damit bei grünen Freihandelskritikern auf vorsichtige Zustimmung. „Die Pro-TTIP-Lyrik würde ich zwar nicht teilen. Bei den Vorteilen, die das Abkommen bringen wird, bin ich weniger hoffnungsvoll“, sagt im Gespräch mit der taz Katharina Dröge, die in der Grünen-Bundestagsfraktion für das Freihandelsabkommen zuständig ist. „Aber die Reihe an klaren Kriterien ist zu begrüßen.“
Klare rote Linien
Eine Frage beantwortet der Beschluss der Baden-Württemberger jedoch nicht: Wie sich die Regierung entscheiden wird, falls es im Bundesrat am Ende auf ihre Stimmen ankommt. Schon im September hatte Kretschmann seine Partei verstimmt, als er in der Länderkammer einer umstrittenen Asylreform zustimmte. Was er macht, wenn der Bundesrat wie erwartet auch zu TTIP befragt wird und die Kritikpunkte seiner Regierung nicht umgesetzt wurden?
„Wir stellen dem Abkommen im Bundesrat keinen Blankoscheck aus, sondern werden es auf Herz und Nieren prüfen“, sagte Kretschmann. Klare rote Linien, an denen das Abkommen im Zweifel scheitern würde, fehlen im Stuttgarter Beschluss aber. Und dass der grüne Ministerpräsident kaum auf die Freihandelszone verzichten wird, deutet Punkt drei des Papiers an. Dort steht: „Für Baden-Württemberg sind die USA wichtigster Exportpartner.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland