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Freihandel zwischen EU und USAHormone, Gene, Pestizide

Das TTIP-Abkommen bedroht Verbraucher- und Umweltstandards, fürchten Experten der Bundesregierung. In Brüssel stört das niemanden.

Niedrigere Standards: Nicht alles, was in Amerika ins Regal darf, schmeckt den Europäern Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Die umstrittene Freihandelsrunde zwischen der EU und den USA (TTIP) stößt auch in der Bundesregierung auf Vorbehalte. In Berlin sorgt man sich vor allem um den Umwelt- und Verbraucherschutz sowie um geplante Sonderklagerechte für Investoren. Dies geht aus internen Papieren aus dem SPD-geführten Umweltministerium hervor. Doch in Brüssel stellt man sich weiter taub.

Die Experten von Umweltministerin Barbara Hendricks sehen bei den Verhandlungen „grundsätzlich Gefahren aus umweltpolitischer Sicht“. Als Beispiel nennen sie „die Verwässerung von in der Regel höheren EU-Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz“. Das betreffe unter anderem die Zulassung von Chemikalien, Pflanzenschutzmitteln sowie Nahrungszusätzen, heißt es in dem Vermerk, der der taz vorliegt.

In den USA sei der Anbau und Verzehr genmodifizierter Pflanzen erlaubt, in der EU hingegen nicht, warnen die Fachleute aus dem Umweltministerium. Dasselbe gelte für die Behandlung von Tieren mit Wachstumshormonen. Sorgen macht man sich offenbar auch um mögliche negative Auswirkungen eines TTIP-Abkommens auf die Klimapolitik. In der EU angesiedelte Unternehmen könnten in die USA abwandern, „um die Kosten für den Erwerb von CO2-Zertifikaten zu sparen“, heißt es.

Auch die Klagerechte für Investoren, die in einem eigenen Schiedsgerichtsverfahren abgesichert werden sollen, bereiten dem Ministerium Bauchschmerzen. Die Schiedsgerichte würden ad hoc eingesetzt und tagten nicht öffentlich. Dies mache die Rechtsprechung „wenig einheitlich und voraussehbar“.

Gegenkurs zu Merkel

Die Bedenken aus dem Hause Hendricks decken sich weitgehend mit der Kritik von Nichtregierungsorganisationen und Verbraucherschützern. Allerdings liegt die Federführung beim Wirtschaftsministerium, das letzte Wort hat Kanzlerin Angela Merkel. Und sie gehört bisher zu den unbedingten Befürwortern des TTIP-Abkommens, genau wie die EU-Kommission.

Die Brüsseler Behörde scheint denn auch ungebremst „durchzuverhandeln“. Zwar hatte EU-Handelskommissar Karel De Gucht erklärt, die Gespräche über das Schiedsgerichtsverfahren würden ausgesetzt, um Regierungen und Zivilgesellschaft zu konsultieren. In einem von der Zeit veröffentlichten Verhandlungspapier von Anfang Februar ist es jedoch noch enthalten.

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9 Kommentare

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  • Schönes Bild!

     

    Schaut ihn euch an, den

    amerikanischen Körperbau. Dabei ist das noch einer von der schlanken Sorte. Der schaut bestimmt nach dem Preis, denn Angaben zu den Inhaltsstoffen gibt es dort nicht - unsere Zukunft ?

    In allen Bereichen, wo den Multis das Geschäft versaut werden könnte, lautet die Devise : Man kann alles essen, muß aber nicht alles wissen.

  • RW
    Rainer Winters

    Dieses Thema steht als Transparenzthema Nr. 1 für meine Orientierung, wie ich bei der EU-Wahl wählen werde.

     

    Werden die Themen nicht transparent diskutiert und der Lobby-Einfluss deklaratorisch bis Mai zurückgeschraubt, hat die EU einen Befürworter weniger.

     

    (Ein ehemaliger EU-Fan)

  • Übrigens ist die Aussage falsch, dass ich angeblich “Bedenken aus dem Hause Hendricks […] sich weitgehend mit der Kritik von Nichtregierungsorganisationen und Verbraucherschützern” deckten.

     

    Das ist nicht der Fall.

     

    Die Kritik am Investorenprivilegierungsabkommen TTIP (um Freihandel geht es ja gar nicht) liegt darin, dass Profite für Konzerne staatlich garantiert werden sollen.

     

    Dazu sollen Konzerne und Reiche über dem Gesetz stehen, und das Recht haben, Gesetzgeber zu verklagen.

     

    Wenn die es nämlich wagen, ihnen ungenehme Gesetze zu erlassen, wie beispielsweise welche, die das Vermarkten von Produkten wie dem in Europa wenig beliebten Genmais behindern, so sollen die Staaten, die so etwas tun, schadensersatzpflichtig den Konzernen und Investoren gegenüber werden.

     

    Oder kurz: mit den Schiedsgerichten wird ein sehr bedenkliches neues Rechtsfeld erzeugt, das mit dem Grundgedanken der Demokratie im Widerspruch steht.

     

    Dabei ist es unerheblich, ob solche “Schiedsgerichte” dann öffentlich oder geheim tagen, die Milliardenzahlungen vom Staat den Konzernen und Investoren zusprechen.

     

    Dass es überhaupt soweit kommen soll, ist der Skandal.

  • Jetzt wird so getan, als herrsche hier Uneinigkeit in der Bundesregierung.

     

    Wie heuchlerisch solche Aussagen sind, hat man beim Thema Genmais gesehen.

     

    Alles, was der Industrie und dem grossen Geld mehr Macht gibt, wird von dieser Regierung auch getan.

  • HK
    HAI KOMMERZ

    Traurig ist, dass es die wenigsten Bürger im Lande wirklich interessiert. Vielleicht sollte man ihnen mal klar machen, dass sie ALLEIN die Zeche dafür zahlen, was z.B. die ominösen Schiedsgerichte (Anm. des Verfassers d. Kommentars: Handlanger der Großindustrie) angeht.

    Wenns den Bürger an den Geldbeutel geht wird er eher aufmerksam als bei Umwelt usw.

    Zudem ist hier auf taz.de nochmal ein sehr guter Bericht über das TTIP , der die wahren Beweggründe deutlich macht,und von denen wirklich kaum ein Bürger weiss. >

     

    http://taz.de/Debatte-TTIP-Freihandelsabkommen/!133896/

     

    Lieben Gruß

  • L
    lauf

    schön und gut wie darüber berichtet wird, jedoch weiß keiner was eigendlich dort verhandelt wird! meiner meinung nach kommt dies auch mit gegenprotesten durch. ich bin über den sinn auch ziehmlich gespalten. marx meinte das eine komunistische gesellschaft erst nach einer vollindustriealisierten und -kapitalisierten gesellschaft erreichbar ist. vielleicht muss sich die gesellschaft einfach noch dahingehend weiterentwickeln und dieses abkommen gehört dann dazu. dagegen spricht die hier in diesen artikel angesprochenen veränderungen und auf diese werden sich alle ökos einschießen.

    schwieriges thema

  • Da ist nur zu hoffen, dass die SPD nicht wieder -wie jüngst beim Genmais- mitmacht, sondern das Paket komplett ablehnt, auch unter Inkaufnahme des Koalitionsbruchs. Ob sie dazu in der Lage ist? Wahrscheinlich werden aus Kosmetikgründen nur einige kleinere Punkte verändert, und das Ganze dann durchgewinkt.

    • B
      Bornzo
      @XXX:

      Ich hoffe, es ist Ihnen bewusst, das hier von der "Verräterpartei" reden.

  • T
    Tatam

    Es ärgert mich seit beginn der GVO-Debatte, dass viele Zeitungen sehr unsachlich mit Begriffen umgehen.

    "Gene" findet man überall innerhalb und außerhalb von Lebewesen. Sie sind quasi der Grundstein fast jedwedes Lebens und nicht-Lebens.

    Ich bitte daher um eine Differenziertere Ausdrucksweise. Auch wenn der Begriff Gentechnik genau so schwammig ist, als würde man "Geisteswissenschaften" sagen und dadurch noch Nachholbedarf besteht, ist er dennoch um einiges genauer als das gewählte "Gene" in der Überschrift.

     

    Beste Grüße