Freie Schulen in Lichtenberg: Kitakinder mit Anschluss
Ab August bekommt Hohenschönhausen die erste freie Grundschule. Das pädagogische Konzept ist ein besonderes und setzt auf Mitbestimmung der Kinder.
Wenn sich hier in einigen Monaten die Baukräne drehen, startet der Unterricht in mobilen Schulcontainern, die auf dem Gelände einer benachbarten Kirchengemeinde aufgestellt werden sollen. Die Grundschule in Trägerschaft der evangelischen SozDia-Stiftung soll von Jahr zu Jahr um einen Jahrgang wachsen, auf insgesamt 240 Grundschüler. Für Hohenschönhausen, einen Stadtteil mit immerhin 100.000 Menschen, ist es die erste Grundschule in freier Trägerschaft. Für die SozDia-Stiftung ist es die erste Schule überhaupt.
„Wir haben in Berlin bereits 1.500 Kitaplätze geschaffen“, sagt Michael Heinisch-Kirch von der sozialdiakonischen Stiftung. Der 57-jährige Pfarrersohn gehörte in der DDR zur Hardcore-Opposition. Er trat weder in die Pionierorganisation noch in die FDJ ein, wo fast alle Kinder und Jugendlichen Mitglied waren, und er verweigerte den Wehrdienst. Der Akteur der friedlichen Revolution in der DDR wandte sich ab 1990 der Kinder- und Jugendarbeit zu und engagiert sich bei den Grünen in Lichtenberg.
Die Konzepte der Kitas der SozDia-Stiftung, die er mitgründete und deren Vorsitzender er ist, sind anders als in vielen anderen Kitas. Es gäbe Kinderräte und ein Beschwerdemanagement für die Kinder, sagt Heinisch-Kirch. „Wir legen auch Wert darauf, dass die Kinder gemeinwohlorientiert arbeiten.“ Wenn beispielsweise der Bürgerverein Hohenschönhausen zum Frühjahrsputz in einem Park aufruft, dann kämen auch die Kitakinder. Heinisch-Kirch: „Wenn das Kind sieht, dass der Park durch die eigene Tätigkeit viel besser aussieht, dann erlebt es, wie es etwas für die Gemeinschaft tun kann. Dieses Gefühl wollen wir früh entwickeln.“
Schulplätze sind knapp
Doch nach den Kitajahren ging es für die Kinder aus den Kitas der Stiftung in den staatlichen Schulen oft nicht weiter mit den Beteiligungsmöglichkeiten, so Heinisch-Kirsch. „Da haben uns Eltern gedrängt, eine Schule nach unseren pädagogischen Konzepten zu gründen.“ Der Bezirk Lichtenberg hätte sich über das Vorhaben gefreut. „Schulplätze sind knapp, und sie sind froh über jeden, der neu entsteht.“ Die Wahl fiel auf Alt-Hohenschönhausen. Ein sozialer Brennpunkt ist der Kiez nicht. Es stehen schön sanierte einhundert Jahre alte rote Klinkerbauten und Einfamilienhäuser neben fünfgeschossigen Plattenbauten und vielen Mehrfamilienhäusern, die erst nach der Wende entstanden. Zum Einzugsgebiet gehören auch zwei Flüchtlingsheime. Das Grundstück hatte die SozDia-Stiftung vor Jahren vom Land Berlin zusammen mit der darauf stehenden asbestverseuchten Kita gekauft. „Die haben wir abgerissen und eine neue, passende Kita und ein Stadtteilzentrum gebaut.“ Auf der damit gewonnenen Freifläche soll jetzt die Schule entstehen.Das Schulkonzept erinnert an das von Montessori-Schulen. Es soll jahrgangsübergreifend unterrichtet werden. Jedes Kind lernt nach seinem eigenen Rhythmus in einem persönlichen Wochenplan. Heinisch-Kirch macht kein Geheimnis daraus, sich das von Montessori-Schulen abgeschaut zu haben.
Hinzu kämen Ansätze, die der christliche Träger von Schulen der evangelischen Schulstiftung in Steglitz und Mitte abgeschaut und auf einen nicht christlich geprägten Kiez umgewandelt hat: Soziale und ökologische Inhalte werden vermittelt, Religionsunterricht soll verbindlich sein, aber, so Heinisch-Kirch „eher als Religionskunde, sodass er auch für konfessionslose Kinder und Kinder anderer Konfessionen funktioniert, die bei uns herzlich willkommen sind.“ Die Zahl von Christen ist in Hohenschönhausen überschaubar.
Und Kinder anderer Konfessionen gäbe es in den benachbarten Flüchtlingsheimen. Die gehen bereits in die SozDia-Kita vor Ort und die will man ganz bewusst auch in die Schule holen. „Sie können im Religionsunterricht auch von ihrer Religion erzählen und den Unterricht damit bereichern“, findet Heinisch-Kirch. Ähnlich wie es in den Kitas der Stiftung bereits praktiziert wird, sollen christliche Feste gefeiert werden. Damit könnten Kinder mit der Kirche positive Erfahrungen machen.
Auch das Einmaleins will gelernt sein
Während die Kinder im Garten herumtollen und Heinisch-Kirch erzähl, kommt ein älterer Mann vorbei. Er bringt zwei Tüten getragener Kleidung, „alles gute Wolle“, wie er sagt. Heinisch-Kirch nimmt sie für das gerade geschlossene Stadtteilzentrum entgegen und sagt freundlich: „Kommen Sie wieder.“ Dieses soziale Engagement in der Nachbarschaft zwischen Menschen unterschiedlicher sozialer Situation, sagt er dann zur taz, das sei es, was seine Stiftung fördern will.
Zu den andernorts abgeschauten Inhalten komme etwas hinzu, „das haben wir erfunden“, so der Stiftungschef. Nämlich das Schulfach „Engagement und Gemeinschaft“. Da sollen Kinder in Naturschutzgebieten, Seniorenheimen und Kitas vor Ort lernen und dort praktisch tätig werden, Verantwortung übernehmen. Sie sollen beispielsweise in Altenheimen vor Senioren die im Musikunterricht erlernten Lieder vorsingen und Einkaufshilfen übernehmen. Aber, so Heinisch-Kirch: „Die sozialen Aspekte sind nicht alles, was wir vermitteln. Wenn am Ende der Grundschulzeit das Einmaleins nicht sitzt, dann hätten wir etwas falsch gemacht.“
Obwohl in Berlin Lehrer fehlen und Schulen in freier Trägerschaft schlechter zahlen als der öffentliche Dienst, gab es genug Bewerbungen um die Stellen in der freien Schule. Die Lehrerinnen und Lehrer hätten die Chance, so Heinisch-Kirch, etwas Neues mit aufzubauen.
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