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Frauentags-Demonstrationen in SpanienGesundheitsminister im Visier

Gegen die spanische Regierung wird ermittelt. Der Vorwurf: Die Frauentagsdemos wurden aus politischen Gründen trotz Virusgefahr genehmigt.

Debatte um Frauentagsdemo am 8. März. Wegen der Dutzenden Fußballspiele ermittelt niemand Foto: Javier Barbancho/reuters

Madrid taz | Spaniens Rechte hat eine ganz besondere Theorie parat, wenn es um die Ausbreitung von Covid-19 geht. Schuld daran, dass Spanien stärker betroffen ist als die meisten Länder Europas, sind demnach die Demonstrationen zum Internationalen Frauentag am 8. März. Und dabei ganz besonders der Marsch in der Hauptstadt Madrid, zu dem über 100.000 Menschen kamen. Diese Demonstration habe die Verbreitung des Coronavirus beschleunigt, heißt es. Jetzt aber beschäftigt sich gar das Amtsgericht der Region Madrid mit dieser Theorie, die von allen Fachleuten bestritten wird.

Richterin Carmen Rodríguez-Medel ermittelt gegen den Delegierten der sozialistisch-linksalternativen Regierung von Pedro Sánchez in der Region Madrid, José Manuel Franco, der die Demonstration genehmigte, sowie gegen den Gesundheitsminister Spaniens Salvador Illa und den Virologen und Chef des Coronakrisenstabes Fernando Simón. Franco soll im Namen der Linksregierung – trotz internationaler Warnungen – die Frauendemo aus politischen Erwägungen genehmigt haben. Rechtsbeugung sieht Richterin Rodríguez-Medel darin.

Die konservative Juristin stützt sich dabei auf einen Untersuchungsbericht der paramilitärischen Polizeieinheit Guardia Civil. Der Schriftsatz voller Fehler, falscher Tatsachenbehauptungen und gefälschten Aussagen soll belegen, dass die Regierung bereits im Januar wusste, dass Spanien vor einer schweren Gesundheitskrise stände und dennoch die Frauentagdemos zuließ, da es sich um ihr politisches Klientel handelte. Selbst die Chronologie wurde von der Guardia Civil angepasst. So habe die Weltgesundheitsorganisation bereits am 30. Januar Covid-19 zur globalen Pandemie erklärt. Tatsächlich passierte dies am 11. März.

Grundlage ist ein Bericht der Guardia Civil voller Fehler und gefälschter Aussagen

Der Bericht der Guardia Civil gibt eine Reihe von Fake News aus der rechten Onlinepresse und dem Radiosender der Bischofskonferenz COPE wieder. So seien die Ministerinnen, die ganz vorn bei den Demos mitliefen, gewarnt gewesen. Als Beweis dienen Fotos mit lila Latexhandschuhen. Selbstschutz vor der Virusgefahr, erklärt die Guardia Civil. Dass dieser Art Handschuhe seit dem Frauenstreik am 8. März vor zwei Jahren in Spanien übliches Outfit am Frauentag sind, wird verschwiegen.

Dutzende Fußballspiele ebenfalls am 8. März

Franco habe die Frauentagdemo genehmigt, während er auf andere Veranstalter Druck ausgeübt habe, damit sie ihre Aktivitäten absagen. Entsprechende Zeugenaussagen finden sich im Bericht. Sie haben nur einen Schönheitsfehler: Die Befragten dementierten dies, als der Bericht an die Presse durchsickerte. Sie geben an, ihre Aktivitäten aus eigenen Erwägungen und ohne Druck seitens der Regierung storniert zu haben. Sie hätten das bei der Befragung auch so zu Protokoll gegeben.

Dass am 8. März Dutzende Fußballspiele und ein Massenmeeting von VOX stattfanden, spielt in der Ermittlungen erstaunlicher Weise keine Rolle. Wie der Zufall so will, erkrankte wenige Tage nach dem VOX-Meeting einer deren Spitzenpolitiker an Covid. Er hatte ein Bad in der Menge genommen.

Diego Pérez de los Cobos, der Chef der Guardia Civil in Madrid, der in letzter Instanz für den Bericht zum 8. März verantwortlich zeichnet, ist kein Unbekannter. Der Sohn eines Polizisten, der einst für die faschistische Partei Fuerza Nueva kandidierte, koordinierte die Polizeieinsätze 2017 zum Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien. Beim abschließenden Verfahren, bei denen Mitglieder der katalanischen Regierung sowie zwei Aktivisten zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt wurden, zeigte sich Pérez de los Cobos sehr kreativ bei der Interpretation der Vorfälle.

Am Montag enthob Innenminister Fernando Grande-Marlaska Pérez de los Cobos „im Rahmen einer Umgestaltung der Führungsstruktur“ seines Amtes. Seither ist der Innenminister mehr denn je der Wut der konservativen Partido Popular (PP), der rechtsliberalen Ciu­danos (Cs) und der rechtsextremen VOX ausgesetzt. Als „miserablen Verräter“, des Amtes „unwürdig“ beschimpften sie ihn im Parlament und fordern seinen Rücktritt.

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4 Kommentare

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  • Der grausame Diktator Franco, (u.a. verfolgte er Schwule, obwohl alle wussten , dass er selber homosexuell, oder bisexuell war) lebt 45 Jahre nach seinem Tod im Geiste der zahlreichen Faschisten fort.



    Die jetzige Episode ist der Eisberg der fortwährenden Angriffe der Rechtsradikalen gegen die linke Regierung. Ganz richtig Polsila, Europa, an der Spitze Deutschland und Frankreich schauen weg, wollen nicht sehen, wie der rechtsextreme Kot ganz Spanien infiziert. Da macht man sich Sorgen wegen der Überfremdung durch friedliche Einwanderer.



    Frohes Pfingsten, Halleluja!!!

  • ... seltsam mutet es nur an, wenn in derselben taz Felix Kolb von Campact im Brustton der [Selbst-]Überzeugung sagen darf: „Wenn man jetzt sieht, welche Auswirkungen die Frauentags-Kundgebungen in Spanien auf das Infektionsgeschehen hatten, ...“

  • Wie kömisch, das selber Prozedur gab es bei dem Verfahren gegen die Katalanische Politiker, die Wahrheit wurde so gedreht bis es ihnen gepasst hat. Pérez de los Cobos hat bei dem Gerichtsverfahren gelogen ohne Ende, der Richter Marchena hat nicht zugelassen, dass Videos und Fotos gleich bei seiner Aussagen gesehen wurden und das Problem ist, dass damals hat weder der PSOE noch Podemos oder irgend eine Partei protestiert.



    Es ist klar doch, dass wenn solche Sachen passieren und zugelassen werden, werden irgendwann Allen passieren. Spanien hat nie ihre Faschistische Vergangenheit verarbeitet. In den höhere Gerichtshöfe sitzen immer noch die Enkelkinder von dem, die während der Francodiktatur gesessen haben. Und Europa schaut nur nach Hungarn und Polen.

    • @Polsila:

      Wenn paramilitärische, rechtsradikale Polizeichefs mit rechtskonservativen Richtern gemeinsame Sache machen, wird die Demokratie leider ausgehebelt.

      Daß EU-Gerichte in 10 Jahren solche offensichtlichen, rechtsbeugenden Fehlurteile korrigieren werden, ist für die Opfer nur ein schwacher Trost.

      In Spanien hat die EU ein großes Problem. Da sollte wie in Polen und Ungarn wirklich genau hingesehen und protestiert werden, bevor es zu spät ist.