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Frauenring über Vergewaltigungs-Anzeige„Entscheidungshoheit der Frauen“

Ärzt*innen sind nun verpflichtet, bei begründetem Verdacht auf Vergewaltigung Anzeige zu erstatten. Ein Gespräch mit dem Österreichischen Frauenring.

Frauen finden nur schwer Zuflucht, die Frauenhäuser in Österreich sind voll Foto: dpa
Interview von Lisa Winter

Das Gewaltschutzpaket von ÖVP und FPÖ verpflichtet alle Gesundheitsberufe, darunter ärztliches und psychotherapeutisches Fachpersonal sowie auch Rettungskräfte, bei Verdacht auf eine Vergewaltigung zu einer Anzeige. Frauenrechtsorganisationen sehen das kritisch.

taz: Frau Frieben, Sie kritisieren, dass das Gewaltschutzpaket das Selbstbestimmungsrecht der Frau einschränke?

Klaudia Frieben: Mit dem Paket wird vergewaltigten Frauen die Entscheidungshoheit über ihr weiteres Vorgehen genommen, was in der häuslichen Gewalt ein heikles Thema ist. Wenn der Ehemann der Täter ist, dann brauchen einige Frauen etwas Zeit, bis sie diesen Schritt gehen, weil sie wieder zu ihm nach Hause gehen müssen. Eventuell sind auch Kinder involviert.

Wäre es denn nicht gut wenn mehr Gewalttaten angezeigt werden würden?

Dagegen ist natürlich grundsätzlich nichts einzuwenden, aber gerade in dem hoch sensiblen Bereich der häuslichen Gewalt muss es immer die Entscheidung der Frau sein, ob Anzeige erstattet wird. Es kann nicht sein, das eine dritte Person für sie entscheidet.

Welche Konsequenzen könnte dieses Gesetz haben?

Bild: privat
Im Interview: Klaudia Frieben

ist Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, der Dachorganisationen österreichischer Frauenvereine.

Wir befürchten das viele Frauen sich nicht mehr in Behandlung begeben werden und damit ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Eben weil sie möglicherweise nicht wissen welche Konsequenzen ihr Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin haben wird und es zu einem Verfahren kommt auf das sie keinen Einfluss haben.

Sie sagen auch, das Gesetz beruhe auf populistischen Motiven. Inwiefern?

Der Grund, warum es dieses Gesetz überhaupt gibt, waren die vermehrten Frauenmorde in Österreich im Jahr 2018. Unsere rechtskonservative Regierung gibt der Zuwanderung die Schuld. In Österreich wird generell alles was passiert auf die Migration geschoben, vor allem auf Flüchtlinge. Wir haben die Regierung darauf hingewiesen, das wir seit 40 Jahren Frauenhäuser in Österreich haben und die seit 40 Jahren voll sind. Damals hatten wir noch keine Flüchtlingskrise. Das ist also nur ein Vorwand. Aber man kümmert sich nicht um die Ursachen der Gewalt, nämlich dass das vielleicht mit Macht oder mit patriarchalischen Strukturen zusammenhängt.

Was für Maßnahmen im Gewaltschutz fordern Sie? In Deutschland gibt es keine generelle Anzeigepflicht.

Das würden wir uns hier auch wünschen. Denn wichtiger ist, dass betroffene Frauen eine anerkannte Gewalt- und Opferschutzberatung erhalten. Das ist in diesem Gesetz nicht vorgesehen. Für uns steht die physische und psychische Wiederherstellung nach so einer Gewalttat im Vordergrund. Österreich hat sich zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt bekannt. Darin haben Experten und Expertinnen viele Maßnahmen beschlossen. Aber sie werden nicht umgesetzt. Wir brauchen mehr Frauenhäuser, mehr finanzielle Mittel, mehr Notwohnungen und mehr Berater*innen.

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  • Nach Angaben von DerStandard.at haben österreichische Frauen gelernt, sich auf andere Weise (Hausverbot/Wegweisung) gegen gewaltbereite Männer zu wehren. Der Anteil ÖsterreicherInnen in den Frauenhäusern ist wohl in Folge dessen von 46 Prozent im Jahr 2007 (Angabe: DiePresse.com) auf weniger als 30 Prozent im Jahr 2018 geschrumpft. Die enorm gewachsene Zahl der Frauen, die Hilfe in Frauenhäusern suchen, spricht für sich.

    Die Meldepflicht für Vergewaltigungen ist für die laut DerStandard besonders betroffene Gruppe von Frauen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan durchaus sinnvoll. Viele trauen sich aus kulturellen Gründen nicht, eine Vergewaltigung durch den Ehemann anzuzeigen. Eine Ärztin, die eindeutige, brutal zugefügte Vergewaltigungsspuren wie beispielsweise eine Analfissur, Verletzungen der Gebärmutter durch Fisting oder abgebissene Brustwarzen behandelt, könnte für solche Frauen die Rettung sein.

    Auch wenn der Anteil nicht-österreichischer Beschuldigter durch das Gesetz steigt, ist die Verhinderung zukünftigen Leides der Betroffenen dieses Opfer wert.