Frauenquoten mit Zertifikaten umgehen: Wie Müllgebühren für Männer
Drei Wissenschaftler schlagen Ausgleichszahlungen für nicht erreichte Frauenquoten vor, ähnlich wie bei CO2-Zertifikaten. Völlig absurd.
„Sie haben nur eine Frau im Aufsichtsrat, Sie müssten aber drei haben? Schlecht, sehr schlecht. Das ist nicht gut fürs Image. Und für Ihre Zukunft heißt das … “
„Äh, ja, wie jetzt? Wissen Sie, wir sind ein Leichtmetallunternehmen, und da sieht es mit Frauen bekanntlich schlecht aus. Auf unsere einzige Frau on the top sind wir stolz wie Bolle. Mehr geht nicht, wirklich, wirklich, wirklich. Müssen wir jetzt dichtmachen, nur weil wir von Männern für Männer produzieren?“
„Keine Panik auf der Titanic, deswegen sind wir ja hier. Wir können Ihnen helfen. Wir bieten Ihnen einen Deal an: Frauenmangel gegen Geld. Für jede Frau, die bei Ihnen nicht im Chefsessel sitzt, zahlen Sie uns … ach, das rechne ich später aus …“ Okay, ist ausgedacht. Klingt wie eine Szene, die das dokumentarische Theater Rimini-Protokoll aus der Wirklichkeit auf die Bühne holen könnte. Mag auch sein, dass es nie zu einer solchen Szene kommt, weder in der Kunst noch im Alltag von Unternehmen. Aber über einen, nun ja, Ablasshandel in Sachen Frauenquote wird tatsächlich nachgedacht.
Zur Erinnerung: Ab 2016 müssen die Aufsichtsräte börsennotierter und mitbestimmungspflichtiger Unternehmen mit mindestens 30 Prozent Frauen besetzt sein. So will es das Gesetz. Manche Firmen zittern schon vor dem 1. Januar, weil sie die Konsequenzen fürchten, wenn sie die Quote nicht erfüllen. Sie sagen, dass es nicht genügend Frauen gebe, die in ihrem Bereich wollten und könnten.
Aber keine Panik auf der Titanic: Es gibt jede Menge Abhilfe. JuristInnen bieten Formulierungskurse für Firmen an: Wie ich überzeugend begründe, warum mein Unternehmen keine Frauen an der Spitze haben kann. Aber was, wenn die Controller der Frauenquote einfach mal sagen: Nö, lassen wir nicht gelten, bei Ihnen ist mehr drin?
Die Lösung
Auch dafür gibt es jetzt eine Lösung – von drei Finanz- und Wirtschaftswissenschaftlern der Technischen Universität Darmstadt. Ihre Idee: Firmen, die die Quote nicht erfüllen, können sich freikaufen – so ähnlich wie beim CO2-Handel. Nur wird bei den Aufsichtsräten nicht mit Emmissionsrechten gehandelt, sondern mit, sagen wir, Quotenrechten: Firmen mit zu vielen Männern und zu wenig Frauen an der Spitze kaufen denen, die mehr Frauen und weniger Männer haben, einfach ein paar Quotenrechte ab. Und je mehr Frauen fehlen, umso teurer wird es. Wie beim CO2.
Quotenaffine Firmen könnten doppelt profitieren: Sie werden für Frauen und gleichstellungsorientierte Männer lukrativer. Die BewerberInnen stehen Schlange, die Besten machen das Rennen. Obendrein könnten die Firmen noch den einen oder anderen Euro zusätzlich machen, indem sie Quotenrechte verschachern. Eigentlich cool.
Das Problem ist nur, dass die drei (männlichen) Wissenschaftler ihr Modell am Computer simuliert haben. Sie haben einen Arbeitsmarkt stilisiert und alles theoretisch durchgerechnet. In der Praxis dürfte das schon deshalb nicht funktionieren, weil Topmanager für sich selbst eine Art Müllgebühr abdrücken müssten. Und Topmanagerinnen sich möglicherweise anhören müssen: Die ist doch eine Müllmannquotenfrau. Absurd? Absurd. Komplett.
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