piwik no script img

Ein Jahr GleichstellungsgesetzLeere Plätze = weniger Macht

Im Mai jährt sich das Gesetz zur Geschlechterquote. 30 Prozent Frauen sollen in den DAX-Aufsichtsräten sitzen. Was hat sich bisher getan?

Und weniger Macht wollen nur die wenigsten Unternehmen hinnehmen Foto: imago/CordonPress

Berlin taz | Gut möglich, dass der 13. Mai für Bad Homburg kein Tag sein wird wie jeder andere auch. Nicht etwa, weil der 13. ein Freitag ist, ein Unglückstag für Abergläubische. Sondern weil an diesem Tag bei Fresenius, einem der größten deutschen Krankenhausbetreiber mit Sitz im hessischen Main-Taunus-Kreis, eine Art Paradigmenwechsel stattfinden wird.

An diesem Tag hält Fresenius, ein Pharmakonzern mit einem Umsatz von mehr als 23 Milliarden Euro jährlich, seine Hauptversammlung ab. Es wird um den Zustand des Konzerns gehen, um Zahlen, um den Bilanzgewinn. Aber dann wird noch der Aufsichtsrat, der das Unternehmen kontrolliert, neu gewählt. Das ist der Punkt, an dem es an diesem 13. Mai spannend wird bei Fresenius.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens sind für die sechs Aufsichtsratsposten zwei Frauen vorgeschlagen: die Pharmaexpertin Iris Löw-Friedrich und die Finanzexpertin Hauke Stars, Vorstand bei der Deutschen Börse. Auch für den Aufsichtsrat der Fresenius-Tochter Medical Care gibt es zwei Kandidatinnen: Deborah Doyle McWhinney, frühere Finanzmanagerin, sowie die Französin Pascale Witz, Molekularbiologin und Vizepräsidentin beim globalen Gesundheitskonzern Sanofi.

Für Fresenius ein Novum, bislang ist die Konzernspitze rein männlich. Jahrelang hatte sich das Unternehmen dagegen gewehrt, seine Personalpolitik für die Spitzenkräfte weiblicher zu gestalten. Das ändert sich jetzt.

Wie viele Frauen haben Sie?

Damit erfüllt das Unternehmen eine Pflicht, die ihm mit dem Quotengesetz am 1. Mai vor einem Jahr auferlegt worden ist: Ab 2016 müssen die Aufsichtsräte der börsennotierten und vollmitbestimmungspflichtigen Unternehmen weiblicher sein. Ignorieren sie das, bleiben die Stühle, die jetzt Frauen besetzen sollen, leer. Für die grüne Bundestagfraktion Grund genug, am Montag in einer prominent besetzten Tagung zu fragen: Wie wirkt das Gesetz?

„Bei den Aufsichtsratsposten, wie sie Fresenius jetzt erfüllen muss, greift es“, sagt Monika Pisal, Präsidentin des Juristinnenbundes. „Den Machtverlust, den ein Aufsichtsrat mit leeren Plätzen hätte, wird kein Unternehmen hinnehmen wollen.“

Seit April 2015 Aufsichtsratsmitglied der Vision Net AG: Doris Wiedemann Foto: imago/Horst Galuschka

Jahrelang haben sich die Juristin Pisal und ihre Kolleginnen in die Hauptversammlungen der größten Unternehmen in Deutschland gesetzt und die Konzernspitze gefragt: Wie viele Frauen haben Sie in den Toppositionen? Im Aufsichtsrat? Im Vorstand? Über 300 Unternehmen lernten die Frauen auf diese Weise kennen.

Die Antworten fielen ernüchternd aus: 2008 waren gerade mal 12 Prozent der Aufsichtsräte weiblich. Die Juristinnen und Verbände wie FidAR, Frauen in die Aufsichtsräte, starteten Kampagnen, FidAR gab mit dem WOB-Index regelmäßig eine Statistik heraus, die zeigte, wie schwer Frauen es haben, die sogenannte gläserne Decke zu durchstoßen.

„Die gesetzlichen Vorgaben sind für uns ein Muss

Die Frauen betrieben Lobbyarbeit, sie nervten heftig. Aber irgendwann war die öffentliche Debatte entfacht. Politik und Unternehmen reagierten. Die Telekom verpflichtete sich als erster DAX-Konzern öffentlich, 30 Prozent Frauen nach oben bringen zu wollen. Der Bundestag verabschiedete das Gesetz, das eine 30-Prozent-Quoteim Kontrollgremium vorschreibt.

Viele Unternehmen halten sich daran. Bis jetzt haben 60 Prozent der rund 100 betroffenen DAX-Konzerne ihre Quotenpläne veröffentlicht. Der Verein FidAR hat sich die Mühe gemacht, diese als „Planzahlen-Resümee“ zusammenzutragen und zu veröffentlichen. Darunter – neben Fresenius – Großunternehmen wie der Sportartikelhersteller Adidas, der Chemiekonzern BASF und der Autobauer Daimler. Sie alle wollen ihren Frauenanteil im Aufsichtsrat auf mindestens 30 Prozent erhöhen. „Die gesetzlichen Vorgaben sind für uns ein Muss, daran halten wir uns selbstverständlich“, sagt ein Fresenius-Sprecher zur taz.

Seit August 2015 Aufsichtsratsmitglied der Postbank: Christiana Riley Foto: imago/Sven Simon

FidAR-Präsidentin Monika Schulz-Strelow ist über dieses Ergebnis nicht überrascht. Sie sagt: „Die Unternehmen können es sich nicht leisten, das Gesetz zu umgehen. Eine Blöße wollen sie in jedem Fall vermeiden.“ Und tatsächlich ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten insgesamt mittlerweile auf fast 24 Prozent gestiegen.

Doch da ist auch noch der zweite Teil des Quotengesetzes, die sogenannte Flexi-Quote: Weitere 3.500 Unternehmen in Deutschland, die entweder börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind, müssen öffentlich bekannt geben, wie viele Frauen sie bis 2017 in ihre Topetagen unterhalb des Aufsichtsrats holen wollen. Die meisten Firmen scheren sich allerdings wenig darum, vor allem solche mit traditionell männlicher Mitarbeiterstruktur wie Bergbauunternehmen, metallverarbeitende Betriebe und Maschinenbauer.

6 Prozent Frauen sind auf den Chefposten

Juristin Pisal kann die Argumente dieser Firmen für ihre Frauenarmut an der Konzernspitze im Schlaf runterbeten: Frauen durften bis vor Kurzem nicht unter Tage arbeiten, zu wenig Frauen wollten Betriebswirtinnen werden, und kaum eine Ingenieurin.

Pisal hält dagegen: „Topmanager arbeiten auch nicht unter Tage und sind selten Ingenieure und Betriebswirte, sondern vor allem Juristen.“ Schulz-Strelow ahnt, dass es „ein harter Kampf“ werde, bis die Flexi-Quote Wirkung entfaltet. Unterdessen laden Anwaltskanzleien Firmenmanager ein, um ihnen Argumente zu liefern, wie sie die Flexi-Quote umgehen können.

Ein weiterer Brocken sind die Vorstandsposten. Gerade mal6 Prozent Frauen sind auf den Chefposten in den Unternehmen zu finden. Für Frauen im Vorstand gibt es keine genauen Vorgaben, sondern nur freiwillige Zielsetzungen. Hier bewegt sich fast nichts.

Dennoch sind FidAR-Präsidentin Schulz-Strelow und die Juristin Pisal zuversichtlich, dass der Kulturwandel hin zu mehr Akzeptanz von Frauen an höchster Stelle eingeleitet sei. Das allerdings bezweifelt Marion Weckes, Mitbestimmungsexpertin bei der Hans-Böckler-Stiftung. In einem kürzlich erschienenen Report kritisiert sie, dass „wir aktuell von einer geschlechtergleichen Besetzung weit entfernt“ sind. Die Mindestquote werde zwar eingehalten, aber kein Unternehmen unternehme Anstrengungen für einen höheren Frauenanteil. „Das wird langfristig zur Stagnation führen“, sagt Weckes.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Ein Elitegesetz. Zwar ist es ein legitimes bürgerrechtliches Anliegen, die gesetzlich garantierte Geschlechtergerechtigkeit im konkreten Fall einzufordern. Soweit d'accord. Nur zeigt es auch die engen Grenzen unseres politischen und gesellschaftlichen Systems: Das Gesetz hat die Wirkung, daß jetzt mehr Frauen an der Spitze von Ausbeutergremien sitzen dürfen. An den Ausbeutungsverhältnissen, die Konzerne Mensch und Natur aufzwingen, ändert es nicht das Geringste. Das Beste, was man mit solchen Konzernen wie Fresenius tun kann, ist doch nicht, dort ein paar Frauen mehr an die Spitze zu bringen - das Beste ist doch immer noch, sie aufzulösen. Wer so groß ist (23 Mrd. Jahresumsatz) ist vor allem eines: gefährlich. - Wie gesagt, ein Elitegesetz: wohlhabende Alphafrauen erhalten endlich den gebührenden Platz neben wohlhabenden Alphamännern. Das war's. Feminismus ohne Sozialismus ist nicht besser als Sozialismus ohne Feminismus.

  • Die dritte Feminismus Welle...

     

    war zuerst amüsant, dann witzig doch langsam wirds ernst:

     

    Astrophysiker die Sonden auf Kometen landen lassen werden zu Tränen gemobbt, weil er ein "sexistisches" Shirt bei Pressekonferenz trägt,

     

    Dawkins wird wegen "unflätiger" Re-tweets und sarkastischen Äußerungen von Diskussionsrunden ausgeladen,

     

    John Cleese wird von Bekannten empfohlen keine Vortäge in Universitäten zu geben weil die Campuse voll mit anti-patriarchalischen-Kampfgruppen sind, die ...keinen Humor haben.

     

    Warum kann man nicht einfach eine Arbeit wählen, die man machen möchte? ohne Quotenscheiß!

     

    Männer und Frauen sind verschieden, aber deswegen doch nicht ungleich!

     

    Gibt es Quotenzwang für Männer in Kindertagesstätten, einer frauendominierten Arbeitsumgebung?

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Es hieß immer "mit Frauen in Führungspositionen wird alles besser", weil die Diplomatischer sind und so weiter. Wer sich mächtige Frauen anguckt, wie Merkel, Thatcher, Sheryl Sandberg (COO von Facebook) oder Meg Whitman (CEO von HP) merkt schnell das da kein wahres Wort dran ist. Wer eine solche Position bekleidet muss viele unangenehme Dinge tun oder er tut seinen Job nicht richtig. Da hilft es niemandem das dort eine Frau sitzt, außer der Frau selber.

     

    Bei dieser ganzen Quoten-Politik kommt mir die Galle hoch. Es ist vor allem Komfortabel für seine Interessensgruppe einfach etwas einzufordern das andere sich erarbeiten mussten.

     

    Wenn man sowas schon macht dann lasst es uns richtig machen. Lasst uns sagen in allen Berufszweigen muss jedes Geschlecht mit mindestens 30% vertreten sein. Glaube ich daran? Nein! Aber ich würde gerne sehen wie die Krankenpflegerinnin, Kindergärtnerinnin und Gender-Studies "Wissenschaftler"innin sich verhalten wenn sie vor die unmöglich zu erfüllenden Bedingungen gestellt werden die ihre Lobbyistinnin selbst bei Informatikern, Ingenieuren und Co. fordern.

     

    Wie gesagt, bevor sie keine Müllfrau quote Fordern glaube ich den jungen Feministinnin nicht das es ihnen um Gleichstellung geht. Die meisten halte ich für radikale ideologen die nicht in der Lage sind die Realität ohne ihre Gender-Unterdrückungs-Brille wahrzunehmen. Was dabei rauskommt ist meist mehr Verschwörungstheorie als Politisches Programm.

     

    Vor einigen Tagen habe ich einen Artikel von Alice Schwarzer gelesen. Die Frau kam mir im Vergleich zu dem was sich heutzutage Feministin nennt vollkommen vernünftig vor und das mag was heißen.

  • Für mich muss sich erst einmal zeigen ob die Auswirkungen überhaupt positiv zu werten sind.

    Frauen müssen sich jetzt unter der Hand gefallen lassen dass sie sich ihre Position nicht erarbeitet hätten und jede Entscheidung wird doppelt hinterfragt nur weil man Frau ist. Gerade für Gehaltsverhandlungen ist diese gesetzliche Bevormundung ja wenig hilfreich für die Frauen.

    Mehr Arbeit und Verantwortung aber das dementsprechende Gehalt und Vertrauen lassen auf sich warten.

    An den wirklichen Problemen ändert sich also nicht viel und die Toleranz für Gleichberechtigungsbemühungen scheint gerade bei den in der Karriere nun behinderten Männern aufgebraucht. Der Sexismus nimmt zumindest für mich gefühlt eher zu.

  • Man sollte besser fragen: "Welche Frauen haben Sie?" und nicht "Wie viele...?" Leider wird die Frage nach der Qualität mal wieder nicht gestellt. Die Quantität ist alles, was man hinterfragt. Nein, es wird nicht "spannend" werden ab 13. Mai. Nicht bei Fresenius.

     

    Frauen sind nicht per se verantwortungsbewusster als Männer. Eine Frau, die sich den (männlichen, erkennbar vorurteilsbelasteten) Entscheidungsträgern für einen Aufstieg in den Aufsichtsrat eines 40-Mrd-Dollar-Unternehmens empfiehlt, ist aus Sicht der (männlichen, erkennbar vorurteilsbelasteten) Entscheidungsträger über alle Zweifel erhaben. Und zwar deswegen, weil ihre Ziele, Strategien, Instrumente und Methoden denen der (männlichen, erkennbar vorurteilsbelasteten) Entscheidungsträger gleichen wie ein Ei dem anderen. Dass jemand Vorurteile hat, bedeutet schließlich nicht, dass auch was dran ist.

     

    Seit 2016 gibt es eine Pflicht. Wenn Männer dieser zähneknirschend nachkommen (by the way: welcher Machtverlust?), bedeutet das noch lange nicht, dass sie den Sinn der Pflicht kapierten. Sie muss also auch nicht zu sinnvolleren Entscheidungen führen. Die meisten Führungs-Frauen tun denn auch erkennbar nichts anderes als das, was auch jeder x-beliebige männliche Aufsichtsrat täte. Man will sich ja schließlich erkenntlich zeigen für das Vertrauen, das einem zuteil geworden ist. Schon, weil man nicht gleich wieder gehen möchte.

     

    Ganz abgesehen davon, dass manche Unternehmen es sich durchaus leisten können, Gesetze zu umgehen, brauchen sie es nicht einmal zu tun. Einen echten "Kulturwandel" wird es auch bei Fresenius nicht geben nach dem 1. Mai. Dass die Vorstandschefs des Konzerns erst auf des sogenannten Druck hin ihre Angst vor weiblicher Bereicherung besiegen konnten, wirft im Übrigen kein all zu helles Licht auf ihren Charakter oder ihr Gehirn. Und Simone Schmollack möchte ich zurufen: "Kein Y-Chromosom allein ist auch noch keine Garantie für nichts! Ist das so schwer zu verstehen?"

  • Es ist mir völlig wurscht, ob es Männer oder Frauen sind, die Leute, Tiere und Umwelt ausbeuten.

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Dieses Gesetz begünstigt einen ganz kleinen elitären Kreis von Frauen, die ohnehin schon äußerst gut entlohnt werden. Die breite Masse der Frauen steht im Berufsalltag dagegen immer noch vor großen Problemen (z.B. Entlohnung, Familie, Teilzeit, Rente) und hat von diesem Gesetz überhaupt nichts. Kaum zu glauben, dass solch ein Gesetz von linken Parteien befürwortet wird.