piwik no script img

Frauenkampftag in BerlinKämpfen gegen das Patriarchat

Zum feministischen Kampftag am 8. März rufen verschiedene Bündnisse zu Demos auf. Die größte findet am Brandenburger Tor statt.

Auch unzufrieden mit dem Patriarchat? De­mons­tran­t:in­nen zeigen sich kämpferisch zum 8. März Foto: Stefanie Loos

Berlin taz | Vor der ghanaischen Botschaft in Berlin tanzen queere Sexarbeiter:innen. Sie legen die Hände auf die Straße, strecken die Beine lang und wackeln mit dem Po, während Akatumamy aus dem Lautsprecher klingt und Ärsche besingt. Black Lives Matter Berlin rief auf zur Kundgebung in Solidarität mit ghanaischen LGBTIQ*.

Die Kundgebung wurde spontan veranstaltet, weil der einzige Schutzraum für LGBTIQ* in der ghanaische Hauptstadt Accra vergangene Woche angegriffen wurde. Er wurde erst im Januar von Ak­ti­vis­t:in­nen des Netzwerks „LGBT+ Rights Ghana“ gegründet und sieht sich nun Repressionen seitens Kirche, Polizei und Politik ausgesetzt.

„Die machen ihnen das Leben gerade komplett zur Hölle“, sagt Isabel Kwarteng-Acheampong. „Wir haben hier auch ähnliche Probleme und wollen ein Zeichen setzen.“ Gemeinsam mit anderen hat Kwarteng-Acheampong die Kundgebung organisiert, einen Namen haben die Ak­ti­vis­t:in­nen für ihr Netzwerk noch nicht. Etwa 50 Menschen stehen am Montagmorgen vor der ghanaischen Botschaft, tanzen gemeinsam mit den Sex­ar­bei­te­r:in­nen und hören den Redebeiträgen zu.

Am 8. März finden dieses Jahr viele solcher kleinen Demos statt. Das Bündnis „Frauen*kampftag Berlin“ hat zu dezentralen Demos aufgerufen, um das Infektionsrisiko gering zu halten.

Das sorgt dafür, dass die Zeitfenster der stattfindenden Demos relativ klein sind: Von zehn bis elf Uhr machen Fridays for Future im Invalidenpark auf die Zusammenhänge zwischen Klima- und Geschlechtergerechtigkeit aufmerksam. Eine Stunde später wird dort gegen die prekären Bedingungen im Pflege- und Gesundheitssektor demonstriert.

„Der Gesellschaft fehlt es an Diskussionen“

Die größte Demo mit etwa 5.000 Menschen zieht durch Mitte. Die „Alliance of International Feminists Berlin“ hat aufgerufen zur Demonstration. Sie geht von der Europäischen Kommission über die Museumsinsel. „Cis Männer sind nicht eingeladen“, stellt zu Beginn der Demonstration ein:e Red­ne­r:in klar.

„Außerdem sind alle nicht eingeladen, die nicht verstehen, dass trans Frauen Frauen sind“, ruft di­e:der Redner:in. Die Menge jubelt und klatscht. Das Bündnis geht aus zahlreichen Gründen auf die Straße: gegen Faschismus, Kapitalismus, das Patriarchat und white supremacy.

„Ich komme aus Spanien und ich finde, in der Gesellschaft in Deutschland fehlt es an Diskussionen“, sagt Marta Vega. Vega spricht sich dagegen aus, „Gewalt gegen Frauen“ zu sagen: „Es fehlt an Begriffen. Es sollte Familiengewalt heißen. Es gibt außerdem keine richtigen Gesetze dazu.“ In vielerlei Hinsicht sei die deutsche Gesellschaft noch nicht so weit wie in Spanien.

Lärmdemo im Wedding

Bereits am Sonntagabend ruft die Frauen*- und Kiezkommune Wedding zum Streik auf. Etwa 400 Fe­mi­nis­t:in­nen laufen vom Leopoldplatz bis zum Nettelbeckplatz. In der Hand halten sie Töpfe, Pfannen und Backbleche, auf die sie mit Suppenkellen und Kochlöffeln schlagen – um darauf aufmerksam zu machen, dass die meiste Care-Arbeit von FLINTAs erledigt wird.

„Was passiert … wenn wir die Töpfe stehen lassen? … wenn wir die Brote nicht mehr schmieren? … wenn wir nicht früh aufstehen und putzen gehen?“, fragen sie im Demo-Aufruf. Ein Streik, ähnlich der Lärmdemos, die es in Spanien und Chile gibt. Die Kiezkommune schreibt weiterhin zum Demo-Aufruf: „Wir wollen kein Klatschen. Wir wollen faire Löhne und Entlohnung für Sorgearbeit. Wir sind systemrelevant! Wir sind wütend! Wir wollen sichtbar sein!“

Und die Wut merkt man ihnen an: Das Topfschlagen ist so laut, dass Gespräche kaum möglich sind. Unter jeder Unterführung machen sie besonders viel Krach, die Fe­mi­nis­t:in­nen jubeln im Echo, schlagen auf Töpfe und der Lauti sorgt für den Rest.

Die Pandemie als Brennglas

Am Rande der Demo teilen Ak­ti­vis­t:in­nen Flyer aus. „It’s still a man’s world. Diskriminierung von FLINTA* im 21. Jh.“, steht darauf. Beim Austeilen drücken die Ak­ti­vis­t:in­nen auch einem Polizisten einen Flyer in die Hand. Er senkt den Blick, um sich den Flyer durchzulesen, richtet den Kopf wieder und streckt die Hand aus, um ihn zurückzugeben: „Den könnt ihr gleich wieder mitnehmen.“

Wie viele andere Teil­neh­me­r:in­nen der Demo ist Nina Hansen wütend: „Ich bin hier, weil mich die sexistische und homophobe Gewalt ankotzt.“ Wie viele Fe­mi­nis­t:in­nen nimmt Hansen die Pandemie als Brennglas bisheriger Probleme wahr: „Mich macht es wütend, dass die Krise auf dem Rücken der Care-Arbeitenden ausgetragen wird.“ Auf dem Kopf trägt Hansen einen Hexenhut, unter dem Arm ein Plakat, auf dem steht „Patriarchat weghexen“.

Cardi B dringt aus dem Lauti: „I don’t cook / I don’t clean“. Die Fe­mi­nis­t:in­nen hüpfen im Takt, dazu halten sie ihre Kochlöffel in die Höhe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Leider etwas spät mein Vorschlag:



    eine Kampagne pushen mit dem Kampfziel:



    Keine InCels mehr



    InCels stilllegen, abschalten.



    Keine Terrorhitparade mehr mit solchen Frauen- und Menschenhassern (auf 4chan bitchut und co.)

  • Frage zum Frauentag: „Was passiert … wenn wir die Töpfe stehen lassen? … wenn wir die Brote nicht mehr schmieren? … wenn wir nicht früh aufstehen und putzen gehen?“

    Antwort: Vermutlich genauso viel oder wenig ... wie wenn die Männer keinen Unterhalt leisten, nicht mehr früh morgens lohnarbeiten gehen, nicht mehr den Müll wegbringen, das Bild aufhängen oder den Einkauf tragen ... das können Frauen alles auch alleine.

  • Ich finde Wolfgang Thierses Aussagen(F.A.Z.) passend.

    ...„Ich halte die Verlagerung ins Identitätspolitische für problematisch, zum Beispiel finde ich wichtiger als Sprachänderung, dass wir am Gender-Pay-Gap arbeiten. Gerade wurde Deutschland bescheinigt, dass die Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau größer ist als anderswo“, sagte Thierse. „Der SPD wurde attestiert, dass sie ihre türkischstämmigen Wähler zum größeren Teil verloren hat an die CDU. Einen Teil der Arbeiterschaft haben wir bereits verloren. Das muss uns doch beschäftigen als Partei!“...

    Gender-Pay-Gap(deutsch- geschlechtsspezifische Lohngefälle)



    de.wikipedia.org/wiki/Gender-Pay-Gap

    Paßt doch zum Thema oder ?

    • @Ringelnatz1:

      Wobei Thierses exemplarische Gegenüberstellung "wichtiger als Sprachänderung, dass wir am Gender-Pay-Gap arbeiten" reine Willkür ist. Entweder sind beides identitätspolitische Themen, oder keines von beiden ist eins.



      Tatsächlich hab ich den Eindruck, Thierse geht es vor allem darum, seine Vorstellung einer "guten Identitätspolitik" (die er dann natürlich nicht so nennt) gegen eine solche durchzusetzen, die er für schlechte Identitätspolitik hält - das Ganze getarnt als Grundsatzdebatte.



      Gesine Schwan ist da etliche Stufen weiter, wenn sie sagt, man kann verschiedene Formen der Benachteiligung (ökonomisch, auf dem Arbeitsmarkt, kulturell) nicht gegeneinander ausspielen, sondern, im Gegenteil, kann diese nur zusammen denken, wenn es einem wirklich um Gerechtigkeit geht.



      Dass nicht alles gleichermaßen dringlich ist, ist selbstverständlich. Und genauso selbstverständlich sollte sein, dass es nicht stimmt, dass man erst dann am weniger Dringlichen zu arbeiten beginnen kann, wenn das Vordringlichste erledigt ist. Wer nach diesem Prinzip kochen würde, bräuchte 2 Tage minimum für das ganze Menü und am Ende wären 95% kalt und abgestanden.



      Merke: Gegessen wird Punkt 7.

    • @Ringelnatz1:

      Das paßt nicht nur zum Thema, das sollte auch vorrangiges Thema sein - möchte man meinen.



      Anders sieht dies aber eine kleine, aber umso lautstärkere, Blasencomunity. Die arbeiten sich lieber an mehr oder weniger sinnvollen 'intelellen' Sprachspielchen ab.



      Naja, wer seine Schäfchen schon im Trockenen hat...