Frauenfußball und Kultur: Wir kicken nicht wie ihr
Frauenfußball ist nicht einfach Fußball von Frauen. Er ist ein anderer Fußball. Einer, der sich seine Räume erkämpfen musste.
Der Frauenfußball hat eine eigene Kultur hervorgebracht hat: solidarischer, offener, emotionaler. Und genau deshalb darf er nicht zum Abklatsch des Männerfußballs werden. Wer nur über Gehälter, TV-Rechte und Professionalisierung spricht, übersieht das Wesentliche: den kulturellen Wert dieses Sports – für Spielerinnen, für Fans, für die Gesellschaft.
Fußball war zunächst Männersache. Schnell wurde er zum Massensport und irgendwann zum milliardenschweren Spektakel. Der Frauenfußball musste sich seinen Raum gegen massiven Widerstand erkämpfen – von Anfang an. In (West)-Deutschland hatte der DFB 1955 den Frauenfußball verboten – bis 1970: „Dieser Kampfsport ist der Natur des Weibes im Wesentlichen fremd.“ Statt mit TV-Geldern und Großsponsoren wuchs der Frauenfußball mit einer starken, solidarischen Community. Er entstand nicht als Massenprodukt, sondern als Gegenkultur. Das prägt ihn bis heute.
Der Frauenfußball empowert. Mädchen, die kicken, hören oft früh, das sei nichts für sie. Sie werden als Lesben oder „Mannweiber“ beschimpft – einfach nur, weil sie Fußball spielen. Und trotzdem machen sie weiter. Warum?
Weil sie beim Fußball eine Schwelle überschreiten. Sie betreten einen Raum, in dem diese Zuschreibungen keinen Sinn mehr ergeben. In dem sie erleben: Die Beleidigungen kommen von draußen – aber nicht von hier. Auf dem Platz, in der Kabine, im Team erleben sie ein anderes Miteinander. Der Frauenfußball wird so zu einem Raum, in dem schon Kinder lernen: Diese vermeintlichen Abwertungen sagen nichts über mich – aber viel über die, die sie benutzen.
Der Frauenfußball schafft, was der Männerfußball bis heute nicht schafft: Er bietet vielen ein Zuhause, die sich im Mainstream-Fußball nicht sicher fühlen. Während im Männerfußball oft die Angst mitspielt – vor Homofeindlichkeit, vor toxischer Männlichkeit, vor Gewalt – wird der Frauenfußball mit anderen Werten verbunden: Respekt, Solidarität, Gemeinschaft.
Es geht nicht um mehr Geld, häufigere Siege und das Niedermachen der Anderen
Und ja, der Männerfußball schaut sich inzwischen manches ab. Die Regenbogenbinde etwa, die in manchen Amateurmannschaften selbstverständlich getragen wird – obwohl sie noch immer Diskussionen auslöst. Was im Frauenfußball gelebter Alltag ist, bleibt bei den Männern oft nur eine Geste.
Der Umgang in den Kabinen ist bei den Frauen oft schon in der Jugend offen und mit wenig Scham besetzt. Hier wird nicht nur über Taktik gesprochen, sondern über alles: über Verletzungen, über Liebeskummer, über das Leben. Mütter bringen ihre Babys mit zur Teambesprechung. Spielerinnen kämpfen sich nach Schwangerschaften zurück an die Spitze. Das alles ist Teil der Kultur.
Und während Männer über „professionellere Bedingungen“ im Frauenfußball sprechen, merken sie oft nicht, dass sie mit „professionell“ eigentlich meinen: so wie bei uns. Mehr Druck, mehr Geld, mehr Kommerz. Aber genau das ist der Punkt: Wenn der Frauenfußball wird wie der Männerfußball, verlieren wir, was uns ausmacht.
Denn worum geht es eigentlich im Fußball? Um Emotionen, klar. Aber nicht um die Art von Emotionen, bei der sich Tausende Männer Bier über die Schultern kippen, Pyros zünden und dem gegnerischen Team „auf die Fresse“ geben wollen. Das ist kein emotionaler Ausdruck – das ist eine Kultur der Verrohung.
Unsere Emotionen sehen anders aus. Wir diskutieren mit Vereinsvorständen, damit wir überhaupt Bälle gestellt bekommen. Wir kämpfen seit Jahren um Räume, Trainingszeiten, Anerkennung. Und in all dem haben wir eine Fußballkultur aufgebaut, die verletzlicher, vielfältiger – und vielleicht gerade deshalb so viel stärker ist.
Ich will nicht werden wie Männer. Und Männer, die uns erklären wollen, wie wir Fußball zu spielen haben, denen sage ich: Ihr macht unseren Sport kaputt.
Dieser Text ist im Rahmen eines Workshops der taz Panter Stiftung für Nachwuchsjournalistinnen im Sport entstanden.
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