Frauenfußball in Nigeria: Importierter Sexismus

In Nigeria wurde schon Frauenfußball gespielt, als es in Europa vielerorts noch tabu war. Soziale Rollen wurden nicht auf Geschlechtsbasis festgelegt.

Fußballerinnen auf einem Sandplatz warten auf nächste Trainingsübung

Training des FC Robo in Vorbereitung auf die Erstligasaison in Nigeria Foto: Shengolpixs/imago

Die Port Harcourt Ladies und die Lagos Ladies nahmen ihren Sport offenbar sehr ernst. 600 Kilometer lang auf einer schwer befahrbaren Straße musste eines der Fußballteams reisen, damit sie gegeneinander antreten konnten. Davon berichtete der kolonialkritische West African Pilot. 1944 druckt die Zeitung die ersten Spielberichte zum Frauenfußball in Nigeria. Über die Warri Ladies, die Onitsha Ladies, die Calabar Ladies. Und anscheinend spielten sie schon davor, denn bei den Calabar Ladies heißt es, viele Spielerinnen seien lange beim Klub.

Frauenfußball in Nigeria in den Vierzigerjahren? In der Geschichtsschreibung des Fußballs von Frauen taucht das kaum je auf. Häufig ist der afrikanische Kontinent eine Fußnote – „und dann, in den Neunzigern, begannen sie auch irgendwann“. Afrika war aber, das zeigt das Beispiel Nigeria, kein Anhängsel europäischer Emanzipation, es recherchiert nur fast niemand dazu.

Der Kommunikationswissenschaftler Chuka Onwumechili von der Howard University in Washington hat über Zeitungsberichte nachgewiesen, dass mindestens seit 1937 in Nigeria Frauen Fußball spielten. Also zu Zeiten, wo Frauen das Spiel in vielen Ländern Europas verboten war.

Die Nigerianerinnen spielten zunächst als eine Art Erheiterung zu Wohltätigkeitszwecken, zum Beispiel junge Frauen gegen ältere, unsportliche Männer. Aber spätestens ab den Vierzigern spielten sie selbst organisiert untereinander. Dass das relativ selbstverständlich geschah, hat Gründe. Die Gender-Wissenschaftlerin Oyeronke Oyewumi betont in „The Invention of Women“, dass in der vorkolonialen Gesellschaft der Yoruba, die heute vor allem im Südwesten Nigerias leben, das Konzept der Frau nicht existiert habe.

Wütende Proteste der Nigeriannerinnen

Soziale Rollen seien nicht auf Basis von Körper oder Geschlecht festgelegt worden. Das taten erst die britischen selbsternannten Kolonialherren – und ernteten wütende Proteste der Nigerianerinnen. Die Menschen, die man aktuell zu Frauen erklärt, waren dort nicht historisch unterdrückt oder überhaupt definiert. Sexismus wurde importiert. Und die Landsleute störten sich folglich zunächst nicht am Spiel.

Die Briten dagegen versuchten erbost, dem Fußball der Nigerianerinnen ein Ende zu bereiten. Denn in Großbritannien war Frauenfußball damals verboten. Es folgten Verbote und Platzsperren, außerdem Drohungen gegen lokale Männer, die die Frauen unterstützten. Ganz ersticken konnten die Briten das Spiel nicht; es zog sich zurück in Kleinstädte und an Schulen. Aber ihre „Erfindung der Frau“, wie es Oyewumi nennt, hatte Folgen. Nach Ende der Kolonialherrschaft blieb das Verbot erhalten, und die in den Siebzigern gegründeten freien Frauenverbände spielten lange im Schatten – bis 1989 die NFA den Frauenfußball erlaubte, aber nur noch unter ihrem Dach. Und als minderwertige, kaum honorierte Tätigkeit.

Die große nigerianische Tradition sollte sich für den Verband lohnen, nahm das Nationalteam doch bisher an jeder WM teil und hält mit elf Titeln den Rekord beim Afrika-Cup. Aber schlechte Bedingungen bleiben prägend, und in einem Land, wo auf Homosexualität die Todesstrafe steht, leiden die Spielerinnen unter ständigen Verdächtigungen.

Im Gegensatz zum liberaleren Süden hat der islamisch geprägte Norden noch andere Probleme. Laut Chuka Onwumechili erlebt der Frauenfußball dort sogar Rückschritte. Die Federal Capital City (FCT) Queens von Abuja zum Beispiel seien aufgelöst worden, nachdem sie keine finanzielle Unterstützung mehr erhielten. Den Spielerinnen war gesagt worden, sie sollten lieber heiraten. Dort mussten die Briten Geschlechterrollen nicht erst in Gesetze gießen.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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