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Frauenfußball in AfghanistanDie Flucht der 70

Über 70 afghanische Fußballerinnen fliehen nach Australien. Dass es nicht mehr sind, liegt auch an Versäumnissen der Fifa.

Kämpferin für die Rechte afghanischer Fußballerinnen: Khalida Popal Foto: AP/Jan M. Olsen

D iese Geschichte über den afghanischen Frauenfußball beginnt mit dem Nein eines Mannes, der derzeit als „der letzte Jude in Afghanistan“ in den Schlagzeilen ist. Dieser Zebulon Simantov sollte nämlich, nachdem die Taliban die Macht übernommen hatten, aus Afghanistan herausgeholt und nach Amerika gebracht werden. Das zumindest war das Angebot, das ihm die jüdische Hilfsorganisation Tzedek Association aus den USA machte. Doch Simantov lehnte ab, er wolle in Kabul bleiben.

Tzedek hörte aber von einem Kontakt zu afghanischen Fußballerinnen, die in Kabul untergetaucht waren. Khalida Popal, die 2007 die Frauenauswahl mit aufgebaut hatte und nach Morddrohungen vor zehn Jahren ins Exil nach Dänemark gegangen war, berichtete jüngst dem Deutschlandfunk: „Ich habe einige unserer Spielerinnen in Afghanistan kontaktiert und gefragt, wie es ihnen geht. Ich hatte gehofft, dass sie Afghanistan bereits verlassen hätten. Aber sie sagten, dass sie dort festsitzen.“

Popal baute von Dänemark aus ein Hilfsnetzwerk auf. Zentral dabei war die FifPro, die Weltspielergewerkschaft. Popal berichtete der Gewerkschaft, dass die Spielerinnen große Angst hätten. Die FifPro reagierte ähnlich schnell wie Tzedek, denn für die Spielerinnen habe „sich in der jetzigen Situation ihr Risikoprofil deutlich erhöht“, wie FifPro-Generalsekretär Jonas Baer-Hoffmann sagte, denn: „Das Fußballspielen war letztlich ein Symbol des Widerstands.“

„Immer ein Stück zu spät“

Was für die Hilfsorganisation und die Gewerkschaft selbstverständlich war, gilt für die Sportverbände nicht. „Wir sind von der Fifa sehr enttäuscht, die Hilfeschreie sind laut. Aber die Fifa ist immer ein Stück zu spät“, kritisierte die ehemalige afghanische Nationalspielerin Gitti Ruhin. „Dass diese Mädchen dort zurückgelassen worden sind, liegt daran, dass die Fifa nicht schnell genug gehandelt hat“, sagte Ruhin, die in Hamburg lebt, dem TV-Sender Sky.

Die afghanischen Fußballerinnen haben viel durchgemacht. Gegen etliche Widerstände wurde die Nationalelf 2007 aufgestellt. Drei Jahre später nahm sie an der Südasienmeisterschaft teil. 2012 spielte sie bei diesem Turnier im Halbfinale. 2018 wurde dann ein Skandal öffentlich: Über einen längeren Zeitraum hatte es physische, psychische und sexuelle Übergriffe auf Spielerinnen gegeben. Täter waren männliche Angestellte des Fußballverbands. Abgesichert wurde das Regime durch Verträge, die die Spielerinnen unterzeichnen mussten, wodurch sie etliche ihrer Rechte an den Verband abtraten. Öffentlich gemacht wurde der Skandal von Popal, die sich aus ihrem Exil weiter ums Team kümmerte.

Die Rettungsaktion, die von Tzedek Association bezahlt und von FifPro organisatorisch unterstützt wurde, brachte letztlich über 70 Spielerinnen, deren Verwandte sowie Funktionäre nach Australien, das sich bereit erklärte, sie aufzunehmen. Die Nationalspielerin Mina Ahmadi, die schon vorher geflohen war, sagt: „Unsere Hoffnung ist, dass die Mädchen, denen es gelungen ist zu fliehen, nicht alleingelassen werden und dass die Fifa ihnen Hilfe gibt.“ Hoffen auf die Fifa? Es ist zu befürchten, dass diese Geschichte über den afghanischen Frauenfußball auch mit einem Nein endet, diesmal mit einem traurigen.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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