Frauenfußball-Bundesliga: Niedersächsische Hegemonie
Der VfL Wolfsburg hat sich zur Macht unter Deutschlands Kickerinnen entwickelt. Am Sonntag kommt es zum Spitzenspiel gegen den FFC Frankfurt.
WOLFSBURG taz | Zur besseren Motivation macht es allemal Sinn, die bunten Bilder von damals noch einmal zu zeigen. Also steigt Ralf Kellermann, der erfolgreiche Allesmacher beim Meister und Spitzenreiter VfL Wolfsburg, ins Archiv, um seine Spielerinnen auf das Spitzenspiel der Frauenbundesliga am Sonntag gegen den Verfolger 1. FFC Frankfurt einzustimmen.
„In die Spielvorbereitung werde ich so positiv besetzte Szenen sicherlich einbauen“, sagt der 46-Jährige. Könnte ja stimulierend wirken. Erst am Pfingstsonntag dieses Jahres wurde in genau dieser Konstellation die Meisterschaft entschieden: durch ein Last-Minute-Tor von Alexandra Popp im damals ausverkauften Stadion am Elsterweg.
Die VfL-Torschützin ist danach „Miss Meisterschaft“ getauft und „Fußballerin des Jahres“ geworden, doch mit der Titelverteidigung hatte sich im Sommer noch etwas anderes angezeigt: eine grundsätzliche Verschiebung der Kräfte im deutschen Frauenfußball. „Von der Beständigkeit über einen längeren Zeitraum sind wir noch sehr weit weg vom 1. FFC Frankfurt oder Turbine Potsdam“, erklärt Kellermann zwar, doch fünf nationale und internationale Titel in zwei Jahren sprechen eine andere Sprache. Die Trendsetterinnen kicken im östlichen Niedersachsen, nicht mehr in Brandenburg oder Hessen.
Vor allem dank des ehemaligen Zweitligatorwarts, der bis 2008 unter Felix Magath die Scoutingabteilung geleitet hatte und sich dann der Fußballerinnen bei der Konzerntochter annahm, ist ein Gegengewicht zu dem vom eigenwilligen Bernd Schröder befehligten Turbine Potsdam und dem vom umtriebigen Chefeinkäufer Siegfried Dietrich gemanagten 1. FFC Frankfurt entstanden. Das auf Nachhaltigkeit angelegte Modell gilt als beispielhaft: Es gilt beim VfL auch als Vorbild für die Männerabteilung. Kein Kader bietet mehr Klasse, kein Aufgebot mehr Tiefe.
Der eine will sich einen Bart wachsen lassen, doch es wächst noch nicht mal Flaum. Der andere schwor in Syrien schon den Treueeid auf den IS. Wie zwei junge Islamisten vom Märtyrertod träumen, der eine vor dem Rechner, der andere vor Gericht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 29./30. November 2014. Außerdem: Die Menschen in der Republik Moldau sind hin- und hergerissen zwischen Russland und der EU. Protokolle von fünf Moldawiern vor der Parlamentwahl am Sonntag. Und: Was passiert eigentlich auf Gangbang-Partys? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Sportlich und menschlich passend
Für Kellermann ist die Liste der Erfolge – wie der zweimalige Gewinn der Women’s Champions League – kein Zufallsprodukt: Er hole Spielerinnen, sagt er, „nicht nur weil sie für die Vermarktungsschiene interessant sind, sondern weil sie sportlich und menschlich passen“. Anders als beim Rekordmeister aus Frankfurt, wo der Name oft das wichtigste Kriterium bei einer Verpflichtung darstelle.
Der so kritisierte Siegfried Dietrich beschwert sich über die neuen Machtverhältnisse nicht. Im Gegenteil: „Es wäre wünschenswert, wenn sich noch mehr Männervereine so ernsthaft im Frauenfußball engagieren.“ Der einstige Eiskunstlaufpromotor bleibt hierzulande der wohl geschickteste Vermarkter für das Nischenprodukt. Und er hat seit 2013 mit Colin Bell endlich einen Trainer an seiner Seite, der dem FFC wieder eine Handschrift verpasst hat.
Vor dem Spitzenspiel redet der ehrgeizige Engländer, der auch als Laienprediger wirkt, lieber den Gegner stark. „Die Favoritenrolle liegt beim Gastgeber, aber so groß ist der Qualitätsunterschied nicht“, glaubt der 53-Jährige. Frankfurt hat mit der in Topform befindlichen Torjägerin Celia Sasic und der Technikerin Dzsenifer Marozsán die aktuell wohl besten Individualisten im deutschen Frauenfußball zu bieten. Das bessere Kollektiv aber spielt in Wolfsburg.
Gut möglich, dass sich das Duell zwischen dem Tabellenführer und dem Tabellendritten auch in anderen Wettbewerben noch fortsetzt. Vielleicht im DFB-Pokal, wahrscheinlicher aber in der Champions League, wo das Endspiel diesmal am 14. Mai 2015 in Berlin ausgetragen wird. Keine vier Wochen später beginnt übrigens für die deutsche Frauennationalelf die WM in Kanada. Wegen der Terminhatz bis dahin einen Kellermann und Bell längst dieselbe Sorgen.
Der Frankfurter Coach hat zuletzt unverhohlen die Überbelastung der Nationalspielerinnen kritisiert. Sein Wolfsburger Kollege legt nun nach: „Darauf weisen wir seit zwei Jahren hin. Die Terminplanung, die Fifa, Uefa und schlussendlich der DFB vorgehen, wirkt nicht immer abgestimmt. Die Turniere liegen nicht günstig, und es gibt zu viele Abstellungsperioden für die Nationalmannschaft.“ Jeder müsse wissen, dass die Spielerinnen aus Wolfsburg und Frankfurt „extrem belastet“ ins Turnier gehen, das zudem auf Kunstrasen ausgetragen wird. Den WM-Titel hält er gleichwohl trotzdem für möglich. „Ich würde mir als Trainer im Frauenbereich immer diese Zielsetzung geben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Pro und Contra
US-Präsident Biden hat seinen Sohn begnadigt – richtig so?
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld