Frauen in Afghanistan: Sie sind nicht verstummt
Das Bildungsverbot für afghanische Frauen verstößt auch gegen muslimische Leitlinien. Um den Frauen zu helfen, braucht es langfristige Solidarität.
S eit der Machtübernahme der Taliban im August letzten Jahres haben sich die Frauenrechte in Afghanistan dramatisch verschlechtert. Die Kritik des UN-Sicherheitsrats, der nun von den Taliban demokratische und gleiche Teilhabe der afghanischen Frauen einfordert, ist nur die jüngste Nachricht, seit Frauen etwa aus öffentlichen Parks und Universitäten verbannt wurden.
Als Muslima lese ich solche Nachrichten mit großer Bestürzung. Beim Anblick der Videos und Bilder der vollkommen aufgelösten jungen Frauen zerreißt es mir das Herz. Als Arbeiterkind und Muslima hatte ich das Privileg, eine universitäre Bildung zu genießen. Solche Privilegien sind den afghanischen Frauen nun genommen. Dem dürfen wir nicht weiter nur zusehen.
Gegen islamische Grundsätze
Die Taliban verletzen nicht nur ein Menschenrecht, sondern auch eine Leitlinie des Islam. Diese besagt: Wer einer Tochter eine gute Bildung und Erziehung angedeihen lässt, erwirbt dadurch das Paradies. Die Verwehrung des Wissenserwerbs verstößt also auch gegen islamische Grundsätze. Muslimische Frauen haben in der Geschichte durchaus Wissensprozesse und Bildung mitgestaltet. Eine besondere Rolle und Vorbildfunktion nimmt Fatima al-Fihri ein. Als Muslima gründete sie im marokkanischen Fès die Moschee al-Qarawiyīn mit religiöser Schule, die heute eine Universität ist und als älteste noch genutzte Bildungseinrichtung der Welt gilt. Sie trug damit nicht nur zu wissenschaftlichem Fortschritt bei, sondern prägte einen kulturellen Rahmen.
Die afghanischen Frauen sind nicht verstummt. Wütende Studentinnen protestierten bereits in Kabul. Sie verdienen Solidarität. Eine Woche ist seit der beschämenden Entscheidung der Taliban vergangen, doch ein konkreter Einsatz der internationalen Gemeinschaft für die Rechte der Studentinnen ist nicht zu sehen. Es braucht dauerhafte Berichterstattung über die Problematik. Und insbesondere Frauenrechtsorganisationen außerhalb Afghanistans sollten sich nun engagieren und ihre Stimmen erheben.
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