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Frauen-EM vs Männer-Klub-WMSchuld ist nur der Infantino

Die Klub-WM der Männer ist nicht mehr als ein Sommerlochturnier und killt doch die Frauen-EM trotz attraktiver Spiele. Das hat mit Überdruss zu tun.

Rasantes Spiel: Deutschlands Kathrin Hendrich und Sarai Linder versuchen vor der Schwedin Rytting Kaneryd an den Ball zu kommen Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Z um Glück ist sie jetzt vorbei. Nein, ich meine nicht die Vorrunde der EM in der Schweiz, hier einfachheitshalber und ungerechterweise „Frauen-EM“ genannt. Ich meine die Klub-WM der Männer in den USA. Ein mehrheitlich schreckliches Turnier, dessen Perversion am Sonntagabend für alle sichtbar wurde, als zum einen Fifa-Boss Infantino neben Ekelpräsident Trump postierte, zum anderen Letzterer sich nach der Pokalübergabe einfach nicht vom Siegerpodest vertreiben ließ.

Geguckt habe ich insgesamt circa 45 Minuten reinen Fußballs von dieser WM. Die letzten 10 Minuten irgendeines Spiels der Dortmunder, das ich längst vergessen habe, und die ersten 35 des Endspiels, bis Palmer von Chelsea das schöne Tor zum 2:0 und der vermeintlichen wie tatsächlichen Vorentscheidung knipste, kurz nach dem Water-Break, das, meine Vorhersage, demnächst als Werbezeitfläche fest in den Fernsehfußball integriert wird.

Apropos Fernsehfußball: Klar, ich hätte auch einfach das Spiel der Französinnen schauen können, das zeitgleich lief und wohl bestes Spektakel lieferte. Auch gilt es zu bedenken, dass die Klub-WM unter einfachen Leuten wie mich auch darunter litt, dass man wieder irgendeine Datenspende für einen Account bei einem Streaminganbieter hätte abgeben müssen, um alle Spiele sehen zu können. Und dann ist das moralische Argument bei mir keines, bedenkt man, dass auch die vermaledeite Katar-WM in aller Ausgiebigkeit von mir weggeguckt wurde, schlimmes Ausrichterland hin oder her.

Nur noch selektives Schauen

Und doch, und darauf wollte ich hinaus: Die Klub-WM der Männer war nicht mehr als ein Sommerloch-Turnier; Vorfreude, Freude und Nachfreude hielten sich in sehr überschaubaren Grenzen. Chelsea gewinnt? Who cares.

Zweite These: Die Klub-WM killt auch die Frauen-EM. Der ganze Fußballzirkus unter Infantino, der schon dem Namen nach das Zirkusartistische mit dem Kindlichen vereint, stößt einen mittlerweile so sehr ab, dass man nur mehr selektiv guckt: HSV ja, Pokalfinale okay, CL-Finale auch, DFB-Elf hin und wieder, Rest nein. Und unter diesem Rest fällt dann leider auch die Frauen-EM.

Dabei waren die 30 Minuten, die ich von dieser EM bislang geguckt habe, tatsächlich höchst attraktiv, und das liegt, ich möchte mich jetzt schon entschuldigen, nicht an einem eventuellen male gaze. Deutschland gegen Schweden bot beste Unterhaltung, ein schönes Rauf und Runter, auch taktisch lehrreich, mit vielen Toren. Nur leider war ich zur Halbzeit sehr müde und dachte, das geht sowieso 4:1 aus, die Deutschen sind erledigt.

Also, wenn ich an dieser Stelle nicht in den von der EM schwärmenden Chor einstimmen kann, dann liegt das an Infantino. Oder einfach gesagt: Ich bin vom Fernsehfußball mittlerweile so gelangweilt und geüberdrüssigt, dass ich nicht einmal die doch eigentlich ganz tolle Frauen-EM gucken will.

Zum Finale schalte ich dann wieder ein. Zumindest zur ersten Halbzeit.

*Nur etwas Kleines

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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2 Kommentare

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  • Meine Strategie gegen die Übersättigung: Nur noch KO-Spiele bei Länderturnieren und Europapokal gucken, ansonsten zum Frauenfußball ins Stadion und Samstag die Bundesligakonferenz im Radio.

    Die WM 2022 habe ich komplett ignoriert, obwohl es wohl eines der besten Endspiele der letzten Jahrzehnte gab, so what?

  • Vielleicht auch ein Eingeständnis, dass sich die Interessen von jedes Wochenende Fußball schauen weiterentwickelt haben. Soll keine Wertung sein, wäre halt auch möglich. Eine gewisse Übersättigung nehme ich aber auch wahr.