Französische Regierung zieht blank: Alle Angaben sind ohne Gewähr
Alle 37 Regierungsmitglieder legen ihre Vermögenslage im Internet dar. Ob das für Transparenz und Moral in der Politik sorgt, steht sehr in Frage.
Wer wissen möchte, was beispielsweise Außenminister Laurent Fabius, ein Nachkomme eines bedeutenden Antiquitäten- und Kunsthändlers, genau an Eigentum deklariert, muss auf der Website der französischen Regierung nur auf seinen Namen klicken, um die detaillierte Aufstellung einsehen zu können. Die Neugierigen sind offenbar zahlreich, denn am späten Nachmittag war der Zugang zum Internetserver der Pariser Regierung wegen vieler gleichzeitiger Anfragen zunächst mit Warten verbunden.
In Frankreich und selbst im Ausland hatte man gespannt und auch etwas amüsiert auf diese Aktion „Karten auf den Tisch“ gewartet, der sich alle 37 französischen Regierungsmitglieder bis Montag unterziehen mussten. Sie hatten dazu ein Formular zum Ausfüllen bekommen, auf dem sie in verschiedenen Rubriken Immobilien, Bargeld, Bankkonten im In- und Ausland, Aktien und andere Anlagen, Wertsachen wie Schmuck, Möbel oder Kunstwerke sowie private Fahrzeuge mit Kaufdatum, Preis und gegenwärtigem Wert eintragen mussten. Zum allfälligen Schummeln blieb wegen der äußerst kurzen Frist wenig Zeit.
Ein paar Übereifrige hatten ihre Besitztümer schon in den Tagen zuvor publik gemacht und dabei nicht nur Lob, sondern auch spöttische Kommentare geerntet, wie namentlich die Exparteichefin der Grünen, Wohnungsministerin Cécile Duflot, als stolze Besitzerin eines betagten Renault Twingo. Andere fanden die Offenlegung „penibel“.
Die sozialistische Ministerin für SeniorInnen, die Ärztin Michèle Delaunay, muss mit ihrem Gatten 5,4 Millionen Euro Vermögen angeben. Wer weiß, ob das nicht ihre Linkswähler schockiert! Finanz- und Wirtschaftsminister Pierre Moscovici wiederum meinte, er schäme sich fast, „nur“ eine Wohnung in Montbéliard im Wert von rund 200.000 Euro sein Eigen zu nennen. Er habe sonst vor allem Schulden.
Transparenz ist angesagt
Alle Angaben erfolgen nach eigenem Gutdünken und ohne Gewähr. Die Bürger haben jedenfalls nicht die Möglichkeit, sie mit den Steuererklärungen der Minister zu vergleichen. Diese bleiben vertraulich. Hatte jemand ernsthaft erwartet, dass einer der Minister angeben werde, er besitze heimliche Konten in Luxemburg oder eine unversteuerte Offshore-Gesellschaft auf den Kaimaninseln?
Nach dem enormen Skandal um das Schwarzgeldkonto des Exhaushaltsministers Jérôme Cahuzac wollte die Staatsführung mit dieser erstmaligen Offenlegung der privaten Vermögen der Minister zeigen, dass sich im Kabinett von Premierminister Jean-Marc und Präsident François Hollande keine weiteren schwarzen Schafe befinden.
Transparenz ist angesagt. Die gestrige Offenlegung der Vermögen der Minister war bloß die erste Etappe. Nach den Regierungsmitgliedern sollen sich nach dem Willen von Hollande auch sämtliche Parlamentarier dieser Pflicht der Veröffentlichung ihres Eigentums unterziehen. Das ist Teil einer Gesetzesvorlage, welche die Regierung demnächst als direkte Antwort auf den Cahuzac-Skandal verabschieden lassen möchte.
Der sozialistische Vorsitzende der Nationalversammlung, Claude Bartolone, wäre für mehr Kontrolle und schärfere Sanktionen bei Betrug, diese Art der Veröffentlichung aber ist ihm zufolge eine Form von „Voyeurismus“. Von einer peinlichen Alibiübung spricht die frühere bürgerliche Justizministerin Rachida Dati: „Diese Enthüllung vor den Medien ist pathetisch und führt zu einem Wettlauf, in dem es gilt, der Ärmste zu sein.“ In Frankreich gilt es seit der Revolution mit ihrem Gleichheitsprinzip nicht als Tugend, ostentativ reich zu sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin