Franziska Giffey auf erster Dienstreise: Nicht nur Sanssouci

Giffey besucht in Potsdam Minister­präsidentenkollegen Dietmar Woidke. Die Zusammenarbeit beider Bundesländer soll enger werden – auch ohne Fusion.

Eine Statue, eine Frau zeigt, steht inmitten von vielen blühenden Sommerblumen im Park von Schloss Park Sanssouci in Potsam

So grünt es ja derzeit nicht im Park von Sanssouci, da muss Franziska Giffey noch mal hin Foto: Oliver Gerhard/imago

BERLIN/POTSDAM taz | Michael Müllers letzte Dienstreise als Regierender Bürgermeister ging nach Dubai. Mitte November war das, und die Flugreise dorthin über knapp 4.650 Kilometer dauert auch nonstop gut sechseinviertel Stunden.

Franziska Giffey, seine SPD-Parteifreundin und Nachfolgerin im Roten Rathaus, braucht an diesem Montag nicht so lang, wenn sie erstmals dienstlich verreist. 40 Minuten sind es via Avus und A115 bis zur Staatskanzlei in Potsdam. Luftlinie sind das keine 30 Kilometer. Ministerpräsident Dietmar Woidke, auch er von der SPD, wartet dort in der Heinrich-Mann-Allee auf sie. Er könnte sie auch am Hauptbahnhof schräg gegenüber abholen, wohin Giffey dank der direkt am Rathaus abfahrenden U5 und dann der S7 in 48 Minuten wäre.

Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin (SPD)

„Vielleicht hilft dabei auch, dass ich meine Wurzeln in Brandenburg habe“

Dass sie nicht in die weite Welt, sondern zu Woidke fahren würde, hat Giffey schon angekündigt, als sie noch nicht Regierungschefin war. Und dass auch ihr Brandenburger Kollege an einer engen Zusammenarbeit höchst interessiert ist, ließ sich im Dezember gleich doppelt beobachten: Woidke war nicht bloß neben Bundeskanzler Olaf Scholz Gastredner, als die Berliner SPD dem Koalitionsvertrag zustimmte. Nein, er saß auch im Abgeordnetenhaus auf der Zuschauertribüne, als Giffey kurz vor Weihnachten zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt wurde. „Ich schätze Sie als eine überaus engagierte, klare und konsequente Streiterin für die Belange der Menschen im täglichen Leben und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Regierungszeit“, lobte Woidke sie dabei gegenüber Journalisten.

Drei „Flaggschiffprojekte“ einer länderübergreifenden Kooperation will Giffey an diesem Montag mit Woidke vorstellen und die Beziehungen zwischen beiden Bundesländern grundsätzlich weiter vertiefen. „Vielleicht hilft dabei auch, dass ich meine Wurzeln in Brandenburg habe“, sagte sie am vergangenen Dienstag in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung. Giffey wurde schließlich in Frankfurt (Oder) geboren und wuchs nur knapp 20 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt in Briesen auf, wo ihr Bruder die väterliche Kfz-Werkstatt übernommen hat. Dort erwartete man sie auch spätestens zu Weihnachten, wie ihr Vater Wolfgang Journalisten bei ihrer Wahl im Dezember erzählte.

Der Berliner Senat will in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit 40 konkrete Vorhaben anstoßen oder umsetzen. Zentrale Punkte dabei sind die Gründung eines Bündnisses für Wohnungsbau und bezahlbare Mieten mit zahlreichen Akteuren, erste Schritte zur Verbeamtung von Lehrern und die Vorlage eines Haushaltsentwurfs bis zum 22. Februar, wie die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Sonntagnachmittag nach dem Treffen im brandenburgischen Groß Behnitz bei Nauen (Landkreis Havelland) mitteilte. Geplant ist zudem, den Landesmindestlohn von 12,50 auf 13 Euro je Stunde zu erhöhen und organisatorische Grundlagen für den Radwegeausbau zu legen. Außerdem sollte die Klausur dazu dienen, sich besser kennenzulernen, denn unter den Senatoren, Staatssekretären und im Mitarbeiterstab gibt es sehr viele neue Gesichter.

Die 100-Tage-Frist begann mit dem Amtsantritt des Senats am 21. Dezember und läuft demnach bis Ende März. (dpa)

Erste Klausurtagung des Berliner Senats

Wenn Giffey in Potsdam ankommt, hat sie auch schon das Wochenende in Brandenburg verbracht – allerdings nicht bei der Familie in Briesen, sondern auf der anderen Seite Berlins: Samstag und Sonntag hat sich der Senat zu seiner ersten Klausurtagung bei Nauen getroffen, gleich begleitet von wohlmeinenden Forderungen der Industrie- und Handelskammer, schnell Änderungen für Berlin auf den Weg zu bringen.

In das im dörflichen Groß-Behnitz gelegene Landgut Stober zogen sich die Senatsmitglieder dabei zurück – was ein Tipp der Grünen gewesen sein könnte: Deren Fraktion, schon damals unter Führung von Antje Kapek, tagte schon 2015 in dem Landgut, ehemals im Besitz der Industriellenfamilie Borsig und laut Homepage das nachhaltigste Hotel Deutschlands. Die Grünen, in jenem Jahr noch in der Opposition, planten dabei übrigens schon 5.000 Wohnungen auf dem damals noch auf Hochbetrieb fahrenden Flughafen Tegel – bloß hieß das das noch „Zukunftslabor“ und nicht wie jetzt „Urban Tech Republic“.

So ein Besuch in Potsdam passt auch bestens zu Giffeys sowohl tatsächlichem wie gut gepflegtem Image als Kümmerin mit Bodenhaftung – und ist weit entfernt davon, negative Schlagzeilen zu machen wie einst ihr Vor-Vorgänger Klaus Wowereit bei einer Dienstreise nach Mexiko. Wobei der damals, 2003, ein durchaus dichtes Besuchsprogramm hatte, was bloß vor allem wegen eines urlaubshaft wirkenden Fotos in Berlin anders ankam.

Und zu ihr, der Spiegel und taz unisono zugestanden, „glaubhaft unbeschwert“ zu sein, passt natürlich die Inschrift an Potsdams berühmtestem Baudenkmal, Sanssouci, dem Schloss Ohnesorg. Wobei ja in Berlin nicht alles sans soucis läuft, nicht bloß beim Großthema Corona: zu wenige Wohnungen, zu viele Autos, zu langsame Verwaltung. Bettina Jarasch, jetzt Verkehrssenatorin, hatte im Mai noch als Grünen-Abgeordnete einen Klimastaatsvertrag mit Brandenburg gefordert.

Pakt für Neubau und bezahlbares Wohnen

In Potsdam hat Giffey auch gut vor Augen, was privates Engagement bewirken kann: Das hatte großen Anteil am Wiederaufbau des Stadtschlosses, wo der Landtag zu Hause ist. Und das nur wenige Meter entfernte, 2017 eröffnete Museum Barberini des SAP-Gründers und Mäzens Hasso Plattner zieht ähnlich viele Besucher an wie besagtes Schloss Sanssouci. Erst am Dienstag hatte Giffey angekündigt, den von ihr angestrebten Pakt für Neubau und bezahlbares Wohnen, an dem sich ausdrücklich private Investoren beteiligen sollen, bis Juni abzuschließen.

Am Tag von Giffeys Wahl zur Regierungschefin hatte Ministerpräsident Woidke das Ausmaß der Zusammenarbeit so beschrieben: „Unsere gemeinsame Hauptstadtregion endet nicht am A10-Autobahnring, sondern an Elbe, Oder und Neiße.“ Das hieß: bis an die Außengrenzen Brandenburgs, und musste natürlich unweigerlich die Frage aufwerfen, warum es dann überhaupt zwei Bundesländer bleiben sollen und ob nicht endlich doch eine Fusion angesagt sei – eine Abstimmung darüber scheiterte 1996.

Der Landtag im erwähnten Stadtschloss wäre darauf vorbereitet: Der böte im Plenarsaal – in dessen pur weißem Ambiente bislang 88 brandenburgische Abgeordneten auf knallroten Stühle tagen –, dank einer eingeplanten sogenannten „Berliner Reihe“ Platz für 150 Mitglieder eines gemeinsamen Parlaments. Noch am Abend nach Woidkes Worten machte Giffey im RBB jedoch klar, dass eine Länderfusion nicht auf ihrer Agenda steht: Ziel sei sehr gute und enge Zusammenarbeit, „aber dass das zwei Länder sind, ist in Ordnung so“.

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