Frankreichs unbeliebter Präsident: Ein Kartenhaus namens Macron
Die Popularitätswerte des französischen Präsidenten sinken. Der Zweifel an Macron hat selbst den inneren Kreis seiner Getreuen erreicht.
D er französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat ein Imageproblem. 79 Prozent der vom Meinungsforschungsinstitut Elabe befragten Landsleute halten ihn für zu autoritär, 71 Prozent für arrogant. Seit seiner triumphalen Wahl vor eineinhalb Jahren geht die Flaute in der Gunst weit über den für Staatschefs normalen Abnutzungseffekt hinaus. Schon nach einem Amtsjahr war Macron auf dem Niveau seines Vorgängers zum selben Zeitpunkt.
Nur noch 30 Prozent der Befragten haben eine positive Meinung von Macron, zwei Drittel schenken ihm kein Vertrauen mehr. Wenn man daran denkt, wie das für François Hollande endete, muss sich Macron wirklich Sorgen machen.
Der Präsident selbst spielt seinen jähen Absturz herunter, es gebe Wichtigeres als solche Umfragen. Die Opposition von links und rechts aber reibt sich voller Schadenfreude die Hände. Macron nimmt ihnen die Arbeit ab. Eigentlich müssen sie ihn nur gewähren und reden lassen. Je mehr er sich in den letzten Wochen und Tagen beim Volk anzubiedern versuchte, desto offensichtlicher wurde seine Überheblichkeit.
Das koste „eine irrsinnige Knete“, sagte er über die Ausgaben für Sozialhilfe in deplatziert saloppem Ton. Die soziale Ungleichheit sieht er so: „Beim Durchqueren eines Bahnhofs begegne ich Leuten, die es zu etwas gebracht haben, und andere, die sind nichts…“ Macron sei „ein Wiederholungstäter der Volksverachtung“, meint dazu der kommunistische Vizebürgermeister von Paris, Ian Brossat.
Jobs an jeder Straßenecke
Als ihn beim Besuch eines Startup-Unternehmens in Lunel jemand aggressiv auf seine teuren Kleider ansprach, konterte Macron: „Mit Ihrem T-Shirt (einer Gewerkschaft) machen Sie mir keine Angst. Die beste Art, sich einen solchen Anzug leisten zu können, ist es immer noch zu arbeiten!“
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Glaubt er, Arbeitslose seien zu faul, sich Arbeit zu suchen? Einem jungen Gärtner, der ihm von seiner ergebnislosen Stellensuche erzählte, riet Marcon, Jobs gebe es doch an jeder Straßenecke, er müsse „bloß den Boulevard Montparnasse überqueren“, um eine Stelle als Kellner zu finden.
Bei seinem Besuch auf der Antilleninsel Saint-Martin hielt er einem jungen Mann, der gerade aus dem Knast entlassen worden war, vor laufender Kameras eine Moralpredigt und nahm ihm das Versprechen ab, künftig die Finger von krummen Touren zu lassen. Auf einem dabei geknipsten Foto ist zu sehen, wie dessen Cousin den Mittelfinger in die Kamera hält.
Zwei Rücktritte
Die französische Presse lässt Macron nichts durchgehen, jeder verbale Ausrutscher wird ausgeschlachtet. Macrons legendäre Selbstsicherheit ist ins Wanken geraten. Der Wirbel um den von ihm zu lange protegierten und privilegierten Ex-Leibwächter Alexandre Benalla, dem von der Justiz unter anderem Gewalt gegen Demonstranten und Amtsanmaßung angelastet wird, markierte die Wende.
Die sukzessiven Rücktritte von Umwelt- und Klimaminister Nicolas Hulot und Innenminister Gérard Collomb – die beiden waren Nummer zwei und drei der Regierung – veranschaulichen, dass der Zweifel an Macron selbst den inneren Kreis seiner Getreuen erreicht hat.
Die Desertion seines väterlichen Mentors Collomb trifft Macron bis ins Mark und stellt ihn bloß, schreibt die Zeitung Le Parisien, die einen anonymen Berater des Präsidenten zitiert: „Emmanuel hat sich vom alten Fuchs (Collomb) wie ein blutiger Anfänger manipulieren lassen. Er ist von seiner Reise in den Antillen erschöpft heimgekehrt und hat (den Schlag des Rücktritts) mitten ins Gesicht erhalten. Eine Schande!“
Hinzu komme, dass Macrons Gattin Brigitte seit zwei Monaten nicht mehr mit ihm rede, verrät dieser Intimus des Präsidenten. Rien ne va plus? Libération zitiert die verbitterte Analyse eines ebenfalls nicht namentlich genannten Regierungsmitglieds: „Wir hatten bis zum Sommer ein enormes politisches Kapital. Jetzt haben wir den Eindruck, dass alles wie ein Kartenhaus zusammenfällt.“
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