Frankreichs Präsident zum EU-Ratsvorsitz: Macron will härteren EU-Grenzschutz
Paris übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft. Macron hat nun seine Pläne vorgestellt – und für einen Mechanismus zum Schutz der EU-Grenzen plädiert.
Am Donnerstagnachmittag hat er die Schwerpunkte seiner EU-Agenda skizziert. Er fasst sie mit den drei Stichworten „Relance – Puissance – Appartenance“ zuammen, was man am ehesten mit „Gemeinsame Wirtschaftsankurbelung, politische Stärke und Unabhängigkeit, Förderung des Zugehörigkeitsgefühls zur EU“ übersetzen könnte.
Macron begann aber seine Darstellung mit der Ankündigung einer Reform des Schengen-Abkommens. Die von ihm geforderte „Souveränität Europas“ sei nur denkbar, wenn die EU ihre Außengrenzen kontrollieren könne. Dazu brauche es eine permanente politische Abstimmung auf Regierungsebene und einen Mechanismus, der es erlaubt, den Mitgliedstaaten bei Bedarf unverzüglich und solidarisch mit notwendigen Mitteln und Kräften zu helfen.
Dieser solle im Fall einer Krisensituation im Schengenraum greifen, „wenn eine stärkere Kontrolle unserer Außengrenzen nötig wird“, sagte Macron. Denkbar sei etwa die Entsendung von Sicherheitskräften und Material aus anderen Mitgliedsstaaten.
Als Schwerpunkt der Zukunft bezeichnete Macron außerdem die Partnerschaft mit Afrika, der Mitte Februar ein Gipfeltreffen in Brüssel gewidmet werde.
Mehr Autonomie für die EU
Immer wieder betonte Macron in seinen etwas komplizierten Ausführungen, dass aktuelle Herausforderungen wie der Klimawandel, die Konkurrenz mit China oder den USA, aber auch zum Teil neue Bedrohungen der Sicherheit, nur gemeinsam bewältigt werden können.
„Wir müssen von einem Europa der Kooperation innerhalb unserer Grenzen zu einem wirklich souveränen Europa werden, das frei sein Schicksal bestimmt“, sagte Macron zu seinem Leitmotiv. Frankreich wolle, dass die EU im Bereich der Verteidigung eine größere Autonomie erlange, aber auch in strategischen Sektoren der Industrie und der Forschung soll die Unabhängigkeit gestärkt werden.
Macron räumte aber auch ein, dass es nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen EU-Ländern nicht gut um die von den Bürger*innen empfundene Zugehörigkeit zur europäischen Gemeinschaft steht.
Macron will EU-Mindestlohn
Macron sagte, dass er vor allem Bereiche berücksichtigen möchte, die für die EU-Bürger in ihrem Alltag von Bedeutung seien. Zu diesen französischen Prioritäten gehört beispielsweise die weiterhin umstrittene Einführung eines europäische Minimallohns, ein französischer Wunsch, der in sechs Mitgliedsländern ohne gesetzliches Mindestgehalt auf Ablehnung und auch bei anderen generell auf das Problem eines bezifferten und von allen akzeptierten Minimums stößt.
Fortschritte soll der französische Vorsitz bei der bereits diskutierten Regulierung der großen Internetplattformen bringen: Mit dem Digital Services ACT (DSA) sollen unter anderem das Anstacheln von Hass, das Angebot betrügerischer Fälschungen oder die Verbreitung von Falschinformationen (Fake News) bekämpft werden.
Mit dem Digital Markets Act (DMA) soll die EU zudem verhindern, dass Marktleader wie Google, Amazon, Facebook und Apple etc. mit ihrer dominierenden Marktstellung dem Wettbewerb – noch weiter – schaden.
Stimme für Macron wird zum EU-Bekenntnis
Viele der französischen Vorschläge dürften, wenn überhaupt, erst viel später die erforderliche einstimmige Zustimmung der 27 EU-Mitglieder erhalten. Andere bleiben ohnehin sehr umstritten, wie im Bereich der Klimapolitik eine Art CO2-Abgabe an den EU-Grenzen, mit der verhindert werden soll, dass mit Importen und Produktionsverlagerungen die EU-Normen zur Treibhausgasverminderung unterlaufen werden.
Mit seinem pro-europäischen Engagement seit dem Beginn seiner Präsidentschaft 2017 geht Macron Risiken ein. Da der EU-Vorsitz mit seiner wahrscheinlichen Kampagne für seine Wiederwahl in den Elysée-Palast zusammenfällt, wird eine Stimme für Macron zu einer Abstimmung für oder gegen die EU.
Umgekehrt verleiht ihm die Rolle des Initiators einer stärkeren und unabhängigeren europäischen Industrie- und Sicherheitspolitik eine staatsmännische Statur, mit der niemand unter seinen Konkurrent*innen wetteifern kann. Der Preis dafür ist der Stress absehbarer Terminprobleme für ihn in der Doppelrolle als Präsidentschaftskandidat und Vorsitzender des EU-Rats.
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