Frankreichs Nein zu Nordstream 2: Macrons Ambitionen
Macron fordert den Stopp von Nordstream 2. Dabei geht es ihm nicht nur um das Wohl der russischen Opposition, sondern auch um seine Rolle in Europa.
D ass Emmanuel Macron Vorbehalte gegen die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 hat, war lange bekannt. Von „Reserven“ war bisher diplomatisch verbrämt die Rede. Doch am Montag formulierte Europastaatssekretär Clément Beaune erstmals eine klare französische Ablehnung des Milliardenprojekts. Der Vertraute des Präsidenten zitierte dafür den „Kontext“ in Russland – also die Festnahmen Tausender Gegner des Präsidenten Wladimir Putin nach der Inhaftierung von Kreml-Kritiker Alexei Nawalny. Das französische Nein zu Nord Stream 2 ist völlig nachvollziehbar. Wer allerdings glaubt, dass es Staatschef Emmanuel Macron dabei ausschließlich um die russische Opposition geht, der irrt.
Macrons Russlandpolitik gleicht einem Zickzackkurs, der zwischen Annäherung und Kritik hin und her schwankt. Vor anderthalb Jahren etwa empfing der Präsident seinen russischen Kollegen mit großer Geste in seiner südfranzösischen Ferienresidenz. Dass vor allem die Osteuropäer seine im Alleingang gestartete Charmeinitiative skeptisch sahen, war Macron damals egal. Er schwärmte lieber von einem Europa, das von Lissabon bis Wladiwostok reicht. „Wir müssen mit Russland arbeiten“, warb er noch nach Nawalnys Vergiftung im September bei einem Besuch in Litauen.
Vor der Kulisse des Mittelmeers diente Putin Macron auch für die eigene Inszenierung – als großer Außenpolitiker, wenige Tage vor dem G7-Gipfel im südfranzösischen Biarritz. Nun will sich der französische Präsident wieder in Szene setzen. Diesmal als Anführer eines Europa, das sich gegen Russland positioniert. Die Osteuropäer – vor anderthalb Jahren noch ignoriert – kann Macron dabei bereits als Verbündete verbuchen. Dass er den Partner Deutschland, der mit seinem blinden Festhalten an der Pipeline zunehmend isoliert ist, vor den Kopf stößt, nimmt er in Kauf.
Nach dem Brexit ist der Moment gekommen, die Machtverhältnisse in der EU neu festzulegen. Macron hat sich mit seinem Nein zu Nord Stream 2 klar positioniert – als Anwärter auf die Führungsposition.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen