Frankreichs Anti-Terror-Kampf: Im Internet auf Terroristenfang
Die französische Polizei recherchiert Kontakte von meist jungen Sympathisanten zum IS-Mitglied Rachid Kassim. Sie habe Zugriff auf Telegram gehabt.
Keine Woche vergeht ohne Erfolgsmeldung der französischen Antiterrorpolizei. Seit September sind rund ein Dutzend Personen, unter ihnen vor allem Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren, festgenommen und wegen ihrer Attentatspläne inhaftiert worden. Innenminister Bernard Cazeneuve kann sich brüsten, die Polizei habe seit Jahresbeginn 360 Terrorverdächtige hinter Schloss und Riegel gebracht.
Einige von ihnen gestehen im Verhör, sie hätten vorgehabt, in Frankreich Messerangriffe zu verüben, um so die Angriffe auf IS in Syrien und Irak zu „rächen“. Gemeinsam ist den meisten der mutmaßlichen radikalisierten Islamisten, dass sie via Internet mit einem bekannten IS-Mitglied, Rachid Kassim, in Kontakt standen. Und genau diese Beziehungen haben die Ermittler auf ihre Spur gebracht.
Der Letzte in der Reihe auf der Liste der Kassim-Kontakte wurde am 30. September in Clichy bei Paris festgenommen. Der 18-Jährige steht im Verdacht, im Auftrag des IS einen Anschlag geplant zu haben. Davor waren in Nizza zwei Mittelschülerinnen festgenommen worden, weil die Spur die Polizei via Internet zum selben IS-Auftraggeber führte. Die beiden waren geständig und sitzen nun in Untersuchungshaft.
Zuvor waren in der Region Paris im Kontext der Verhinderung von Anschlägen drei Jugendliche gefasst worden. Anfang September wurden zudem drei Frauen verhaftet. Sie hatten vor einem Café gegenüber der Pariser Kathedrale Notre-Dame ein Auto mit sechs Gasflaschen geparkt. Anscheinend war die Zündvorrichtung der „Autobombe“, die an diesem von Touristen frequentierten Platz explodieren sollte, nicht funktionsfähig. Da das Fahrzeug dem Vater einer der Verdächtigen gehörte, konnte die Gruppe rasch gefasst werden.
Telegram geknackt?
Am erfolgreichsten aber sind die Ermittler bei der Auswertung der Spur in die inneren Kreise bei „Telegram Messenger“. Wegen der Verschlüsselung dieser in Russland entwickelten Kommunikationssoftware wähnten sich die Terroristen vor gängigen Abhörmethoden geschützt. Da alle mit dem französischen „Drahtzieher“ Kassim über diesen Kanal in Kontakt standen, braucht die Polizei bloß dessen Ansprechpartner zu finden.
Sicherheitsexperten halten es für wenig wahrscheinlich, dass es der französischen Polizei gelungen sei, die Verschlüsselungstechnologie von Telegram zu knacken. Eher meinen sie, dass sie mit traditionellen Mitteln an die entscheidenden Hinweise kam: dank Aussagen von Festgenommenen oder der Auswertung ihrer Computer oder Smartphones.
Plausibel sei es, dass die Polizei die abgeschirmten kleinen Netzwerke von Stufe zu Stufe zu infiltrieren und so den direkten Kontakt zu Kassims Adressen finden konnte. Französische Journalisten haben das vorgemacht. Indem sie sich mit einem entsprechenden Profil als Sympathisanten ausgaben, gelangten sie nach mehrmonatigen Bemühungen auf Telegram bis in die Kontaktgruppe von Adel Kermiche, der an der Ermordung des Priesters in Saint-Etienne-du-Rouvray beteiligt war.
Die Kunst besteht demnach darin, mit Stichworten auf Telegram die richtigen Leute zu finden und deren Vertrauen zu gewinnen. Das scheint die Schwachstelle dieser von IS besonders geschätzten Technologie zu sein, die zwar gegen außen als gut abgesichert gilt, aber vor allem der Kommunikation dient und damit nie vor einem unbefugten Zuhörer gefeit ist.
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