Frankreich vor dem WM-Halbfinale: Frankreich verlangt nach mehr
Die französische Presse fühlt sich „wie im Traum“ und fiebert dem Halbfinale gegen Belgien entgegen. Doch der beste Titel kommt vom Kontrahenten.
„Diabolisch“ nennt die führende französische Sportzeitung L’Équipe das Weiterkommen, eine Anspielung auf den kommenden Gegner, die Roten Teufel, die Belgier. Der Sieg sei mit „Autorität, Meisterschaft und Realitätssinn“ erfochten worden. Insbesondere Raffaël Varane sei der große Gewinner: Vor vier Jahren noch am deutschen Gegentor beteiligt, das das Aus besiegelte, hat er jetzt das entscheidende Tor gemacht.
Auch Le Parisien hat Varane auf dem Titel: „Wie in einem Traum“ wähnt man sich da. Auch dank Hugo Lloris – der habe im richtigen Moment die „Parade seines Lebens“ ausgepackt.
Libération ist der Meinung, Frankreich habe der Intensität und dem geschlossenen Mannschaftsgeist der Uruguayer das entgegengesetzt, was es gebraucht habe: das Spiel, das Verspielte. Le Monde hingegen meint, Frankreich habe Uruguay geradezu gebändigt.
Und auch Gérard Houllier, ehemaliger Trainer in Lyon, schlägt in seiner Le-Monde-Kolumne in die gleiche Bresche: beeindruckend sei, wie die Mannschaft nach einem mittelmäßigen Start immer besser ins Spiel gefunden habe. Man habe sich nicht irritieren lassen. „Die mentale Stärke und die mannschaftliche Geschlossenheit sind beeindruckend“, konstatiert er.
Und auch Nicolas Camus lobt das Team auf 20 minutes, als eines, das keinen eigenen Stil hat, aber sich immer auf den Gegner einzustellen weiß, nachdem es ihn zu Beginn ein wenig beschnuppert hat. „Im Endeffekt dominiert die Mannschaft kein Spiel über die Maßen, aber sie kommen immer ans Ziel.“
Der beste Titel kommt aus Belgien
Jetzt ist also alles eitel Sonnenschein, sogar der in der französischen Presse häufig kritisierte Paul Pogba ist gelobt worden. Pierre Menes, Kommentator beim Fernsehsender Canal+, der im Vorfeld des Spiels viel an Pogba auszusetzen hatte und auch viel an Trainer Didier Deschamps kritisierte, gibt sich versöhnlich: Pogba habe eine glänzende zweite Halbzeit gespielt und mit Biss verteidigt.
Der Blick geht nach vorne, auf das Duell mit dem Nachbarn aus Belgien, einem Duell „zwischen Freund- und Feindschaft“ (Ouest-France). Die Belgier sind traditionell ein beliebtes Ziel des Spotts in Frankreich, sozusagen die linksrheinischen Ostfriesen. Es regiert die Zuversicht, La Voix du Nord verlangt nach mehr! Wogegen Ouest-France mit einer simplen Feststellung aufmacht: „Nun werden wir es mit den Belgiern im Halbfinale aufnehmen“.
Aber es mischen sich auch vorsichtigere Stimmen unter die Siegesgewissen, Le Figaro warnt vor der „belgischen Gefahr“, und immer wieder ist von Thierry Henry die Rede, dem früheren französischen Stürmerstar, der jetzt die Offensive Belgiens betreut. Währenddessen konstatiert Mediapart, dass die Fahrradlieferdienste zum Ende der WM in den Streik gehen werden, um auf ihre Arbeitsbedingungen hinzuweisen.
Der beste Titel aber kommt aus Belgien. Die Zeitung L’avenir zeigt die Jubeltraube der Roten Teufel und schreibt darüber: „Sie haben es getan, verdammt nochmal!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“