Frankfurts OB Feldmann über seine Abwahl: „Mehr Schutz durch die SPD erwartet“
Peter Feldmann ist wegen Korruption angeklagt, als OB Frankfurts wurde er abgewählt. Im Interview räumt er Fehler ein und kritisiert seine Partei.
taz: Herr Feldmann, mit welchem Gedanken sind Sie aufgewacht am Tag nach Ihrer Abwahl als Oberbürgermeister von Frankfurt am Main?
Peter Feldmann: Mist! (lacht) Ich bin halt eher der Typ, der kämpft und für Forderungen eintritt und Sachen durchsetzen will. Die Zurückhaltung ist mir sehr schwergefallen, weil ich gehofft habe, dass es sich durch das Quorum erledigt. Nicht wahlzukämpfen, nicht rumzulaufen, mit Plakaten und Flyern, sondern eher stillzuhalten, das war für mich ganz ungewohnt und emotional schwierig. Und jetzt denke ich natürlich drüber nach, hätte ich härter rausgehen sollen? Hätte ich mich nicht darauf verlassen sollen, dass das Quorum nicht erreicht wird?
ist 64 Jahre alt und war seit Juli 2012 Frankfurter Oberbürgermeister. Per Bürgerentscheid abgewählt, endet am Freitag vorzeitig seine Amtszeit.
Das Quorum war eine hohe Hürde. Mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten mussten für die Abwahl stimmen. Es haben aber 39,7 Prozent gegen Sie gestimmt: 201.825 FrankfurterInnen, mehr als Sie jemals gewählt haben. Da müssen Sie doch irgendetwas falsch gemacht haben, oder? Fallen Ihnen wenigstens drei Fehler ein?
Spontan zwei auf jeden Fall. Der größte Fehler war am Anfang der AWO-Geschichte, wo es um das Gehalt meiner ehemaligen Frau und den Dienstwagen ging, dass ich da nicht gleich rausgegangen bin und gesagt habe: „Ich bin nicht korrupt!“ Mal ehrlich, es ging um 2.500 Euro Gehalt …
4.500 Euro.
… brutto! Netto 2.500 Euro. Ich gehe davon aus, was auf dem Konto landet. Und die hat sie ja nicht für Nichtstun bekommen, sondern für einen Fulltime-Job. Ich war damals aber erst mal geschockt und sprachlos. Dann habe ich tatsächlich fast sechs Tage gebraucht, um mich zu sammeln und zu sagen: Leute, das ist alles Quatsch! Das hätte früher von mir kommen müssen. So habe ich die Spekulationswelle selbst mit angeheizt, dass die Leute sagten, da muss noch etwas sein, wenn der so geschockt ist. Im Nachhinein zu erklären, da ist nichts daran, ist natürlich schwierig.
Der zweite Fehler: Ich dachte, wenn ich rausgehe in die Stadtteile, in die Betriebe, in die Schulen, was ich bis heute tue, dann findet das meine Partei toll und beschützt mich. Um dann zu erleben, dass man, wenn man nicht regelmäßig an allen Vorstand-, Beirats- und Gremiensitzungen teilnimmt, sehr schnell von den eigenen Leuten den Stuhl vor die Tür gesetzt bekommt.
Wir wissen inzwischen, dass jedenfalls die damalige AWO-Geschäftsführerin Hannelore Richter, die jetzt wegen Betrugs angeklagt ist, eine Agenda hatte. Sie hat ja auch versucht, andere wichtige Personen wohlgesonnen zu stimmen. Die Tochter eines CDU-Stadtverordneten hat regelmäßig ein Gehalt bekommen, obwohl sie nichts gearbeitet hatte, ein Grüner, der noch immer im Landtag sitzt, bekam ein Luxusauto, angeblich auch ohne Gegenleistung. Waren Sie nicht zumindest naiv?
Ich fand es plausibel, dass bei meiner topqualifizierten Ex-Frau, mit zwei Studienabschlüssen, mit Berufserfahrungen im Kindergarten, in der Jugendarbeit, in der Arbeit mit Behinderten nicht der geringste Zweifel sein könnte, dass das Gehalt angemessen war. Ich habe mitbekommen, dass auch andere um sie geworben haben, dass sie bei ihnen arbeitet.
Sie bringt viel mit. Nicht nur, dass sie ein Turkulogiestudium absolviert hat, sondern dass sie auch in dieser Sprache und in der türkischen Gemeinde verankert ist. Dass die AWO sich auf so jemanden stürzt und sagt, das ist ja toll, genau so jemand brauchen wir als Aushängeschild, das erschien mir plausibel.
Sie haben eben bei Ihren Fehlern nicht aufgeführt, dass Sie im Gerichtssaal öffentlich gemacht haben, dass Sie bei einer ungeplanten Schwangerschaft Ihrer damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau zunächst auf einem Abbruch „bestanden“ hätten. Das war doch eigentlich unverzeihlich.
Ich will es nicht relativieren. Ich weiß, dass Millionen von Männern und Frauen in ihrem Leben schon in solchen Situationen gewesen sind. Ich habe mich am gleichen Tag bei meiner Tochter entschuldigt, weil es falsch war, dass ich das von meinem Anwalt habe laufen lassen. Ich hätte da intervenieren müssen.
Der Anwalt sagt, es war Ihr Text.
Ich war selbst geschockt und habe mit den Anwälten in der Mittagspause diskutiert, das zurückzuziehen. Davon ist mir abgeraten worden. Entscheidend ist aber: Es war meine Verantwortung. Und zu der stehe ich.
Wie geht's weiter? Haben Sie die Befürchtung, dass in der Wohnungs- und Planungspolitik in dieser Stadt alles wieder zurückgedreht wird, was Sie mit angestoßen haben? Dass mehr bezahlbarer Wohnraum, dass wieder mehr Sozialwohnungen gebaut werden?
Es stehen drei Magistratsvorlagen zur Entscheidung, die mir sehr wichtig sind, weil sie mit der Lebenssituation der Menschen zu tun haben. Alle ächzen wegen der Strom- und Gaspreise in der Krise. Wir wollen ein Moratorium für die Strom- und Gaspreise. Die Menschen haben die Sorge, dass sie ihre Wohnung verlieren könnten, weil sie die Mieten und die Energiepreise nicht mehr bezahlen können.
Ich finde auch die kostenfreien Krabbelstuben wichtig, weil die Bildung von Anfang nichts kosten darf. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft hat angeboten, die Mietpreise nach den Richtlinien zu senken, auch das muss jetzt umgesetzt werden. Ich kämpfe bis zum letzten Tag dafür, dass diese Vorlagen beschlossen werden.
Man hört, Sie denken darüber nach, aus der SPD auszutreten.
Da muss ich erst mal tief durchatmen. Das Verhalten vieler Parteimitglieder war sehr wohltuend. Ich kann da schon unterscheiden zwischen der Basis und der Führung. Ich bin seit 50 Jahren in der SPD und habe Tausende Arbeitsstunden in diese Partei investiert. In der SPD werden immer wieder Führungsfiguren ausgewechselt, wie in anderen Lebenssituationen Hemden. Das erschreckt mich schon. Ich hätte mehr Schutz durch die Partei erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“