„Foul Play“ statt „Fair Pay“: Drei Streifen Ausbeutung

Adidas hat das Outsourcing-Prinzip perfektioniert. Von den Rekordgewinnen kommt in den Zulieferfabriken aber praktisch nichts an.

Gefangene einer Marke: Adidas-kritische Streetart in Berlin Foto: Volker Hohlfeld/imago

SAN PEDRO SULA taz | Am Telefon spricht Jorge Gonzalez nur leise, zögerlich. Schlimm sei es. „Die Zielvorgaben sind kaum zu schaffen“, sagt er. Es ist das erste Mal, dass ein Mitarbeiter der Adidas-Zulieferfabrik Bay Island in San Pedro Sula, Honduras, spricht. Dort hat Gonzalez eine Zeit lang Ärmel an Sport- und Freizeit-T-Shirts genäht, täglich von 7.30 Uhr bis 17 Uhr. Gonzalez heißt eigentlich anders, er hat Angst vor den Vorgesetzten. In Bay Island gibt es keine Gewerkschaft, kaum etwas dringt nach außen. Ein Betrieb wie eine Blackbox.

Adidas selbst erklärt, es unterhalte „keine direkte vertragliche Beziehung mit Bay Island“, sondern nur Verbindungen über seinen Lizenznehmer Streetwear. Dieser fertige auch nur etwa 1 Prozent der Ware für Adidas.

Der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach hat das Outsourcing-Prinzip für den Drei-Streifen-Kosmos perfektioniert. Adidas hat rund 800 Lieferanten in mehr als 55 Ländern. Sie bilden die Grundlage für den Konzernreichtum: 2017 lag der Gewinn bei über 2 Milliarden Euro. Adidas hat nicht nur die deutsche Nationalelf, sondern noch elf weitere Teams bei der WM in Russland ausgestattet. Das Unternehmen ist zudem der größte Sponsor des DFB und zahlt ihm 65 Millionen Euro jährlich.

In San Pedro Sula gab es um eine Adidas-Zulieferfabrik schon einmal einen internationalen Skandal – bei „Pinehurst Manucturing“. Vor acht Jahren tobte dort ein Arbeitskampf zwischen Firmenleitung und Belegschaft. Mitarbeiter wurden gemobbt, denunziert, 52 von ihnen entlassen, darunter 4 Betriebsräte, wie ein Bericht des Arbeiterrechtskonsortiums in Washington aufzählt.

Einer, der damals gerade neu bei Pinehurst anfing, war Mario Rosales. Er trägt ein grünes Basecap und ein rotes Polo-Shirt. Rosales sitzt an einem langen Konferenztisch in einem Büro der Hilfsorganisation „Unabhängiges Beobachterteam von Honduras“ (EMIH), die Arbeitsstandards in den Kleiderfabriken des Landes überwacht. Rosales sagt, er habe sich damals schnell gewerkschaftlich engagiert. „Ich habe 23-mal Beschwerde beim Arbeitsministerium eingelegt wegen Verletzung der Menschenrechte – doch ohne Erfolg.“ Inzwischen hat er die Fabrik verlassen.

Adidas-Praktiken sind „Foul Play“

Erst als Nichtregierungsorganisationen Alarm schlugen und US-Studenten zum Boykott aufriefen, bewegte sich bei Pinehurst etwas. Der Eigentümer wechselte, seit 2011 gibt es Tarifverträge. Adidas sagt, man sei den Vorwürfen damals „unverzüglich“ nachgegangen. „Pine­hurst Manufacturing verhält sich im Einklang mit den von Adidas vorgegebenen Arbeitsplatzstandards.“

Laut EMIH liegen die Gehälter in der Adidas-Zulieferfabrik heute bei etwa 280 Euro im Monat. „Das“, sagt Mario Rosales, „ist aber kein würdiger Lohn.“ Eine Einraumwohnung in Honduras kostet etwa 250 Euro, das Brot im Supermarkt 1 Euro. Andere Industrien in Honduras zahlen besser: Der durchschnittliche Industrie-Mindestlohn liegt laut EMIH bei 340 Euro. Das ist rund ein Viertel mehr, als in der Adidas-Vorzeigefabrik gezahlt wird.

„Foul Play“ – „Foulspiel“ nennt die Nichtregierungsorganisation „Clean Clothes Campaign“ die Adidas-Praktiken in einem gerade erschienenen Bericht, der auch Nike untersucht. Demnach ist der Anteil der Arbeitslöhne am Endprodukt bei beiden Konzernen seit 1995 um knapp ein Drittel gesunken. Von einem Adidas-Schuh geht rund die Hälfte für den Zwischenhandel, rund ein Viertel für Markenwerbung drauf. Nur 2,5 Prozent betrage der Anteil der Löhne, stellt der Bericht fest.

Die Recherchereise wurde von der Christlichen Initiative Romero ermöglicht.

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