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Fotograf über islamistische Propaganda„Der IS ist ein Medienprofi“

Fotograf Simon Menner sammelt und analysiert IS-Bild- und Videomaterial. Er vermutet, dass Anschläge demnächst live gestreamt werden.

Selbstdarstellung der Terroristen, verbreitet über den IS-Mediendienst al-Khayr Foto: ap
Laila Oudray
Interview von Laila Oudray

taz: Herr Menner, Sie sind eigentlich Fotograf, aber für Ihr Projekt „Terrorcomplex“ haben Sie Bilder und Screenshots der Terrorpropaganda des „Islamischen Staats“ auf ihrer Homepage gesammelt. Warum?

Simon Menner: Jeder macht heute Bilder und fotografiert. Die wirkliche Aufgabe, die Künstler heutzutage haben, besteht darin, Bilder zu erklären und zu interpretieren. Meine Expertise liegt darin, dass ich Bilder genauer und auch anders angucken kann als der Durchschnitt.

Was macht die Bildkultur des IS aus?

Die Bildkultur des IS ist die des Westens. Vieles kommt einem visuell bekannt vor. Meine These dazu ist: So würde es Hollywood erzählen, das würde Hollywood zeigen. Die Filme sind durchinszeniert wie ein Actionfilm – vor allem die Hinrichtungsvideos. Es wird immer wieder versucht, vor den Hinrichtungen noch eine Ansprache zu halten. Bevor der „Gute“ den „Bösen“ richtet, gibt es immer einen erklärenden Moment. Überhaupt die Idee, eine Hinrichtung in Zeitlupe zu inszenieren und aus den verschiedenen Kameraperspektiven zu zeigen und eine Nahaufnahme auf das Blut – das ist Hollywood. Es ist ansprechender für Leute, die mit unserem Medienkonsum und unserer Bildsprache aufgewachsen sind. Diese Zuschauer halten sie bei Laune, indem sie die Gewalt immer weiter eskalieren lassen.

Wie meinen Sie das?

Genau wie bei Hollywoodfilmen, muss sich auch in den IS-Filmen etwas entwickeln. Wenn bei „Stirb langsam I“ der Bösewicht auf eine Art stirbt, muss er bei „Stirb langsam II“ eben anders sterben. Dieses Prinzip gilt auch beim IS. Einer wird geköpft, einer ertränkt, einer bei lebendigem Leibe verbrannt, mit einem Panzer überrollt, von einer Kanone in Stücke zerschossen oder man vergräbt ihn lebendig. Kreativität ist angesagt, denn man muss – so krass es auch klingt – den Markt befriedigen. Der IS ist ein Medienprofi. Die Foren, in denen sie die Videos veröffentlichen, sind interaktiv. Die Zuschauer kommentieren und teilen die Videos. So holt sich der IS auch Feedback ein.

Wenn man an die Propaganda des IS denkt, denkt man automatisch an die Hinrichtungsvideos. Auf Ihrer Website haben Sie aber auch andere Schwerpunkte gesetzt. So zum Beispiel zeigen Sie sich umarmende Kämpfer.

Das sind inszenierte Verabschiedungen vom Attentäter. Einer von den beiden wird sich in die Luft jagen und der andere wünscht ihm allen Segen dieser Welt und dass er möglichst viele Menschen mit sich in den Tod reißt. Das ist zutiefst ambivalent. Es ist einerseits ein zärtliches Motiv, das immer wieder vorkommt. Aber der Kontext macht es zu einem unfassbar brutalen Bild. Da habe ich gemerkt, dass ich es schwierig finde, mich in solche Denkweisen hineinzuversetzen. Diese Videos zeigen auch, wie der Selbstmordattentäter, der so zärtlich verabschiedet wurde, mit seinem sprengstoffbeladenen Auto wegfährt und wenig später hochgeht. Das kann natürlich alles gestellt sein.

Im Interview: Simon Menner

geboren 1978, hat an der Universität der Künste Berlin und der School of the Art Institute Chicago studiert. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt. 2016 wurde er zum Mitglied in die Deutsche Gesellschaft für Photographie berufen.

Warum zeigt der IS diese Zärtlichkeit?

Weil sich die Anhänger doch alle freuen. Es gibt auch inszenierte Szenen, wo einzelne „Kämpfer“ Stöckchen ziehen, wer sich in die Luft sprengen darf, und derjenige, der das Kürzeste zieht, freut sich und die anderen freuen sich für ihn. Am Ende geht es ja auch um das Märtyrertum. Die eigenen Toten werden auch gezeigt. Allerdings zeigt man da nicht, wie da jemand verblutet wie ein Schwein. Man zeigt keine Wunden, kein Leid des eigenen „Kriegers“. Eher gibt es eine Nahaufnahme auf das selig grinsende Gesicht. Das ist die Inszenierung des Toten. Und diese Umarmungen sollen eine Kollegialität zeigen und dass man sich beim IS gemeinsam auf das Paradies freut.

Sie haben Hunderte Videos gesehen über die Jahre, welche Entwicklungen sind Ihnen aufgefallen?

Als der Syrienkrieg 2011 begann, sind die ersten Videos von Anschlägen zufällig entstanden. Zum Beispiel war ein Journalist in der Nähe und hat die Explosion mitbekommen und darüber berichtet oder eine Überwachungskamera hat den Anschlag zufällig aufgezeichnet. Seit Ende 2013 etwa ändert sich das. Seitdem werden die Anschläge und Hinrichtungen immer häufiger für Bilder gemacht. Beim Anschlag in Paris im November 2015 wollte der Attentäter ursprünglich ins Stadion. Er wusste, dass es dort überall Kameras gibt und es auch live übertragen wird. Mit den Bildern wird das wirklich Terror, weil es dann in unsere Köpfe kommt. Durch die Medien wird die Reichweite erhöht. Ein Beispiel aus diesem Jahr ist das Attentat in Manchester. Dort waren es vor allem Handyvideos und Handybilder, die geteilt und in den Medien hoch und runter gespielt wurden. Das war auch bei anderen islamistischen Anschlägen in Europa der Fall. Doch nicht nur die Herangehensweise an Bilder und Filme hat sich verändert, sondern auch teilweise der Inhalt.

Das Projekt

Seit 2014 durchsucht Simon Menner in seinem Projekt „Terror Complex“ islamistische Propaganda der Taliban und des „Islamischen Staats“. Er sammelt Bildausschnitte und Screenshots aus Videos, kategorisiert und kontextualisiert sie. Auf seiner Homepage präsentiert er seine Ergebnisse.

Werden Sie bitte konkreter.

Es gab eine Zeit, da hatte die Gewalt merklich abgenommen. Das war im Jahr 2014, als der IS Rakka und Mossul eingenommen hatte und das Kalifat ausgerufen wurde. Man spielte großes, wichtiges Kalifat. Da zeigte man häufiger zum Beispiel, wie man eine Straße ausgebessert hat. Das war aber nur eine kurze Phase, dann ging es nach wenigen Monaten wieder mit der Gewalt los. Höchstwahrscheinlich, weil der IS merkte, dass es die Leute nicht interessiert, wie die Straßenreinigung in Rakka funktioniert. Die Zuschauer im Westen wollen eben doch eine Hinrichtung sehen. Und diese Videos wurden im Laufe der Jahre immer brutaler.

Ist Ihnen ein weiteres Motiv aufgefallen, das immer wiederkommt?

Verpixelungen. Da werden Männer hingerichtet, denen vorher das Hemd abgenommen wurde. Dann verpixelt man den Rücken, während man in Nahaufnahme zeigt, wie er geköpft oder erschossen wird. Zerschundene Leichen und Wunden werden gezeigt, aber wehe, man sieht den Bauchnabel. Das zieht sich durch. Das sind Hunderte Bilder.

Warum macht der IS das?

Ich interpretiere das so, dass es ein überheblicher moralischer Anspruch ist. Man darf keine nackte Haut sehen. Nacktheit ist verpönt und unsittlich – auch bei Männern. Perfekte Zensur ist eigentlich unsichtbar, doch hier will man zeigen, dass man etwas entfernt hat. Auch bei berühmten Frauen wird das gemacht. Frauen sollen nicht unverschleiert zu sehen sein. Also werden Bilder von Angela Merkel oder Michelle Obama zum Beispiel verpixelt. Aber doch so, dass man sie noch erkennt.

Wie sieht es generell mit der Darstellung der Frau in solchen Videos aus?

Die Frau bleibt unsichtbar, auch wenn ihr Gewalt angetan wird. Es gibt Steinigungsvideos, in denen die Frau nicht gezeigt wird. Man sieht nur die Männer mit den Steinen. Die Frau bekommt kein Gesicht. Bei Hunderten von Videos habe ich vielleicht in zweien eine schwarz gekleidete Figur im Hintergrund entlanghuschen sehen oder mal tiefverschleierte neunjährige Mädchen.

Die irakische Stadt Mossul wurde nun von der irakischen Armee zurückerobert. Der IS befindet sich auf den Rückzug, was bedeutet das für die Propaganda?

Aus Mossul kamen bis wenige Tage vor der endgültigen Eroberung noch Videos – wenn auch weniger. Die jetzigen Videos des IS zeigen vor allem Kämpfe in der Wüste. Aber mich interessiert der „Islamische Staat“ selbst nicht. Mich interessieren die Mechanismen. Wir werden merken, dass auch wenn der „Islamische Staat“ besiegt ist, die nächste Terrororganisation sich an dieser Propaganda messen lassen muss. Diese extreme Gewaltdarstellung und diese extreme Fokussierung auf Bilder wird nicht verschwinden. Deswegen ist es wichtig, sich das Material anzugucken, obwohl der IS dem Untergang geweiht ist, denn das wird uns bleiben. Wir sehen schon erste Vorzeichen für die Zukunft.

Wie sieht die Zukunft aus?

Es wird auf die Inszenierung von Anschlägen in Europa hinauslaufen, von denen man nicht immer wissen wird, ob die Attentäter im Auftrag des IS agieren. Die Angriffe werden wohl professioneller dokumentiert. Ich gehe davon aus, dass Attentäter in der nächsten Zeit damit beginnen werden, ihre Anschläge über Facebook oder über Periscope live zu streamen.

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8 Kommentare

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  • Der Unterschied zum Regime Maher al-Assads und Rami Machloufs ist der, dass diese weiterherrschen wollen und ihre Morde nicht öffentlich zur Schau stellen.

    Deswegen gelten die Militärgeheimdienst Syriens und von der 4. Panzerdivision auch allen als Stabilitätsgarant - auch wenn es keinerlei staatliche Strukturen mehr gibt, sondern seit den 90ern nur noch alawitisch angeeignete Mafiastrukturen.

    Vgl. den Vortrag von Reinhard Schulze zu Syrien auf youtube und das Buch von Daniel Gerlach 2015: Herrschaft über Syrien.

  • Ich finde, dass man durch solche Berichte und Fotos nur weitere Propaganda für den IS betreibt.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Wer ist denn auf die Idee gekommen, diesen Einfalls*insel zu interviewen, Sie selbst Laila?

  • Medienprofi und Riesenarschloch - das schließt sich nunmal keineswegs aus.

  • Fotograf über islamistische Propaganda

    „Der IS ist ein Medienprofi“

    Fotograf Simon Menner sammelt und analysiert IS-Bild- und Videomaterial. Er vermutet, dass Anschläge demnächst live gestreamt werden.

     

    Es tut mir Leid aber was für ein unnötiges Interview.

     

    Die Autorin Laila Oudray. scheint nicht die richtigen Fragen gefunden zu haben, möglicherweise deswegen nicht, weil sie von der Fotografie und der Fotoberichterstattung in den Medien keine Kenntnisse hat.

     

    Wenn jemand schon so anfängt:

    „Jeder macht heute Bilder und fotografiert. Die wirkliche Aufgabe, die Künstler heutzutage haben, besteht darin, Bilder zu erklären und zu interpretieren. Meine Expertise liegt darin, dass ich Bilder genauer und auch anders angucken kann als der Durchschnitt.“ Zitat, Simon Menner.

     

    Bravo Simon Menner, Sie scheinen der Mann zu sein, den alle Geheimdienste der Welt derzeit suchen.

    Aber glauben Sie mir, es gibt eine ganze menge Menschen, die das auch können, sogar etwas besser als Sie, weil sie zu dem Geschehen Abstand lassen können.

     

    Wir leben doch in einer Welt, in der alles inszeniert wird, ob das der

    NSU Prozess ist, oder jetzt der Skandal mit Dieselfahrzeugen, oder ihr Interview hier in der Taz.

  • Dann versuchen die IS Terroristen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Und dem muss man entgegnen nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Worten!

     

    Wenn man Verbrechen der IS gegen Kinder und Frauen analysiert, dann kommt man zum Erkenntnis, dass die entweder in der Evolution ein Paar stufen zurückgeblieben sind. Wir Menschen grenzen uns von vielen Tieren dadurch ab, dass wir die Schwachen: Frauen, Kinder, alte und kranke Menschen beschützen. Kann man das auch von IS Terroristen behaupten? Nein! Wissen das alle Menschen in den Ländern wo IS agieren? Eher nicht. Es gibt viel zu tun, um den Terrorismus zu besiegen.

  • Mir scheint, der Satz "schlafende Hunde soll man nicht wecken" ist im Laufe der Jahre verloren gegangen. Was nicht als unvorstellbare Horrorvision bereits in den Kinos drastisch realisiert und nur tröstlich (..ist ja nur ein Film...) verbrämt wurde, wird jetzt überholt von den perversen Realitäten dieser kriminellen IS-Leute.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Es macht einem schon Angst, was heute mit den neuen Medien möglich ist. Dinge wieder der Holdermor, wurden ja schon damals als anti-komnunistische Propaganda abgetan. Eine Kriegserklärung der Allierten an Deutschland nach dem überall im Internet zu lesen ist das Polen ja zuerst angegriffen hat? Zumindest zweifelhaft. Es erscheint, dass unsere freiheitliche Grundordnung nicht für das 21th Jahrhundert gebaut ist.