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Foto-Ausstellung „Stars of Polar Night“Frauen am Rand der Welt

Spitzbergen ist mittlerweile ein Zentrum der Klimaforschung. Die Fotografin Esther Horvath richtet einen Blick auf die Frauen, die dort arbeiten.

Julia Martin vom Alfred-Wegener-Institut prüft mit einer Sonde die Höhe des Schnees bei Ny-Ålesund Foto: Esther Horvarth

Katie Sipes ist Fan des Walt-Disney-Streifens „Die Eisprinzessin“. Besonders hat es der Doktorandin an der Universität in Knoxville in Tennessee/USA, die derzeit zu den Folgen des auftauenden Permafrostes in der Arktis für die dort lebenden mikrobiellen Gemeinschaften promoviert, die Figur der ‚Elsa‘ angetan: Die kann nicht nur Schnee und Eis herbeizaubern, sie hat auch einen sehr eigenen Kopf.

Und so war es schon lange Sipes’ Traum, sich in entsprechend frostiger Umgebung als Eisprinzessin zu zeigen – und da steht sie nun im Kleid, mit wehendem Haar, aufrecht und stolz. Drumherum ist dunkle Polarnacht, die Temperatur beträgt 29 Grad minus. Sorgsam inszeniert und abgelichtet von der Fotografin Esther Horvath, die seit 2015 Hausfotografin des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts ist.

Das Bild hängt derzeit in der Ausstellung „Stars of Polar Night“ in der Hamburger Freelens-Galerie, ein Traum in wehendem Eisblau. Warm angestrahlt nur von der Kopflampe der Fotografin, die angesichts der von November bis Februar dauernden Polarnacht auf künstliches, aber dezentes Licht setzte.

Es ist eines ihrer Lieblingsbilder aus ihrer Porträtreihe „Women of Artic Science“. Denn Esther Horvath findet: „Wenn wir an Polarforschung denken, denken wir an einen weißen Mann mit Bart und von der Kälte gegerbtem Gesicht – und nicht an eine Frau. Ich aber möchte die Frauen vorstellen, die in der Arktis forschen und arbeiten; ich möchte ihrer Forschung ein Gesicht geben.“

Esther Horvath lenkt den Blick auch auf die logistischen Helferinnen, deren Arbeit die Forschungen erst ermöglicht.

Und dazu ging es nach Ny-Ålesund, eine Siedlung auf Spitzbergen. Das ist eine zu Norwegen gehörende Inselgruppe nahe des 79. Breitengrades – eine der nördlichsten Siedlungen der Welt. Das Versorgungsschiff kommt winters alle acht Wochen, das Flugzeug versucht es einmal pro Woche, Schneestürme sind an der Tagesordnung.

Die Siedlung entstand ab 1916, als man begann, Steinkohle kommerziell abzubauen. 1963 kam es zu einem schweren Grubenunglück und der Frage, wer für die mangelnden Sicherheitsmaßnahmen verantwortlich sei: Ein Skandal offenbarte sich, der die norwegische Gesellschaft tief erschütterte und zum Rücktritt des damaligen Ministerpräsidenten führte.

Die zweite Folge des Unglücks: Der Bergbau wurde aufgegeben, und es siedelten sich ab Ende der 1960er-Jahre die ersten Forschungsstationen an, um das arktische Klima und die darüber liegenden Atmosphären-Schichten genauer zu erkunden. Heute gilt Ny-Ålesund als Hotspot der arktischen Klimaforschung. In den letzten Jahren kamen Forschungsstationen dazu, die von der Volksrepublik China, von Südkorea und Indien betrieben werden. Im Sommer versammeln sich so bis zu 150 Menschen; im Winter senkt sich die Zahl auf rund 40 Personen, fast die Hälfte davon weiblich.

Schon länger vor Ort ist das AWIPEV, eine gemeinsame Forschungsstation des deutschen Alfred-Wegener-Instituts und des französischen Polarforschungs-Instituts Paul Emile Victor, vor 20 Jahren gegründet. „Die Menschen harren am Rande der Welt aus, und sie tun das nicht für einen Staat, sondern stellvertretend für uns“, sagt der Wissenschaftsjournalist Lars Abromeit, der für die Bildtafeln und Texte der Hamburger Ausstellung verantwortlich ist und der dafür Esther Horvath im Winter 2022 nach Spitzbergen begleitete: „Wenn sie da nicht wären und messen würden, was in der Arktis im Winter passiert, wüssten wir es nicht und könnten die Konsequenzen, die die Veränderungen in der Arktis auch für uns haben, nicht überschauen.“

Dabei zeigten sich die Klima-Veränderungen im Winter besonders deutlich: „Seit den 1990er-Jahren ist in der Arktis die durchschnittliche Wintertemperatur drei- bis viermal so schnell gestiegen wie die Durchschnittstemperatur auf der Erde – auf Spitzbergen aber siebenmal so schnell“, sagt Abromeit. Spitzbergen sei sozusagen das Epizentrum der Klimaerwärmung.

Fotografisch hat Esther Horvath nicht nur der Umgang mit dem Licht in all der Dunkelheit gereizt, sie will auch andere Bilder aus der Wissenschaftswelt mitbringen, als wir es gewohnt sind: „Ich möchte Wissenschaft und Forschung in einer künstlerischen Art darstellen, denn wir erinnern uns am ehesten an Bilder, wenn sie uns emotional ansprechen, also wenn sie schön sind.“ Frühere Bilder von Wissenschaften seien oft allein prozess-fokussiert, eher abstrakt.

Ein Beispiel für Esther Horvaths Zugang: das mittägliche Aufsteigenlassen des Wetterballons, pünktlich um zwölf Uhr. Seit den 1990er-Jahren findet das statt, ohne Ausnahme, auch an Weihnachten, auch am 1. Januar. „Ich wollte nun nicht fotografieren, wie der Ballon aufgeblasen wird, sondern ich wollte einen besonderen visuellen Blick auf das Geschehen lenken, etwa wenn das Licht schön ist.“

Die Ausstellung

„Stars auf Polar Night“: bis 31. 3., Hamburg, Freelens Galerie, Alter Steinweig 15;

Doch Horvath stellt nicht nur die Forscherinnen im Kontext ihrer Tätigkeiten vor. Sie lenkt den Blick auch auf die logistischen Helferinnen, deren Arbeit die Forschungen erst ermöglicht: So zeigt sie uns Ida Kristoffersen, die als Elektrikerin und als Wachfrau tätig ist und ausrücken muss, wenn es irgendwo brennt. Auch wenn sich ein Eisbär nähert, fährt sie raus – dann mit Gewehr.

Mehrere Aufgaben hat auch Ragnhild Staldvik, die mal als Reinigungskraft, mal als Ladenhilfe, dann wieder als Küchenhilfe arbeitet, im einzigen Restaurant des Orts, das wiederum Marin Katarina Havnås führt. Havnås kam nach Ny-Ålesund, als infolge des Lockdowns das Restaurant schloss, in dem sie bis dato gearbeitet hatte.

Für den generellen Betrieb der Siedlung und die allgemeine Versorgung sorgt der norwegische Staat. Auch ein Museum gibt es – in einem der ältesten Häuser der Siedlung, in der ab 1918 die Funkstation untergebracht war. WLAN und Bluetooth sind übrigens streng verboten – die Strahlungen könnten die Messinstrumente durcheinanderbringen. Stattdessen setzt man auf die klassische Ultrakurzwellen-Technik.

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