Klimawandel in Fotos festgehalten: Fantastisch schöne Eisberge

Auch überhaupt nicht gute Dinge können ein ästhetisches Ereignis sein. Im Deutschen Technikmuseum Berlin sind die Folgen des Klimawandels zu sehen.

Fotografierende Menschen stehen in Grönland auf Eis

Grönlandtouristen auf schmelzendem Eis: „Point 660“, Grönland, August 2008 Foto: Olaf Otto Becker

Es war natürlich keine sehr brillante Idee, das Technikmuseum Berlin unter der Woche aufzusuchen. Und auch noch vormittags. Am Wochenende, hatte ich gedacht, wäre es zu voll, wegen der ganzen Familien.

Was für ein Quatsch, das Gegenteil ist vermutlich richtig: Am Wochenende kommen Kinder mit ihren Eltern, von denen sie gut betreut und notfalls gebändigt werden. An einem ganz normalen Vormittag kurz nach den Ferien aber, da kommen die jungen Menschen tausendfach in Klassenstärke und allen denkbaren Größensortierungen. Geltungsbedürftige Jungmänner verstärken die Akustik in der Eingangshalle durch übertriebene Lautäußerungen. Lehrkräfte, die mäßigend einwirken könnten, sind im Gewühl nicht auszumachen.

Was für ein Glück, dass das Haus so weitläufig ist. Tatsächlich habe ich, an meinem eigentlichen Ziel angekommen, den herrlich ruhigen Raum lange für mich allein. Das ist gar nicht so verwunderlich, denn die Sonderausstellung „Signs of Change“, die Bilder des Fotografen Olaf Otto Becker zeigt, will erst einmal gefunden werden. Der Mann an der Kasse hatte mich hinüber ins „Spektrum“ geschickt, das Nachbargebäude, wo der Kartenkontrolleur besser informiert ist und mich aufklärt, dass ich im Hauptgebäude ganz richtig gewesen sei. „Kennen Sie den Raum mit den Flugzeugen hinter dem Rosinenbomber? Da ist es.“

Für diese wertvolle Information bin ich sehr dankbar, denn aufgrund zu sparsamer Beschilderung hätte ich die Fotoausstellung sonst womöglich nie gefunden. Olaf Otto Becker, lese ich nun in einem der ausliegenden Bildbände, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Spuren, die der Mensch in der Natur hinterlässt, und den dauerhaften Veränderungen, die er dadurch bewirkt. Beckers Bilder sind ästhetische Dokumente des Klimawandels.

„Signs of Change“ mit Fotografien von Olaf Otto Becker ist im Deutschen Technikmuseum in Berlin, Trebbiner Straße 9, bis 3. Dezember 2023 zu sehen. Montags geschlossen.

Im Technikmuseum werden vor allem zwei Serien gezeigt, eine in Ostsibirien, die andere in Grönland entstanden. Großformatige Bilder zeigen fantastisch schöne Eisberge, mystisch auf dem Wasser schimmernd. Daneben Aufnahmen menschlicher Behausungen, bescheiden in die karge Landschaft gebaut, in den Fenstern stehen bunte Plastikblumen. Eindrücklichstes Dokument der klimatischen Veränderungen ist eine umfangreiche Fotoserie, die den Lauf eines Schmelzwasserflusses durch den grönländischen Eisschild dokumentiert.

Man könnte das – diese Türkis­töne des Wassers, das Weiß bis Hellgrau des Eises – rein als diffizile Farbverlaufs­studie rezipieren, wenn man nicht wüsste, was das Schmelzwasser bedeutet.

Beckers Sibirien-Serie hat einen anderen Charakter, zeigt weniger Natur und mehr von dem, was der Mensch in ihr hinterlässt. Eine Lost-places-Ästhetik herrscht vor. Menschen stehen auf kaputten Maschinen, die Trümmer einstigen technischen Fortschritts verströmen Endzeitstimmung.

Ab und zu kommen jetzt Leute durch den Raum geschlendert: eine Gruppe Niederländisch sprechender Jungs, eine Butterbrot essende französische Kleinfamilie, zwei deutsche Studentinnen. Alle bleiben sie wenigstens kurz, bewundernd, vor demselben Exponat stehen: Einem großformatigen Foto aus den Gardens by the Bay in Singapur, auf dem üppig sprießende Flora zu sehen ist, die ein futuristisch anmutendes Gebäude überwuchert. Vielleicht ist ja genau das unsere Vorstellung von einer idealen Umwelt …

Auf dem Weg nach draußen gerate ich in die Textilabteilung, wo eine Frau eine kompliziert aussehende Maschine dreht. Unten kommt ein löchriges Schlauchband heraus, das entfernt an Damenstrümpfe erinnert (für eine Trolldame mit stämmigen Unterschenkeln). Das Garn, erfahren wir, sei aus Kupfer, und das Ganze eine Rundstrickmaschine. Zu welchem Zweck würde man denn einen Kupferschlauch stricken wollen, fragt einer. Die junge Frau zeigt: „Ich würde hier abschneiden, das einrollen wie einen Strumpf …“ und dann dreht sie die Enden irgendwie fest, und ein super aussehender Topfkratzer ist fertig.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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