Fossile Energien bei der Klimakonferenz: Unterirdische Idee
Auf der Klimakonferenz in Dubai wird über die Zukunft der fossilen Energieträger gestritten. Die Befürworter des Verbrennens setzen auf Technik.
1 Moment mal, es gibt doch das Pariser Weltklimaabkommen von 2015. Steht da nicht schon drin, dass wir aus fossilen Energien aussteigen?
Leider nicht. Zumindest nicht explizit. Das Abkommen schreibt keine Maßnahmen vor, nicht einmal die naheliegendsten. Stattdessen setzt es Temperaturziele: Die Erderhitzung soll „deutlich unter 2 Grad“ gegenüber vorindustriellem Niveau enden, möglichst bei 1,5 Grad.
Wie die Regierungen das anstellen, ist ihnen überlassen. Aber: Um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, müssen die Emissionen dramatisch sinken. Laut dem Weltklimarat müssen sie sich bis 2030 ungefähr halbieren, um bis 2050 praktisch bei null zu liegen. Die Verbrennung fossiler Kraftstoffe ist die Hauptquelle von CO2-Emissionen. Man könnte sagen: Aus dem Pariser Weltklimaabkommen folgt im Grunde, dass die Nutzung von Kohle, Öl und Gas ein Ende haben muss. Einen internationalen Beschluss aller Länder, in dem sie sich dazu bereit erklären, gibt es dennoch bislang nicht – auch nach fast drei Jahrzehnten der Klimaverhandlungen. Auf der Weltklimakonferenz in Dubai, die noch bis nächste Woche läuft, könnte sich das ändern, das Thema wird diskutiert – aber es ist auch Streitpunkt Nummer eins. Denn nicht alle ziehen dieselben Schlüsse aus dem Pariser Abkommen.
2 Welche Möglichkeit zum Aufhalten der Klimakrise soll es denn sonst geben?
Ein Wort wabert durch die Hallen auf dem Gelände in Dubai, in dem die Weltklimakonferenz stattfindet: „unabated“. Das ist Englisch für „unvermindert“. Eine unscheinbare Vokabel, trotzdem ist sie bedeutungsschwer. Die Rede ist dann nämlich davon, dass ein Ausstieg nur aus „unverminderter fossiler Energie“ geschehen müsse. Das bedeutet: Kraftwerke dürften auch mit Öl, Gas oder Kohle weiterlaufen, wenn ihre Betreiber irgendwie probieren, die CO2-Emissionen unschädlich zu machen. Durch die CCS-Technologie zum Beispiel kann man das zwangsläufig ausströmende Kohlendioxid abfangen und es dann unterirdisch lagern. Damit heizt es dann nicht mehr die Atmosphäre auf.
3 Klingt doch gut, oder?
Im Prinzip schon. Szenarien des Weltklimarats oder der Internationalen Energieagentur, in denen die Welt die Klimakrise wirksam begrenzt, gehen von der Nutzung solcher Technologien aus. Es gibt aber einige Probleme. Die Kosten zum Beispiel liegen extrem hoch – anders als bei den erneuerbaren Energien, die immer preiswerter geworden sind.
4 Aber wenn es doch hilft?
Viel deutet darauf hin, dass CCS noch lange nicht gut genug funktioniert. Davor hat der Thinktank Climate Analytics gerade nach einer Analyse gewarnt. Demnach fangen CCS-Anlagen in der Praxis oft nur die Hälfte der Emissionen auf, manchmal noch weniger. Damit könne ihr Einsatz in den Jahren von 2020 bis 2050 bis zu 86 Gigatonnen an Treibhausgasemissionen weniger reduzieren als angenommen, warnen die Expert*innen. „Der Begriff,abated' wird als trojanisches Pferd genutzt, damit fossile Brennstoffe mit miserablen Abscheidungsraten als Klimaschutz gelten können“, warnt Claire Fyson von der NGO Climate Analytics.
Die schlechte Effektivität von CCS könnte auch manche Szenarien des Weltklimarats aus der Bahn werfen, bei denen die Welt die 1,5 Grad Erderhitzung kaum überschreitet – obwohl auch nach 2050 noch fossile Kraftwerke laufen. Der Weltklimaratschef Jim Skea hat eines davon in Dubai auf einer Pressekonferenz zitiert: „Bis 2050 ist die Nutzung fossiler Kraftstoffe stark reduziert, unverminderte Kohle gibt es gar nicht mehr, die Ölnutzung ist um 60 Prozent reduziert, die Gasnutzung um 45 Prozent“, so der Wissenschaftler.
Damit sprang er dem Präsidenten der Weltklimakonferenz, Sultan Ahmed al-Dschaber, bei. Der hatte laut einem Bericht des britischen Guardian gesagt, es gäbe „keine wissenschaftlichen Belege“ dafür, dass das 1,5-Grad-Ziel einen Ausstieg aus den Fossilen erfordere. Ein Skandal auf der Weltklimakonferenz. Und schlechte Presse für den Politiker, der Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Manager des staatlichen Ölkonzerns Adnoc ist – und dieses Jahr die Klimaverhandlungen leitet.
Nur: Das von Skea genannte Szenario geht von einem großflächigen Einsatz von Verminderungstechnologien aus. Und die definiert der Weltklimarat als Technologien, die 95 Prozent der fossilen Emissionen abfangen. Die Praxis passt hier also (noch) nicht zur Theorie.
5 Heißt das, wir sollten CCS doch nicht nutzen?
Doch, unbedingt. Es gibt industrielle Prozesse, etwa die Herstellung von Zement, von denen wir bisher nicht wirklich wissen, wie wir sie ohne klimaschädliche Emissionen hinbekommen. Kraftwerke hingegen gibt es auch ohne Öl, Gas, und Kohle – nämlich zum Beispiel mit Wind und Sonne oder Wasser betrieben.
„Die Liste der Anwendungsbereiche, in denen CCS unvernünftig wäre, ist lang. Ganz oben dabei ist der Energiesektor“, meint deshalb zum Beispiel Pao-Yu Oei, Professor an der Europa-Universität Flensburg. „Ein konsequenter Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas geht mit Erneuerbaren schneller, günstiger und hilft dem Klima wirklich.“ Eine Diskussion um Technologieoffenheit sei nicht zielführend. Die deutsche Bundesregierung solle Klarheit schaffen, wo CCS keine Option darstellt. „Wenn die Verhandelnden in Dubai mehr auf die PR-Masche fossiler Unternehmen hören als auf die Wissenschaft, droht CCS von dem eigentlichen Ziel abzulenken: Alles in die Wege zu leiten, um Emissionen schnell zu vermeiden.“
Auch die Klimabewegung fürchtet, dass der Fossilen-Ausstieg – wenn er denn in Dubai überhaupt beschlossen wird – verwässert werden könnte. „An der Stelle ist klar, dass wir keine Kompromisse machen“, sagte Luisa Neubauer von Fridays for Future in Dubai. „Nein, CCS ist keine akzeptable Lösung.“ Auch sie weiß, dass darüber auf dem Verhandlungsparkett keine Einigkeit herrscht. „Ein fossiler Ausstieg, der alle glücklich macht, ist keiner, für den wir eintreten“, sagte sie. „Es ist klar, dass es Industrien gibt, die das nicht freuen kann, die hierher kommen mit Tausenden Lobbyisten.“
Mindestens 2.456 Fossil-Lobbyist*innen aus der ganzen Welt sind auf der Klimakonferenz in Dubai. Das hat eine Analyse der offiziellen Teilnehmendenliste ergeben, die ein internationales Bündnis aus Klimaschutzorganisationen wie Greenpeace, Transparency International, Global Witness und dem Climate Action Network herausgegeben hat. Die Vertreter*innen von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden nehmen nicht direkt an den Verhandlungen teil. Sie gelten wie die Klimaschützer*innen als Beobachter*innen des Gipfels, haben dadurch aber Zugang zu Diplomatie und Politik.
6 Will Deutschland auch nur einen Fossilen-Ausstieg mit CCS?
Jein. Auf der Weltklimakonferenz in Dubai setzt sich die deutsche Delegation bislang dafür ein, dass ein „richtiger“ Ausstieg aus den fossilen Energien vereinbart wird. „Aber der Ausbau von erneuerbaren Energien reicht eben nicht aus, um auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) direkt nach ihrer Ankunft am Freitag auf der Konferenz. „Wir brauchen hier den Ausstieg aus fossilen Energien. Und ich sage ganz deutlich: aus fossilen Energien, nicht nur aus fossilen Emissionen.“ Es gebe aber „mächtige Stimmen aus der fossilen Welt“ auf dem Klimagipfel. Dabei sei der Umstieg auf Erneuerbare die gerechteste und ökonomisch beste Option, so die Ministerin.
Kurz zuvor – schon zeitgleich zum Klimagipfel – hat die Bundesregierung in Berlin aber eine Strategie für eine Klimaaußenpolitik beschlossen. Darin klingt das anders: „Wir setzen uns in allen relevanten Foren für eine beschleunigte globale Energiewende, den globalen Ausbau von Erneuerbaren und den schrittweisen weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ohne CO2-Abscheidung und -Speicherung ein“, heißt es da. Eine ausdrückliche Einschränkung gibt es nur für einen Bereich: „Wir wollen bereits erfolgte Zusagen für den Ausstieg aus Kohle und anderen fossilen Energieträgern ohne CO2-Abscheidung nachhalten.“
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