Fortnite und Trigger: Ich hab' den Schuss nicht gehört

Elternabende zur Medienerziehung sind fein. Hakelig wird es nur, wenn der friedensbewegte Sozialarbeiter am Ziel vorbeischießt.

Ein Kind spielt auf einem Smartphone das Spiel Fortnite. Im Hintergrund ist eine Leinwand mit dem Logo des Spiels und den Spielfiguren zu erkennen.

Man muss Fortnite nicht mögen, aber ein klassisches Killerspiel ist es auch nicht Foto: Herwin Bahar/dpa

Neulich war ich mal wieder bei einem Elternabend. Dieses Mal ging es um die Mediennutzung unserer lieben Kleinen. Grundsätzlich war das eine erstaunlich sympathische Veranstaltung. Da referierte ein Sozialarbeiter, der sich in Hannover erfolgreich in dieser Marktlücke etabliert hatte.

Zusammen mit einigen anderen hat er einen Verein gegründet, der Workshops in Schulen anbietet und dabei Lehrern und Eltern vor allem eines predigt: Interessiert euch halt mal für das, was eure Kinder da so treiben. Kommt mit denen ins Gespräch, nörgelt und verbietet nicht bloß, ihr werdet den Medienwandel eh nicht aufhalten. Kann ich so unterschreiben, dachte ich noch. Dann fing er an über Fortnite zu reden.

Mit Tremolo in der Stimme verwies er auf „zwei Jahre Krieg vor unserer Haustür“ und die armen ukrainischen Kinder, die auf dem Schulhof erleben müssen, wie andere Kinder „Head­shot“ blöken und komische Tänze aufführen.

Nun kann man ja über Fortnite vieles sagen: Es ist nervig, hat einen hohen Suchtfaktor und ja, da wird rumgeballert, aber in so einem Comic-haftem Ambiente, dass es ab 12 Jahren freigegeben ist – was manche Experten allerdings für falsch und zu früh halten. Ich bin davon kein wahnsinnig großer Fan und will hier auch keine Werbung für Ballerspiele machen.

Es gibt da ein grundsätzliches Missverständnis, wie Trauma und Trigger funktionieren

Was ich aber unangenehm fand, ist diese Verknüpfung. Da wird mit dem Trauma anderer Kinder argumentiert – und man findet sich selbst ganz großartig dabei, ist geradezu gerührt vom eigenen Einfühlungsvermögen – um den eigenen Kindern etwas zu verbieten.

Ich glaube, das stimmt so nicht. Ich erinnere mich sehr lebhaft an die Kinder der syrischen Geflüchteten in der Unterkunft bei uns um die Ecke, die ehrlich gesagt kaum etwas anderes als Krieg spielten. Ich erinnere mich an die tausend Geschichten meiner lieben Alten, die in der Trümmerlandschaft der Nachkriegszeit spielten – na was wohl? Und an die afghanischen Jungs, die im Jugendzentrum mit Begeisterung Fortnite zockten.

Es gibt da, glaube ich, ein grundsätzliches Missverständnis, wie Traumatisierungen und Trigger funktionieren. Es war selten das Offensichtliche, die Darstellung oder das Spiel, das diese traumatisierten Kinder zurück in die Hölle schickte. Das kann (manchmal, nicht immer) sogar benutzt werden, um Dinge zu bewältigen oder wenigstens zu thematisieren.

Als Trigger funktionierten dagegen die idiotischen, kleinen Dinge im Alltag, die kein Mensch vorhersehen und beherrschen kann: das Aufklatschen einer Sportmatte auf den Hallenboden; das Geräusch einer Konservendose, die im Supermarktgang auf den Boden fällt und für den Bruchteil einer Sekunde klingt wie ein Schuss; der Brandgeruch, der plötzlich ins Klassenzimmer weht, weil nebenan jemand Laub verbrennt.

Keine Chance, da eine Triggerwarnung dran zu kleben. Keine Chance, da­raus Verhaltensmaßregeln abzuleiten. Aber das taugt natürlich nicht für Elternabende.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.