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Forscherin über Pestizidfunde in Urin„Ich esse Bio“

Die meisten Deutschen haben offenbar das wahrscheinlich krebserregende Pestizid Glyphosat im Urin, sagt Forscherin Monika Krüger.

Könnte krebserregend sein: Ein Feld wird mit einem Pestizid besprüht Foto: dpa
Jost Maurin
Interview von Jost Maurin

Bei 75 Prozent von etwa 2.000 Testpersonen seien „deutliche“ Spuren von mindestens 0,5 Nanogramm des Unkrautvernichters Glyphosat pro Milliliter Harn gefunden worden, heißt es in einer Datenerhebung der Bürgerinitiative Landwende und des Labors BioCheck. Das sei fünf Mal mehr als der Grenzwert für Trinkwasser.

taz: Frau Krüger, weisen die Ergebnisse auf eine Gesundheitsgefahr hin?

Monika Krüger: Der Molekularbiologe Séralini hat Ratten in einer Langzeitstudie über zwei Jahre Glyphosat verabreicht. Er hat Veränderungen etwa von Stoffwechsel- und Nierenparametern gefunden, die auf mögliche Krankheiten hinweisen. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation hat Glyphosat auf der Basis von Tierversuchen als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft.

Was sagen Sie zu dem Argument des zuständigen Bundesamts BfR, Glyphosat werde schnell wieder ausgeschieden?

Ja, aber ein Prozent bleibt im Körper. Insbesondere im Knochenmark und in der Niere. Es wird doch kontinuierlich jeden Tag aufgenommen. Interessant ist auch, dass langlebige Individuen wie Milchrinder, Zuchtsauen und auch Menschen stärker unter der Belastung leiden als zum Beispiel Tiere, die nur ein kurzes Leben haben wie Hühner oder Mastkaninchen.

In Ihrer Untersuchung waren Kinder am stärksten mit Glyphosat belastet. Berücksichtigen Behörden bei der Festlegung von Grenzwerten nicht, dass Kinder besonders empfindlich sind?

Im Interview: Monika Krüger

Die 68 Jahre alte Tiermedizinerin ist Miteigentümerin des Labors BioCheck.

Es gibt laut Umweltbundesamt keine Untersuchungen, wie Kinder belastet sind. Deshalb muss man sich eben vorsichtig dazu ausdrücken. Und Kinder sind natürlich, weil ja noch vieles im Werden ist, im Vergleich zum Körpergewicht stärker belastet als alte Menschen.

Das BfR räumt selbst ein, dass die nur 1400 Proben in 6 Jahren des deutschen Lebensmittelmonitorings nicht reichten für verlässliche Aussagen zur Belastung der Deutschen. Was sagt Ihnen das?

Ich denke, dass man hier langsam beginnt, das eigentliche Problem zu begreifen. Man muss hier einfach schauen, dass die Behörden die Risiken falsch eingeschätzt haben.

In Ihrer Untersuchung waren Probanden, die sich mit Öko-Lebensmitteln ernähren, weniger belastet. Was empfehlen Sie den Verbrauchern?

Machen Sie‘s wie ich: Ich esse Bio.

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15 Kommentare

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  • Schon toll wenn die Studienleiterin die "Studie" in ihrem eigenen Labor durchführen lässt...im Normalfall lässt man durch eine unabhängige Prüfstelle testen.

    Aber um Angst zu erzeugen sind wissenschaftliche Standards wohl ohnehin eher hinderlich...

    • @charly_paganini:

      Nu, Charly, gegen Studien im eigenen Labor spricht nichts, solange das nicht verdeckt wird und die Studiendaten - wie auch die Resultate und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen veröffentlicht werden. Das ist sehr nahe am Ideal des Begriffs "Wissenschaft". Was eindeutig nicht wissenschaftlich ist, das ist dass, was von Behörden wie dem BfR und der verquickten Industrie als wissenschaftlich bezeichnet wird: Studien, die angeblich durchgeführt und von der Industrie ausgeweitet wurden - das BfR darf dann lediglich über die Auswertung schauen und nicken. Keine Transparenz, kein Peer-Review, keine Öffentlichkeit.

  • Zur Erinnerung: Seralini hatte gentechnisch veränderten Mais, das Herbizid Roundup (Wirkstoff Glyphosat) und die Kombination von Mais und Glyphosat in einem Tierversuch eingesetzt. Die Seralini-Studie wurde von der IARC für die Bewertung der Frage, ist Glyphosat krebserzeugend, herangezogen und bewertet. Herr Maurin hatte uns im März 2015 in der taz darüber informiert, dass die IARC Glyphosat als wahrscheinlich krebserzeugend eingestuft hatte. Es kann also nicht davon gesprochen werden, dass die IARC die Interessen von Monsanto vertritt …

     

    In dem Bericht, der im Juli 2015 von der IARC veröffentlicht wurde, findet man auf S. 35 eine Bewertung der Seralini-Arbeit: Sie wurde als unzureichend für die Bewertung eingestuft. Im Original heißt es „the study was inadequate for evaluation because the number of animals per group was small, the histopathological description of tumours was poor, and incidences of tumours for individual animals were not provided.”

     

    Die IARC kritisiert genau die Punkte, die wiederholt an der Seralini-Studie kritisiert wurden. Diese Kritiker wurden in der Taz, wie man in den entsprechenden zum Thema Seralini-Studie lesen kann, übelst diffamiert. Jetzt sollte eigentlich jedem klar sein, die Seralini-Studie ist unzureichend für die Bewertung von Glyphosat und von gentechnisch verändertem Mais. Viele Tiere wurden umsonst zu Tode gequält.

     

    Für Leute mit wissenschaftlichem Verständnis der Link zum Glyphosat-Report der IARC:

    http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/index.php

     

    Dort die Glyphosat-Monographie anklicken. Auf Seite 35, rechte Spalte findet man die Beschreibung der Seralini-Studie und die Einschätzung der IARC.

     

    Es ist schon interessant, dass Frau Krüger ausgerechnet die einzige Tierstudie, die die IARC scheiße fand als "Argument" heranzieht.

  • Wahnsinn! Jetzt hat das ZDF (Wiso) noch Glyphosat in sechs Wattepads/Wattestäbchen nachgewiesen. Dabei auch in einem Bio-Produkt. Habe ich sofort vom Speiseplan gestrichen.

    • @Manfred Stein:

      Lieber Herr Stein,

      Sie können sich gerne weiter in Zukunft über Pestizidrückstände öffentlich belustigen. Hier mal ein paar Hinweise auf die reale Praxis in der Landwirtschaft, was den Umgang mit Giften angeht. Auf dem 16. Forum Emsländischer Landwirtschaft wurden an ca.80 Besucher digitale Abstimmungsgeräte abgegeben. Ich fasse mal kurz nach meiner Erinnerung die Ergebnisse und Kenntnisse der Landwirte z.b. bezüglich Resistenzen (Pilze , Unkräuter und Insekten ) zusammen. Das sollte eigentlich Sachkundebasiswissen sein:

       

      Die meisten Landwirte hatten keine echten Kenntnisse von diesem Grundproblem, und wenn dann würden sie lediglich das Gift wechseln und erst einmal so weitermachen. Wenn auch das nicht hilft, würden sie die Anbaumethode ändern, was auch in eine Sackgasse führt. Und zu allerletzt würden sie die Fruchtfolge anpassen, was der Königsweg im intelligenten Pflanzenschutz sein sollte. Bleibt noch zu erwähnen, dass dort hochqualifizierte Landwirte saßen in dieser Veranstaltung.

       

      Bei Glyphosat ist man heute noch im ersten Stadium der Ignoranzstrategie gefangen. Sie sind auch nur ein Teil dieser Strategie . Das ist der Anfang vom Ende. Die Befragung führte Prof. Enno Bahrs durch.

      • @Jandebuur:

        Danke für den Beitrag

        Hans-Ulrich Grefe

  • Ein kleine Gruppe von Wissenschaftlern konnte die BfR in der Öffentlichkeit wegen ihrer einseitigen Beweißführung zu ihrer Zulassungpraxix vorführen. Das ist ein großer Anfangserfolg zu einer neuen objektiven, herstellerunabhängigen Bewertung von Risikoforschung im Allgemeinen. .

  • Gleich drei schwammige Begriffe in der Überschrift: die meisten, offenbar und wahrscheinlich.....

    • @Wuff:

      Und Sie finden es natürlich vollkommen glaubwürdig und seriös wenn aufgrund einer Studie mit 1400 Proben in 6 Jahren

      behauptet wird, das Zeug sei "unbedenklich".

  • Die Glyphosat-Patente sind zwischenzeitlich weltweit fast überall ausgelaufen. Der Markt wird längst von billigen Nachahmer-Produkten überschwemmt. Die Magen sind erbärmlich. Monsanto hat bereits teure Nachfolgepräparate am Markt. Monsanto hat also ein brennendes Interesse daran, dass Glyphosat vom Markt verschwindet. Die grüne Protestkampagne kam passgenau zum Auslauf der Patente. Wer vertritt in diesem Spielchen eigentlich wessen Interessen?

    • @Manfred Stein:

      Naja, da sich die wissenschaftliche Kritik v. a. gegen das Mittel richtet, gehts hier wohl eher um sachliche Gründe, sprich den Schutz der Bevölkerung vor Ackergiften.

      Dass man Monsanto auch gerne als "den" Feind anruft, um Stimmung zu erzeugen, sei zugestanden. Aber der Laden ist ja auch an allen Ecken und Enden das genaue Gegenteil dessen, was man als Bio-Konsument gutheißt. Dennoch kann man auch bei Monsanto speziell bei Glyphosat die Alarmanlage anmachen. Denn die resistente Gentech-Sojapflanze kommt ja auch von denen und intensiviert die Nutzung von Glyphosat massiv.

  • Das ist doch von der ..EU...zugelassen.....UPPS.....und jetzt.......Diskussion über den Grenzwert.....Na dann erhöhen wir halt der Grenzwert...und dann ????

    Hans-Ulrich Grefe

  • Nachtrag: Glyphosat steht in der Einstufung auf der selben Stufe wie Mate-Tee...

    • @Mephisto:

      Prosit!

      Hier wird ein Monsanto-Lobbyist erwischt bei einer ähnlichen Aussage, wie ungefährlich Glyphosat sei:

      https://youtu.be/ovKw6YjqSfM

  • Wer Seralini zitiert, disqualifiziert sich komplett...