Forscherin über Antifeminismus auf Tiktok: „Szene mit einer klaren Agenda“
Mareike Fenja Bauer forscht zu Antifeminismus auf Tiktok. Viele solcher Influencerinnen prägten ihr Publikum subtil, sagt die Expertin.
taz: Frau Bauer, Sie forschen zu antifeministischen Influencerinnen auf Tiktok. Wenn ich mir das Profil einer solchen Person anschaue: Was sehe ich da?
promoviert an der European New School of Digital Studies zu antifeministischen Influencerinnen.
Mareike Fenja Bauer: Das kann sehr unterschiedlich sein. Ein typisches Beispiel wäre: Die Person filmt sich beim Kochen. Sie ist mit einem schicken Kleid zurechtgemacht in der Küche und suggeriert, dass sie hier Einblicke in ihr privates Alltagsleben erlaubt – dabei ist alles hochgradig inszeniert. In der Beschreibung des Posts steht so etwas wie: „Hey, ich bin total gerne Hausfrau und Mutter!“ Das allein wäre noch nicht unbedingt antifeministisch. Aber dazu kommen subtilere Elemente, etwa ein Hashtag wie #FemininityNotFeminism oder #TradWife. Im Ganzen betrachtet vermittelt der Post ein traditionelles Frauenbild und suggeriert, Weiblichkeit stehe im Gegensatz zu Feminismus.
Und warum ist das problematisch? Es gibt in den sozialen Medien ja auch genug progressive Accounts.
Warum beschäftigen wir uns in einem Dossier mit Antifeminismus? Schon in vielen Liedern wird besungen: „Know your enemy“. Oft ist Antifeminismus subtil. Wie wir ihn entlarven können, wird klar, wenn wir uns mit ihm auseinandersetzen: Welche Formen nimmt er an? Wer sind die Akteur*innen? Und wie können wir ihm begegnen? Alle Dossiertexte gibt es im Online-Schwerpunkt zum feministischen Kampftag.
Natürlich. Aber politische Influencerinnen – zu denen ich die Antifeministinnen zähle – nutzen gezielt Techniken und Strategien des kommerziellen Influencens, um politische Narrative und Ideologien zu verbreiten. Sie bauen eine zwischenmenschliche Beziehung zum Publikum auf, suggerieren eine Nähe und Privatheit, und die Botschaft kommt eben oft nur ganz subtil daher. Damit erreichen diese Influencerinnen ganz andere Zielgruppen als offen frauenfeindlich auftretende Antifeministen wie etwa Andrew Tate.
Wer ist denn die Zielgruppe?
Tiktok wird vor allem von jungen Leuten bis 25 Jahre genutzt und ist besonders beliebt bei Frauen. Erreicht werden sollen junge Frauen, die sonst gar nicht unbedingt an rechten oder reaktionären Botschaften interessiert wären. Viele antifeministische Influencerinnen versuchen auf subtile Art, ihr Publikum mit ihrem Weltbild zu prägen. Es ist eine Art Türöffner und der Algorithmus spielt ihnen in die Hände.
Inwiefern?
Wenn ich auf Tiktok ein paar solcher Accounts folge, dann rutschen mir automatisch immer mehr davon in den Feed. Nach und nach kommen dann auch Profile mit radikaleren Positionen rein. Die Influencerinnen nutzen die Funktionsweise von Tiktok. Sie gehen auf aktuelle Trends ein wie das Zeigen der angeblich persönlichen Morgenroutine, beliebte Hashtags oder Filter, und das politische Moment passiert versteckt. Es wird Lifestyle vermarktet – aber der trägt eine politische Message.
Reden wir hier über Einzelpersonen mit antifeministischem Weltbild?
Wir reden über eine Szene mit einer klaren Agenda, die aber oft nicht offen gelegt wird. In vielen Profilen ist zum Beispiel nicht ersichtlich, wenn die Inhaber*innen in rechten Organisationen aktiv sind. Es gibt ganz klare Überschneidungen – ideologisch wie auch personell – mit Pick Up Artists oder Maskulinisten, aber auch mit organisierten Rechten und extremen Rechten. Die AfD und ihre Jugendorganisation Junge Alternative sind zum Beispiel sehr aktiv auf Tiktok.
Und was wäre ein guter Umgang mit diesen antifeministischen Influencerinnen?
Wichtig wäre mehr Aufklärung. Sowohl über die Arbeitsweise solcher politischen Influencerinnen als auch über Antifeminismus allgemein. Denn dieser wird immer noch viel zu oft gar nicht oder zumindest nicht als Bedrohung wahrgenommen. Auf Social Media wird seine demokratiegefährdende Natur noch weiter verschleiert – durch die Art der Präsentation, aber eben auch, weil zu viele Menschen soziale Medien immer noch nicht ernst genug nehmen. Gerade Tiktok, wo sich ja junge Menschen bewegen, wird von Menschen über 25 Jahren gerne als unpolitische Spaßplattform belächelt. Dabei suchen Nutzer*innen auch hier nach Informationen oder betreiben politischen Aktivismus, nicht nur von rechts. Und deswegen muss genau hier eben auch politische Bildungsarbeit passieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?