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Forderung beim Grünen-ParteitagEZB soll normal werden

Die Grünen aus Münster wollen die Finanzmärkte entmachten. EU-Parlamentarier Giegold befürwortet eine „modifizierte Übernahme“ des Antrags.

Die EZB ist eine mächtige Institution, den Grünen aus Münster ist sie zu mächtig Foto: Arne Dedert/dpa

Berlin taz Der Kreisverband Münster ist bei den Grünen legendär, weil sich dort viele linke Vordenker sammeln. Auch diesmal hat der Kreisverband einen umstrittenen Antrag eingereicht, um das Wirtschaftskapitel im grünen Grundsatzprogramm zu ergänzen. Es geht um die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Münsteraner wollen erreichen, dass die EZB zu einer normalen Zentralbank wird.

Die Idee: Die EZB soll immer dann eingreifen, wenn die Zinsen für einzelne Euroländer in unbezahlbare Höhen schießen, weil die Finanzanleger diese Staaten als unsicher einstufen. Die „Disziplinierung durch die Finanzmärkte“ soll also beendet werden. Denn es sei „wirtschaftsschädlich, unfair, unsozial und undemokratisch“, hohe Zinsen als Druckmittel gegen Staaten einzusetzen.

Die Münsteraner wollen daher das grüne Grundsatzprogramm unter anderem um folgenden Satz ausbauen: „Um Staatsanleihen aller Mitgliedstaaten zu sicheren Anlagen zu machen und die Zinsunterschiede gering zu halten, muss es der EZB, so wie es bei praktisch allen Notenbanken der Welt ist, erlaubt sein, die Rolle des Kreditgebers der letzten Instanz (‚Lender of Last Resort‘) einzunehmen.“

Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold findet diese Formulierung „nicht besonders sinnvoll“. Denn die Münsteraner würden doch nur die Realität beschreiben. „Faktisch hat die EZB die Zinsen für alle Eurostaaten längst nach unten gedrückt, um den Euro zusammenzuhalten.“

Münsteraner sind an Kompromiss interessiert

Auch sei es nicht klug, der EZB nahezulegen, dass sie den Ländern unter allen Umständen beispringen soll: „Die Mitgliedstaaten müssen eine halbwegs vernünftige Fiskalpolitik machen. Es kann nicht sein, dass sich Länder verschulden, bis die Ärztin kommt – und die Zentralbank dann die Staatsanleihen aufkaufen soll.“

Giegold plädiert daher für eine „modifizierte Übernahme“ des Antrags. Die Münsteraner sind an einem Kompromiss interessiert; jetzt wird nach einer einvernehmlichen Formulierung gesucht.

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4 Kommentare

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  • Ich bin dankbar für die Vorschläge der Münsteraner Gruppe. Es ist unverständlich, warum man einerseits den Staaten unvernünftiges Verhalten unterstellt, und andererseits bei Banken und Investoren von vernünftigem Verhalten ausgeht. Die sind schon vom Gesetzt her verpflichtet auf Teufel komm raus Gewinn zu machen. Die Folgen haben wir in 2008 gesehen. Auch die "Sparbemühungen" haben kein positives Eregebnis erbracht, sondern ganze Länder in Elend gestürzt. Die EU sollte Regeln für die Staatsfinanzierung festlegen, und dann die EZB die Staaten nach diesen Regeln direkt finanzieren lassen. Die Finanzmärkte sind dabei komplett überflüssig.

  • Danke

    „Die Münsteraner wollen erreichen, dass die EZB zu einer normalen Zentralbank wird.“

    Hübsch gedacht, aber solange es keine Finanz-, Sozial-, Steuer-, Wirtschaftsunion gibt, wird so der Teufel mit Beelzebub zu neuen Höllenstreichen animiert, über das Ausbleiben genannter Strukturen sich selber und die internationalen Finanzmärkte hinwegzutäuschen, die das solange tolerieren wie es sich lohnt, auf dieses Ausbleiben Wetten zu halten? Wenn EZB normale Zentralbank sein soll, braucht diese entsrechend politisch regulierte Rahmenbedingungen, aus denen ihr geldpolitische Instrumente erwachsen, nicht nur Ausputzer geld-, wirtschaftspolitischen Staatsversagen zu agieren, sondern dierekt Wirtschaft insgesamt als Akteur einzubeziehen, vorhandene WTO Ausgleichsmechanismen zu aktivieren bei Ungleichgewichten von Handelsbilanzen innerhalb EU Partnerländern. Welthandelspartnern auszubalancieren, ohne das es wie gegenwärtig zu gegenseitgem Protektionismus kommt, meist wie im Fall USA Billionen $ hohes Handelsbilanzdefizit zurückzuführen, ohne sicher zu sein, dass das gelingt

    „…… es der EZB, so wie es bei praktisch allen Notenbanken der Welt ist, erlaubt sein, die Rolle des Kreditgebers der letzten Instanz (‚Lender of Last Resort‘) einzunehmen.“



    Droht da nicht verklausuliert mit der EZB als Hintertür zu fremdem Zweck Modern Monetary Theory “MMT“ in EU ungeregelt Tür und Tor zu öffnen? Zinsen einerseits für Investoren am Grund-, Boden-, Immobilien-. Kapitalmarkt ganz unter Null zu drücken, andererseits Unternehmens Kontokorrent- , Privathauhalt Dispokredite, Verbraucherkredite nach Basel III Kriterien auf Wucherniveau zu halten bei anschwellender Gefahr über Kreditvolumen Wachstum Blasenwirtschaft zu nähren?

    Ein Teufelskreis, der erkannt,, offenbart, das jedes % Wachstum mit immer mehr gedrucktem aus dem Nichts durch Kredite geschöpftem Geld in immer weitere Ferne rückt, vor allem solange WTO, IWF, Weltbank, Weltwährungssystem, UNO nicht reformiert sind?

  • damit Staaten, die jegliche Disziplin in der Haushaltspolitik verlieren, gefördert werden? dann wird der Euro zur türkischen Lira

  • Die Finanzmärkte bedürfen dringend der Regulierung. Mein Vorschlag wäre eine 2-wöchige Haltefrist für Finanzprodukte, mit der Sanktion der Beschlagnahmung des eingesetzten Geldes. Kein Mensch und kein Unternehmen braucht Geld für halbe Tage oder Millisekunden.Dies würde auch die "Nervosität" aus den Märkten nehmen, entschleunigen und die Verschwendung von Ressourcen für die entsprechende Computertechnik minimieren. Es stellt darüber hinaus Chancengerechtigkeit für Kleinanleger her.