Folter Geflüchteter in Syrien: „Du gehst in deinen Tod“
In Syrien misshandelt das Regime zurückkehrende Flüchtlinge. Amnesty International hat Dutzende Fälle von Folter und Vergewaltigungen aufgezeichnet.
Amnesty International hat das Schicksal Dutzender Rückkehrer*innen wie Karim dokumentiert. Der am Dienstag veröffentlichte Bericht schildert „schreckliche Übergriffe“ gegen 66 Rückkehrer*innen – darunter 13 Kinder. Die Sicherheitskräfte von Machthaber Baschar al-Assad haben die Geflüchteten demnach willkürlich inhaftiert, gefoltert, vergewaltigt. Fünf Menschen sind in Haft gestorben. Von 17 weiteren Rückkehrer*innen fehlt jede Spur.
Die Schilderungen der Geflüchteten, Angehörigen und Expert*innen vor Ort, mit denen Amnesty-Mitarbeiter*innen Interviews geführt haben, sind grauenhaft. So berichtet ein Mann, der nach seiner Rückkehr dreieinhalb Monate festgehalten wurde: „Sie verabreichten mir Stromschläge zwischen die Augen. Ich fühlte, wie mein gesamtes Gehirn erzitterte. (…) Ich war nicht mehr in der Lage, mich aufrecht zu halten, meine Schulter war ausgekugelt (…) ich wünschte mir den Tod.“
In mehreren Ländern, die Geflüchtete aus Syrien aufgenommen haben, wird derzeit diskutiert, ob das Land mittlerweile so „sicher“ ist, dass die Menschen dorthin abgeschoben werden können, oder ob sie gar nicht erst aufgenommen werden.
Peiniger am Grenzübergang
Tatsächlich wird in Syrien kaum noch militärisch gekämpft, Assad hat sich im Großteil des Landes wieder die Macht gesichert. Syrien sei sicher, so lautet seine Botschaft. Wiederholt forderte er Geflüchtete auf zurückzukehren. Von den rund 6,6 Millionen Menschen, die seit Beginn des Krieges 2011 vor Gewalt und Bomben aus Syrien geflohen waren, sind laut den Vereinten Nationen seit 2016 mindestens 280.000 zurückgekehrt.
Doch diese Menschen betrachtet das Assad-Regime als „illoyal“. Amnesty führt die Misshandlungen der Rückkehrer*innen darauf zurück, dass sie das Regime als Oppositionelle betrachtet – schlicht weil sie das Land verlassen haben.
Eine Frau zitiert die Worte eines syrischen Beamten, als sie die Grenze von Libanon aus überschreiten wollte: „Warum hast du Syrien verlassen? Weil du Baschar al-Assad nicht magst und weil du Syrien nicht magst? Du bist eine Terroristin.“ Dann habe der Grenzbeamte sie und ihre fünfjährige Tochter vergewaltigt. Amnesty dokumentierte 13 weitere Vergewaltigungen an Grenzübergängen oder in Gefängnissen, darunter Kinder, Frauen und Männer.
„Kein Teil Syriens ist sicher“
Nichtsdestotrotz hat Deutschland den Abschiebestopp nach Syrien bereits Ende 2020 ausgesetzt, nun werden Einzelfälle geprüft. Der Libanon und die Türkei, jene Länder, in denen besonders viele syrische Geflüchtete unter prekären Bedingungen leben, erhöhen den Druck auf diese Menschen.
In Europa ist Dänemark das erste Land, das syrischen Geflüchteten aus dem Großraum Damaskus mit Abschiebung droht. Die dänische Regierung schätzt die Region als „sicher“ ein und hat 2020 Aufenthaltstitel von 94 der 32.000 syrischen Geflüchteten in Dänemark aufgehoben oder nicht verlängert. Dabei ereignete sich ein Drittel der von Amnesty dokumentierten Fälle genau dort.
„Kein Teil Syriens ist für Rückkehrer*innen sicher“, sie seien bei ihrer Rückkehr ernsthaft gefährdet, verfolgt zu werden, schlussfolgert Amnesty und fordert insbesondere europäische Regierungen auf, Menschen aus Syrien einen Flüchtlingsstatus zu erteilen. „Jegliche Rückweisung nach Syrien zu dieser Zeit wäre eine Verletzung der internationalen Pflicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!