Folgen für Versicherer: Die Furcht vor Notverkäufen
Die Schuldenkrise in Europa trifft die Versicherten in Deutschland nicht allzu hart. Neue Regeln sollen den Notverkauf von Staatsanleihen verhindern. Renditen sinken.
HAMBURG taz | Die meisten Versicherungskonzerne sind besser als die Banken durch die Krise gekommen. Doch die Staatsschuldenkrisen von Griechenland und anderen Euroländern werden auch die Versicherten in Deutschland zu spüren bekommen.
Versicherer sind im Vergleich mit Banken wenig auf den Kapitalmarkt orientiert. Ein Kurssturz an den Börsen löst dort deshalb keine existenziellen Sorgen aus. Eine Staatsschuldenkrise schon eher: Teils aus strategischen Gründen, teils aufgrund rechtlicher Vorgaben legen Versicherungen das Kapital ihrer Kunden hauptsächlich sicher an.
Ganz oben stehen daher Wertpapiere, die sichere Zinszahlungen versprechen. Klassiker sind Bundesschatzbriefe und andere Staatsanleihen, in der Vergangenheit auch gerne von Griechenland, Portugal oder Italien. Bis zum Platzen der Hellas-Blase im Mai 2010 erschien dies als eine grundsolide Strategie.
Versicherer zu Notverkäufen gezwungen
Mittlerweile sorgen sich Verbraucherschützer, dass Versicherer bei weiteren Herabstufungen der Staatspapiere von Griechenland bis Spanien zu Notverkäufen gezwungen sein könnten. "Verlieren Wertpapiere den sogenannten Investment Grade, werden sie zu einer riskanten Kapitalanlage", erläutert Lars Gatschke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Die Finanzaufsicht hat riskante Anlagen aber für Versicherungen auf 5 Prozent des Kapitals begrenzt, und dieser Topf dürfte bei vielen bereits gefüllt sein. Die Folge könnten Zwangsverkäufe der Papiere sein und damit hohe Verluste für die Versicherungsgesellschaft.
Dazu wird es aber in absehbarer Zeit nicht kommen, versichert die Finanzaufsicht Bafin. "Um Notverkäufe zu vermeiden, haben wir im Mai vergangenen Jahres und jetzt im Juni entsprechende Verlautbarungen veröffentlicht", beruhigt Bafin-Sprecherin Kathi Schulten. Danach müssen sich Unternehmen nicht von den heiklen Staatspapieren trennen, selbst wenn diese bei den Ratingagenturen durchfallen.
#Das Engagement in Papieren der Risikostaaten Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien liegt laut Bafin je nach Staat in einer Bandbreite von rund 0,3 bis ca. 3 Prozent der gesamten Kapitalanlagen. Die Risikostreuung scheint damit intakt zu sein.
Gewinne verhagelt
Folgenlos bleibt die Staatsschuldenkrise trotzdem nicht. Die Erträge der wegen der Budapester Badeorgie in Verruf geratenen Ergo-Gruppe fielen im ersten Halbjahr um 1,2 Milliarden Euro niedriger aus als im Vorjahr.
"Wesentlicher Grund", so Reinhold Müller vom Branchendienst "Versicherungsjournal", sei die Abschreibung griechischer Staatsanleihen auf den niedrigen Marktwert. Abgeschrieben haben auch Branchenprimus Allianz und Generali ihre Problempapiere und sich damit ihre Gewinne verhagelt.
Während Sachversicherungen wie Hausrat oder Auto kaum von der Krise betroffen sind, spielen Finanzanlagen bei Lebens- und Rentenversicherungen sowie bei privaten Krankenversicherungen die Hauptrolle. Das gesamte angelegte Kapital der Branche beträgt immerhin 1,2 Billionen Euro.
Viel hängt dann von der Anlagestrategie der einzelnen Vorstände ab. Für dieses Jahr erwartet Gatschke Abschreibungen bei vielen Versicherern. Dadurch dürften die Überschussbeteiligungen, die Kunden gutgeschrieben werden, kleiner ausfallen als erhofft.
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