Folgen des US-Abtreibungs-Urteils: Ideologisierte Frauenkörper

Die Frage des Schwangerschaftsabbruchs ist zum Kern einer extremen Ideologie geworden. Sie soll konservativ-religiöse Wäh­le­r:in­nen mobilisieren.

Burn in Hell, verbrennt in der Hölle, steht auf einem Plakat, das eine Frau vor dem Obersten Gerichtshof in Washington hochhält.

Rich­te­r:in­nen in die Hölle: Eine wütende Demonstrantin vor dem Supreme Court Foto: Gemunu Amarasinghe/ap

Das höchste Gericht der USA hat Frauen das fundamentale Recht genommen, selbst über ihren Körper, ihr Leben und ihre Gesundheit zu entscheiden. Die konservative Mehrheit des Supreme Court – Donald Trump hat in seiner Amtszeit drei Rich­te­r:in­nen ernannt und diese Mehrheit wohl für Jahrzehnte zementiert – hat durchgesetzt, was vor wenigen Jahren noch unvorstellbar war: Der Schwangerschaftsabbruch wird in großen Teilen der USA illegal sein.

Direkt nach Verkündung des Urteils traten in einigen Staaten Gesetze in Kraft, die Abbrüche unter Strafe stellen – in Alabama sogar bei Vergewaltigung und Inzest. In Arkansas stehen auf das Vornehmen von Schwangerschaftsabbrüchen bis zu zehn Jahre Haft. Nicht abzusehen, was für Gesetze noch folgen werden.

Bei alldem geht es nicht darum, Leben zu retten, wie die sogenannte Pro-Life-Bewegung es seit Jahrzehnten propagiert. Dass die Kriminalisierung von Abbrüchen zu weniger Abbrüchen führe, ist eine lang widerlegte Behauptung. Die Kriminalisierung führt nur zu mehr illegalen Abbrüchen. Sie rettet kein Leben, sondern kostet Leben und Gesundheit von Schwangeren. Abtreibungsverbote treffen Frauen, die es sich nicht leisten können, Hunderte Kilometer zu reisen, besonders hart.

Ideologien scheren sich wenig um Einzelne. Auch nicht um wissenschaftliche Fakten, siehe Klimawandel oder Coronamaskendebatte. Die Frage des Schwangerschaftsabbruchs ist in den USA – und in vielen anderen Ländern, nicht zuletzt in Deutschland – zum Kern einer extremen, ja ­extremistischen Ideologie geworden. In den Vereinigten Staaten war es eine bewusste politische Entscheidung.

Bis in die 1980er Jahre war die republikanische Partei dem Thema Abtreibung gegenüber nicht besonders negativ eingestellt. Unter Ronald Reagan wurde aber das Potenzial dieser Frage entdeckt. Mit ihr ließen sich besonders konservative und religiös eingestellte Wäh­le­r:in­nen­schich­ten politisieren.

Demokratische Grundpfeiler – Geschlechtergleichheit, Nichtdiskriminierung, Recht auf körperliche Unversehrtheit – wurden in den USA von einem Tag auf den anderen gekippt. So schnell kann es gehen. Umso mehr Grund, sich auch hier ideologischen Kräften entgegenzustellen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.