Folgen der Europawahl: Was passiert als Nächstes?
Wer wird Kommissionschef? Und wie wichtig wird Klimaschutz? Die wichtigsten Fragen und Antworten nach der EU-Wahl.
Was folgt aus der Europawahl?
Zunächst einmal ein großer Umbruch im Europaparlament. Die EU-Bürger haben die informelle große Koalition abgewählt, die das Parlament jahrelang beherrschte. Konservative und Sozialdemokraten haben ihre gemeinsame Mehrheit verloren. Das führt schon jetzt dazu, dass die Parlamentarier selbstbewusster auftreten. Sie lehnen es plötzlich ab, nach der Pfeife der größten Fraktion von der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) zu tanzen. EVP-Fraktionschef Manfred Weber bekam das bereits einen Tag nach der Wahl zu spüren. Er hatte die Chefs der anderen Fraktionen zu Gesprächen eingeladen, doch die schlugen die Einladung aus. Am Dienstag folgte der nächste Eklat: Die Liberalen trugen eine gemeinsame Erklärung der Fraktionschefs zu den Spitzenkandidaten nicht mit. Das muss aber nicht schlecht sein. Weber und die anderen Spitzenpolitiker müssen nun erstmals um Mehrheiten kämpfen. Das EU-Parlament bekommt eine neue, demokratische Streitkultur.
Was wird aus den Spitzenkandidaten?
Die Mehrheit des Europaparlaments fordert, einen der Ihren zum nächsten Präsidenten der EU-Kommission zu wählen. Einen anderen Kandidaten werde man nicht akzeptieren, erklärten Konservative, Sozialdemokraten und Grüne. Doch die Liberalen sind ausgeschert, sie lehnen den Spitzenkandidaten-Prozess ab. Das ist ein Problem. Denn im Rat – der Vertretung der 28 EU-Länder – stellen die Liberalen derzeit die meisten Staats- und Regierungschefs. Angeführt werden sie von Frankreichs Präsidenten, Emmanuel Macron, der den nächsten Kommissionschef am liebsten selbst aussuchen würde. Dagegen steht Kanzlerin Angela Merkel – doch ihr Favorit Weber ist umstritten. Gut möglich, dass am Ende doch kein Spitzenkandidat gewinnt – oder nur eine halbe Spitzenkandidatin: Margrethe Vestager. Sie hatte sich erst in letzter Minute als Bewerberin ins Spiel gebracht.
Was wird aus den Wahlversprechen?
Einige vollmundige Versprechen, wie das Ende der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, lassen sich kaum durchsetzen. Andere Themen wie der Klimaschutz werden Gegenstand der Koalitionsgespräche. Doch nicht nur die Parteien möchten den Kurs der EU bestimmen. Auch die Staats- und Regierungschefs wollen eine eigene Strategie festlegen. Höchste Priorität hätten Innovation und Wachstum, erklärte Kanzlerin Merkel beim EU-Gipfel am Dienstag. „Nachhaltigkeit und Klima“ nannte sie an zweiter Stelle. Dass die „Klimawahl“ zu einem Politikwechsel in Brüssel oder Berlin führt, ist nicht ausgemacht.
Was hat der EU-Gipfel beschlossen?
Verbindliche Beschlüsse wurden beim Abendessen der Staats- und Regierungschefs noch nicht gefasst. Diese sollen erst beim nächsten Gipfeltreffen Ende Juni fallen. Bis dahin soll EU-Ratspräsident Donald Tusk versuchen, ein Personalpaket zu schnüren. Dabei geht es aber nicht nur um den nächsten Kommissionschef, sondern auch um andere Topjobs, etwa den Außenminister oder Präsidenten der Europäischen Zentralbank. Tusk soll sich mit dem Europaparlament, aber auch mit Vertretern der Parteien abstimmen und dann eine Namensliste präsentieren. Die Idee dahinter ist, dass er dem deutschen Bundespräsidenten nacheifert und eine ganz große Koalition schmiedet. In Berlin ist das nach der Bundestagswahl allerdings gründlich schiefgegangen. Auch in Brüssel stehen die Chancen für eine schnelle und umfassende Einigung schlecht.
Wann steht die neue EU-Kommission?
Erst einmal muss sich die EU auf einen Kommissionspräsidenten einigen. Danach müssen die Mitgliedstaaten je einen Kommissar nominieren. Auch das wird schwierig, denn die EU will diesmal mehr Frauen haben. Und dann kommen noch die Anhörungen im EU-Parlament, bei denen schon einige Kommissarsanwärter durchgefallen sind. Vielleicht steht die neue EU-Kommission erst Weihnachten. Ob sich dann noch jemand an die Europawahl erinnert?
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