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Förderung für Elite-Studenten300 Euro im Monat fürs Lesen

Stipendidaten der Begabtenförderwerke bekommen ab September doppelt so viel Büchergeld wie bisher. Einige von ihnen kritisieren das Geschenk.

Welchen dieser fleißigen Studierenden schenkt die Regierung Geld? Bild: ap

BERLIN taz | Zumindest ein Teil des Geldes, das die Bundesregierung in die Elitenförderung steckt, landet da, wo es dringender gebraucht wird. 29.886 Euro haben Studierende, die von einem der Begabtenförderwerke unterstützt werden, aus ihren Stipendien seit 2011 gespendet – an Initiativen wie „Rock your life“, die Hauptschüler beim Übergang in den Beruf begleitet, oder an „Plan MSA“, ein Berliner Projekt, das Jugendliche mit kostenloser Nachhilfe zum Realschulabschluss führt. Kleine Summen. Aber immerhin.

Ab September könnte das Spendenvolumen allerdings schlagartig steigen. Denn die Bundesregierung erhöht – pünktlich vor der Wahl – das sogenannte Büchergeld für Stipendiaten kräftig. Es verdoppelt sich von 150 auf 300 Euro im Monat, nachdem Schwarz-Gelb es vor zwei Jahren bereits angehoben hatte.

Das Büchergeld ist derjenige Teil eines Stipendiums, den die Geförderten unabhängig von Einkommen oder Bedürftigkeit erhalten. Das Büchergeld, gedacht als kleine Anerkennung und als Zuschuss für Fachliteratur, wächst damit von einst 80 Euro fast auf eine Summe, die ein Hartz-IV-Empfänger für seinen Lebensunterhalt bekommt. Nicht alle Stipendiaten sind begeistert über das Geschenk, das ihnen die Regierung macht.

„Das Geld wird anderswo dringender gebraucht“, sagt etwa Benjamin Paaßen, Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und Mitglied der Initiative Stipendienspenden, die sich nach der ersten Büchergelderhöhung gebildet hatte. Und Janwillem van de Loo, Stipendiat der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, rechnet vor: „Während in der vergangenen Legislaturperiode das Büchergeld für Stipendiaten um 275 Prozent erhöht wurde, stieg das Bafög um gerade einmal zwei Prozent.“

Ohnehin schon privilegiert

Die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes hatte Ende Juni Hinweise darauf geliefert, dass die Begabtenförderung eher die erreicht, die ohnehin schon privilegiert dastehen. Vier Prozent aller Studierenden erhalten ein Stipendium, unter denen aus Akademikerfamilien sind es dagegen 5,8 Prozent.

Die Bundesregierung begründet die Büchergelderhöhung bei den Förderwerken mit ihrem 2011 gestarteten Deutschlandstipendium, einem Programm, das bisher wie ein Alien in der Begabtenförderung dasteht. Beim Deutschlandstipendium erhalten die Studierenden ihre Förderung nicht über eine Stiftung, sondern direkt von ihrer Hochschule, die dazu allerdings Mittel bei privaten Sponsoren akquirieren muss.

300 Euro bekommen Deutschlandstipendiaten monatlich, die Hälfte davon bringen Privatleute oder Stifter aus der Wirtschaft auf, die andere Hälfte kommt vom Staat. Zusätzlich können Deutschlandstipendiaten Bafög beantragen. Anspruch auf Bafög haben Stipendiaten der Förderwerke nicht – sie bekommen dafür einen vergleichbaren Zuschuss, der sich nach Einkommen und Bedürftigkeit bemisst. Mit der Büchergelderhöhung sollen Deutschlandstipendium und Begabtenförderwerke nun gleichgestellt werden: 300 Euro einkommensunabhängig für alle.

Die Förderwerke freuen sich über das zusätzliche Geld – und weisen die Kritik der Stipendiaten zurück. Sie sprächen nicht für die „Mehrheit der Stipendiatinnen und Stipendiaten aller Werke“, heißt es in einer Stellungnahme der zwölf Begabtenförderwerke.

Dass das erhöhte Büchergeld vor allem ohnehin Privilegierten zugute komme, will Katharina Semmler, Sprecherin der Studienstiftung, nicht gelten lassen. „Immerhin sind knapp 40 Prozent unserer Stipendiaten auf das Stipendium angewiesen. Es gibt auch viele Stipendiaten bei uns, die aus begüterten Familien kommen, aber eben nicht von ihren Eltern unterstützt werden“, sagt sie. Kritischer äußert sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linkspartei nahe steht. „Über eine Bafög-Erhöhung wären wir noch glücklicher gewesen, aber auch das Büchergeld kommt jetzt vielen Stipendiaten zugute“, sagt Sprecherin Jannine Hamilton.

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3 Kommentare

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  • MH
    M. H.

    Mich spricht der Artikel als Empfänger von Arbeitslosengeld 2 an. Vor allem wegen der vielen Aspekte bezüglich des Oberthemas Bildung. In gesellschaftlicher Verteilungskonkurrenz zu den Studis sehe ich mich aber nicht. Ein Aspekt: Immer wieder begegnen mir Schilderungen von ALG II Beziehenden und ihren Familienmitgliedern, die rechtlich gesehen dann zur sog. Bedarfsgemeinschaft dieser Personen gehören, denen man in den Jobcentern abrät, ihre Kinder, trotz vorliegender Eignung, auf weiterführende Schulen zu schicken (Gymnasium, Realschule). Geschildert wird ein „Abraten“ und der Verweis auf eine Berufsausbildung. Keine der Personen hat diesen „Rat“ angenommen und konnte wohl auch nicht dazu gezwungen werden. Geschildert wird eine verbal mühsame Abwehr des Ratschlags. Alle Schilderungen erwecken nicht den Eindruck, hier lägen Missverständnisse der Betroffenen vor, z. B. in Bezug auf berufsberatende Äußerungen der Jobcenter hinsichtlich der Alternativen Schule/Berufsausbildung. Es ist auch so krass genug.

     

    Da engagieren sich Studierende in vielen Initiativen der Lernförderung für Kinder. Sie geben persönlich Geld und Engagement dafür her. Habe selbst ehrenamtlich solche Lernförderung mit organisiert. Auch viele Studierende haben toll mitgemacht. Lernförderung gerade für Kinder aus den sogenannten sozial schwachen Schichten ist mehr als Durchpauken. Es ist die Förderung auf eine ihnen bestmögliche Bildung hin.

     

    Nicht nur, dass mit der geschilderten „Beratungstätigkeit“ von Jobcentern ein solches Engagement missachtet wird. Sie boykotiert es! Sie hinterlässt bezüglich der propagierten Bildungspolitik von „Wir nehmen alle mit“ mehr kritische Fragen als stimmige Antworten. Darüber hinaus zeigt der Artikel auf erschreckende Weise auf, wie viel da nicht stimmt im Zusammenhang von Bildung - staatlichem Handeln - bürgerschaftlichem Engagement.

    M. H.

  • K
    karl

    Es gibt offensichtlich keine Männer mehr unter den Studenten. Oder was ist auf dem Bild los?

     

    Falls dem so ist: sollten wir da nicht einmal eingreifen?

  • Sollen die Stipendiaten die Bücher doch einfach an die Hochschulbibliothek spenden, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Dann haben auch die Kommilitonen was davon bezieheungsweise jeder Bürger, da die Bibliotheken jedem zur Verfügung stehen.