Förderprogramm im Koalitionsvertrag: GroKo will Brennpunktschulen stärken
Für den Fall einer erneuten Großen Koalition haben sich SPD und Union auf ein Förderprogramm geeinigt. Der Bund soll sich dabei nicht einmischen.
Ein Vorhaben, das da noch gar nicht eingeplant ist: die Förderung von Brennpunktschulen. Auch darauf hat sich die Groko im Falle einer Regierungsbildung verständigt. Auf gerade mal sieben Zeilen im Koalitionsvertrag versprechen sie, „gemeinsam mit den Ländern die besonderen Herausforderungen von Schulen in benachteiligten sozialen Lagen und mit besonderen Aufgaben der Integration“ zu unterstützen. Wie genau diese Förderung zu bewerkstelligen ist und wie viel Geld der Bund über welchen Zeitraum zur Verfügung stellt, soll das Bildungsministerium ausarbeiten.
Klar ist bislang nur: Die Länder sollen dieselbe Summe, die der Bund für das Programm freigibt, obendrauf legen. Vorlage dafür ist das Bund-Länder-Programm zur Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler, das Anfang des Jahres mit 250 Millionen Euro für zehn Jahre an 300 Schulen gestartet ist.
Zur möglichen finanziellen Ausstattung wollen sich Union und SPD auf taz-Anfrage nicht äußern. SPD-Bildungspolitiker Oliver Kaczmarek, der an der Ausarbeitung des Koalitionsvertrags beteiligt war, hält aber einen Umfang in Höhe des laufenden Bund-Länder-Programms für realistisch. Vorrangig sei aus seiner Sicht, dass die designierte Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) nun rasch ein Konzept vorlegen möge: „Angesicht der Problemlage in einigen Städten können wir das Thema nicht auf die lange Bank schieben“, so Kaczmarek.
Das Stigma umdrehen
An manchen Schulen im Land liegt der Anteil der bildungsfernen Elternschicht bei weit über 50 Prozent – mit oft dramatischen Folgen für die Kinder. In Deutschland hängt der Schulerfolg trotz einiger Verbesserungen in den vergangenen Jahren noch sehr stark von der sozialen Herkunft ab.
Nach der aktuellen Pisa-Studie schafft es nur ein Drittel von ihnen, diese Benachteiligung abzuschütteln. Die BildungsforscherInnen der OECD empfehlen, für mehr soziale Durchmischung zu sorgen, etwa an Gemeinschaftsschulen. Das Problem: Besonders Eltern aus Akademikerhaushalten versuchen, ihr Kind von Brennpunktschulen fernzuhalten, notfalls indem sie es auf eine Privatschule schicken.
Deshalb, so Kaczmarek, muss es das Ziel des Förderprogramms sein, das Stigma der Brennpunktschulen umzudrehen: „Wenn wir diese Schulen so unterstützen, dass sie ihre Herausforderungen besser annehmen können, kann aus dem Förderprogramm ein Gütesiegel werden“. Dazu benötigten die Schulen mehr Personal, möglicherweise auch feste SchulsozialarbeiterInnen, so Kaczmarek.
Bund koordiniert und betreut
Auf die genauen Förderkonzepte will der Bund – so die Zusicherung an die Länder – aber keinen Einfluss nehmen. Der Bund koordiniert und betreut. Ob die Länder wie in Berlin LehrerInnen mit einem höheren Gehalt an die überforderten Schule locken oder wie in Hessen zusätzliche Stellen nach einem Mix aus sozio-ökonomischen Faktoren zuweisen, bleibt ihnen selbst überlassen.
„Eine Schule in Berlin hat andere Bedürfnisse wie eine Schule auf dem bayerischen Land“, sagt der CSU-Abgeordnete Albert Rupprecht, der für die Union an den Bildungsthemen mit verhandelt hat, gegenüber der taz, „Es macht keinen Sinn, da einheitliche Vorgaben zu machen.“ Die Frage sei immer, wo der Mehrwert darin liege, wenn der Bund sich bei Bildung engagiert. Für Rupprecht liegt er in der begleitenden Forschung, die als Grundlage weiterer Handlungsempfehlungen zum Abbau der Chancenungleichheit dienen soll.
Ilka Hoffmann, Schulexpertin bei der Bildungsgewerkschaft GEW, ist das zu zögerlich. „Wissenschaftliche Studien zur Chancengerechtigkeit gibt es genug, es ist Zeit zum Handeln.“ Der Bund solle einen nationalen Aktionsplan vorlegen, so Hoffmann. Dazu gehörten „unbedingt“ unbefristet angestellte SchulsozialarbeiterInnen und die Stärkung der Gemeinschaftsschule: „Wenn man Chancengerechtigkeit herstellen will, müssten alle Kinder bis zur Klasse zehn gemeinsam lernen“.
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