Fördergeld-Affäre im Bildungsministerium: Pferdefreundin und Bauernopfer
Die geschasste Staatssekretärin Sabine Döring lehrte als Professorin Ethik. Im Ministerium wirkte sie eher wie das Sprachrohr ihrer Vorgesetzten.
Am Sonntagabend schrieb Sabine Döring auf X: „So wird nun dieser Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn ein jähes Ende finden“. Kurz darauf schrieb sie: „Habe gerade Anruf bekommen, muss den Tweet löschen“. Dann war der Post gelöscht, und die Spekulationen auf der Online-Plattform schossen ins Kraut.
Am späten Sonntagabend gab Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger dann bekannt, ihre Staatssekretärin in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Die FDP-Politikerin reagierte damit auf die anhaltende Debatte um ihren Umgang mit Hochschullehrern, die einen offenen Brief unterzeichnet hatten, in dem sie das Recht auf friedlichen Protest an Berliner Hochschulen verteidigten. Im Bildungsministerium war daraufhin geprüft worden, ob man den Unterzeichnern zur Strafe bereits erteilte wieder Fördermittel zu entziehen, wie das ARD-Magazin „Panorama“ unter Berufung auf interne E-Mails berichtete. Das sorgte unter Wissenschaftlern für große Empörung.
Sabine Döring selbst sprach daraufhin von einem „Missverständnis“ und übernahm die Verantwortung dafür. Sie ist selbst Wissenschaftlerin und wurde erst im Februar 2023 zur Staatssekretärin im Bildungsministerium ernannt, vor etwas mehr als einem Jahr. Zuvor lehrte sie an der Eberhard Karls Universität in Tübingen Philosophie und Ethik, 15 Jahre lang. Promoviert hat sie dort über Robert Musil, ihr Buch über „Die Philosophie der Gefühle“ erschien 2009 im Suhrkamp-Verlag. Bettina Stark-Watzinger holte sie ans Bildungsministerium nach Berlin.
In den Sozialen Medien aktiv
In den Sozialen Medien ist Döring sehr aktiv: Dort postet sie häufig Kommentare zu politischen Fragen, insbesondere zum Nahost-Konflikt, sowie Szenen aus ihrem Leben als Staatssekretärin und zu ihrem Hobby, dem Reitsport. Sie und ihr Sohn sind passionierte Dressurreiter, wie sie dort gerne kund tut. Außerdem sprang sie ihrer Vorgesetzten auf X immer wieder zur Seite oder äußerte sich an deren Stelle, so dass sie bisweilen wie deren Sprachrohr wirkte.
Als die Universität Köln im April die jüdische Philosophin Nancy Fraser auslud, weil diese einen Israel-Boykott befürwortet hatte, verteidigte Döring diese Entscheidung. Als ihre Ministerin im Mai in der Bild-Zeitung den offenen Brief der Berliner Professorinnen und Dozenten kritisierte, stellte sich Döring hinter ihre Vorgesetzte. Ein anderes Mal kritisierte sie die Berufung des Antisemitismus-Forschers Uffa Jensen an der TU Berlin. Sie bekannte sich dazu, die Zusammenarbeit mir israelischen Universitäten ausbauen zu wollen, und stellte sich gegen Boykott-Forderungen. Zur Zerstörung der Universitäten und Schulen im Gazastreifen äußerte sie sich nicht.
Im medialen Rampenlicht
Döring sonnt sich auch gerne im medialen Rampenlicht und genießt die mediale Aufmerksamkeit. Das Magazin Cicero porträtierte sie schon im vergangenen Jahr unter dem Titel: „Regieren mit Gefühl“. Einen Reporter der ZEIT empfing sie Anfang des Jahres auf ihrem Hof in Ostwestfalen, nicht weit entfernt vom Teutoburger Wald mit dem Hermannsdenkmal. „Viel Holz. Landhausstil, eine typische Wollsockenwohnung“, notierte dieser beeindruckt, und berichtete von ihren beiden Pferden, den Hengsten Viktor und Felix, und ihren beiden Hunden, Isolde und Skadi.
„Es ist mutig, eine Wissenschaftlerin zur Staatssekretärin zu machen“, sagte Sabine Döring in dem Gespräch, in dem es über ihren Freiheitsbegriff und ihre Vorbilder ging – John Stuart Mill auf dem Feld der Philosophie und Walter Scheel als politisches Idol. „Das Richtige zu machen sei wichtiger, als populäre Entscheidungen zu treffen“, diese Maxime teile sie, sagte sie dem Reporter.
Ihren Auftrag, bereits ergangene Förderungszusagen überprüfen zu lassen, hielt sie vermutlich auch für richtig. Aber da hat sich die Pferdefreundin vergaloppiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei