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Föderalismus bei Corona-BekämpfungFlickenteppich Deutschland

Auch im Föderalismus können Epidemien wirkungsvoll bekämpft werden – solange alle das gleiche Konzept verfolgen.

Mehr als Empfehlungen kann der Bundesgesundheitsminister nicht geben Foto: Axel Schmidt/reuters

BERLIN taz | Deutschland ist mal wieder ein Flickenteppich. Zwar hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) empfohlen, alle Großveranstaltungen abzusagen. Doch noch haben dies nicht alle Bundesländer in verbindliches Recht umgesetzt.

Zeitweise sah es so aus, als würde das Bundesligaspiel Union Berlin ­gegen Bayern München am Samstag noch vor Publikum stattfinden, während viele andere Vereine bereits darauf verzichten müssen. Seit diesem Mittwoch ist aber klar, auch im Berliner Stadion an der Alten Försterei wird es keine jubelnden Fans geben.

Die Rechtslage ist klar. Das Infektionsschutzgesetz, in dem Maßnahmen gegen die Verbreitung von Viren geregelt sind, ist ein Bundesgesetz. Für die Ausführung sind aber die Länder zuständig, in vielen Fällen sogar das örtliche Gesundheitsamt.

Das ist laut Grundgesetz auch der Normalfall. Bundesgesetze werden von den Ländern umgesetzt, wenn es nicht ausdrücklich anders geregelt ist. Beispiele für Bundesbehörden sind das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder die Bundesnetzagentur.

Eher ein psychologisches Problem

Dennoch ist die Bundesebene bei der Bekämpfung des Coronavirus wichtig. Das staatliche Robert-Koch-Institut gibt wissenschaftliche Empfehlungen. Bundesgesundheitsminister Spahn gibt ihnen politisches Gewicht. Und die Länder versuchen sich abzusprechen und zu koordinieren. Am Donnerstag ist das nächste Treffen.

Völliges Chaos scheint aber auch nicht zu herrschen. Im Gegenteil: Bund und Länder verfolgen dieselbe Strategie. Derzeit geht es darum, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, um einen Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung zu vermeiden.

Eigentlich entspricht es dem föderalen Gedanken, Entscheidungen nach den örtlichen Erfordernissen zu treffen

Dass Maßnahmen nicht überall am gleichen Tag beschlossen werden, ist eher ein psychologisches Problem, weil es möglicherweise die Akzeptanz beeinträchtigt. Doch eigentlich entspricht dies dem föderalen Gedanken, Entscheidungen nach den örtlichen Erfordernissen zu treffen.

Das kann auch bei der Corona­bekämpfung Sinn machen, schließlich ist das Virus in Nordrhein-Westfalen viel schneller und massiver präsent gewesen als in Sachsen-Anhalt.

Sollte sich bald aber doch eine verbindliche Koordination des Bundes als erforderlich erweisen, müsste das Grundgesetz geändert werden. Dazu wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat erforderlich. In Zeiten wie diesen könnte das binnen weniger Tage geschehen.

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7 Kommentare

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  • Bei den Reaktionen auf die Infektionswelle wird wenig darüber gesprochen, dass der Staat mal wieder in seiner angemaßten Schutzfunktion ausufert: Krankheitsbekämpfung und Verbrechensbekämpfung mutiert zu einer wenig erfolgreichen Krankheits- und Verbrechensverhinderungspolitik. Damit sind dann konsequenterweise individuelle Freiheitsrechte, die das Recht auf Fehlverhalten - das nannte man religiös Sünde - einschließen muss, mehr und mehr mehr als zweitrangig. Ich vermisse halt sachliche Diskussionen und Informationen darüber, was man tun sollte, wenn es mehr Kranke als Behandlungsmöglichkeiten gibt. So wenig nachvollziehbar die Prognose der RKI-Chefs ist, dass 70% der Bevölkerung infiziert werden, so dringend ist sein Hinweis auf die jedenfalls unzureichenden Kapazitäten der Intensivmedizin: Auch als alter Mann finde ich den Apell italienischer Intensivmediziner richtig: alle Leute sollten bei einer Coronavirusinfektion nicht intensivmedizinisch versorgt werden, weil der Erfolg gering wäre!

  • Ich hoffe inständig, dass der Föderalismus von den, auch unter den taz-Kommentatoren schockierend zahlreichen, rechts denkenden Kräften im Lande unter dem Vorwand der Krisenbewältigung nicht ausgehebelt wird und bin mir sicher, dass er im Nachhinein als bestes System zur Krisenbewältigung gefeiert werden wird!

    • 0G
      06360 (Profil gelöscht)
      @boidsen:

      Ihre Hoffnung und Sicherheit sei Ihnen unbenommen.



      Auch ich habe mit Respekt Maßnahmen der chin. Regierung verfolgt, die von der Bevölkerung dort akzeptiert wurden.



      Am Ende der Tage werden wir die prozentualen Verlustzahlen vergleichen und sehen, welches System hilfreicher für die Menschen war.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @boidsen:

      Sorry, aber das ist ja nun ziemlicher Blödsinn. Alles Nazis, außer Deutschland?



      Oder es gilt nur für Deutschland: ohne Föderale Strukturen sind wir Nazis?

      Föderalismus klappt in der Bildung nicht, wieso soll da ein Virus föderal besser beseitigt werden?

    • @boidsen:

      Es ist leider nicht das beste System, auch wenn es immer propagiert wird. Es reicht ein! Leiter einer Gesuheitsbehörde/Gesundheitsamt der nicht die Eier in der Hose hat um auch unbequeme Maßnahmen anzuordnen um das System zum kippen zu bringen. Hätte man den kompletten Karneval abgesagt stünden wir heute mit weit weniger Infizierten da. Die Infektionen z.B. in Bayern waren bis dahin komplett unter Kontrolle.

    • @boidsen:

      Warum ist man "rechts denkend", wenn man sich angesichts einer Pandemie, die vielen Menschen das Leben kosten kann, zentral gesteuertete Infektionspräventionsmaßnahmen wünscht?

  • Das alles muss bundeseinheitlich angeordnet werden. Die Regierung Kurz/Österreich ist da ein Vorbild.



    Bei uns sollen die kleinen Bürgermeister, die Veranstalter, die kleinen Behörden entscheiden, was zu tun ist? Nein! Der Corona Virus kennt keine Stadt – Kreis- oder Landesgrenze, keinen Förderalismus. Da fahren viele Menschen aus X-Stadt auf Veranstaltungen oder Urlaub in die Y-Stadt, stecken sich womöglich an und fahren wieder nach X-Stadt zurück. Dort werden dann weitere Menschen infiziert. Dafür trägt dann der kleine Bürgermeister aus Y-Stadt die volle Verantwortung! Das kann nicht sein! Die Bürgermeister wollen wieder gewählt werden, werden von Veranstaltern bedrängt nur weil es um Kohle, Zaster, Kies geht und Publicity. "ist in "Europa" angekommen" Frau Merkel lebt irgendwo. Corona ist schon lange in der EU angekommen. WIR haben das auch schon länger gesehen und registriert. Das was heute Merkel verkündet hat, ist nur eine langweilige Wiederholung der bereits vorhandenen Fakten von Spahn, dem RKI, den Virologen! Dazu hätte Frau Merkel keine Kameras gebraucht. Die Anwesenheit der Kanzlerin bei dieser PK war völlig überflüssig, auch wenn sie der Meinung ist, dass ihre eingestreuten Witzchen das Thema aufgelockert haben.