Flugverbot für Boeing-Modelle: „Airline muss für Ersatz sorgen“
Das umstrittene Boeing-Modell bleibt in der EU vorerst am Boden. Mehrkosten für Passagiere dürften nicht entstehen, meint Verbraucherschützer Oliver Buttler.
taz: Herr Buttler, nun darf in der gesamten EU und Staaten wie China, Indien und Indonesien keine Boeing 737 Max 8 mehr starten. Was bedeutet das für Reisende?
Oliver Buttler: Wenn einzelne Flugzeuge vorübergehend nicht fliegen dürfen, muss die Fluggesellschaft für Ersatz sorgen. Es liegt im Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft, weil bei diesen Ausfällen kein außergewöhnlicher und unvermeidbarer Umstand wie ein Vulkanausbruch vorliegt – früher nannte man das „höhere Gewalt“. Wenn einzelne Modelle wie das von Boeing verboten werden, könnte die Airline auf ein Ersatzflugzeug zurückgreifen oder auch kurzfristig ein gebrauchtes Flugzeug zukaufen – letztlich sind viele Szenarien denkbar, wie die Airline dem Problem Abhilfe leistet. Die Airline ist solvent, hat verschiedene Flugzeuge und kann die Strecken bedienen – nur nicht mehr mit diesem Flugzeug.
Welche Ansprüche haben Reisende, die von außerhalb der EU zurück nach Deutschland fliegen möchten?
Es kommt wieder auf den EU-Bezug an: Wer nicht in der EU startet und mit einer Airline fliegt, die nicht in der EU ansässig ist, muss sich nach dem Flugrecht des jeweiligen Landes richten. Für Reisende, die dieser Tage mit einer amerikanischen Airline zurück nach Deutschland reisen möchten, gilt das amerikanische Flugrecht. Hier hat jede Airline eigene Bestimmungen, eine einheitliche Regelung gibt es nicht. Passagiere müssen sich dort mit den individuellen AGB der Airlines auseinandersetzen.
Macht es für Reisende einen Unterschied, ob die Airline oder die Flugaufsichtsbehörde das Modell von Boeing verboten hat?
Wenn die Flugbehörden ein Modell verbieten, ist das kein Grund, die Airline aus der Haftung zu nehmen. Die Flugbehörden untersagen ja nicht, dass konkrete Flüge stattfinden, sondern nur Flüge mit einem einzelnen Modell – etwa der Boeing 737 Max 8. Letztlich ist das das gleiche, als wenn ein Flieger wegen Rost oder gesprungener Windschutzscheibe nicht abheben darf. Es handelt sich nicht um außergewöhnliche und unvermeidbare Umstände, weshalb der Schaden im Verantwortungsbereich der Airline liegt.
Und wenn Flüge ausfallen?
Im Endeffekt betrifft das Verbot in Deutschland nur sehr wenige Flüge; die Maschinen werden hier nur sporadisch eingesetzt und vor allem im Ausland geflogen. Sollte es dennoch zu Ausfällen kommen, wenden sich Pauschalreisende an ihren Reiseveranstalter und fordern ihr gebuchtes Paket ein. Denn: Mit welchem Flugzeug Reisende transportiert werden, kann sich oft noch kurz vor Abflug ändern. Die meisten wissen nicht, welche Maschine sie transportiert und es ist ihnen auch egal. Er oder sie möchte nur von A nach B kommen – und dafür ist der Reiseveranstalter verantwortlich. Wer eine Individualreise gebucht hat, muss sich bei Flugverspätungen oder Annullierungen direkt an die Fluggesellschaft wenden, um hier seine Rechte geltend zu machen.
arbeitet für die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und ist Abteilungsleiter für Telekommunikation, Internet und Verbraucherrecht.
Also bekommen Reisende ihr Geld zurǘck?
Wenn Flüge ausfallen, haben Reisende einen Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises. Für Flüge, die in der EU starten, gilt die EU-Fluggastrechte-Verordnung – für Flüge von einem Drittstaat in die EU gilt diese nur, wenn die Airline ihren Sitz innerhalb der EU hat. Bei kurzfristigen Flugausfällen haben die Reisenden hier Anspruch auf Verpflegung und gegebenenfalls eine Unterkunft, die die Airline zahlt. Verspätet sich mein Flug um mindestens drei Stunden, bekomme ich eine Entschädigungszahlung, die die Unannehmlichkeiten pauschal abdecken soll – je nachdem, wie weit die Strecke und wie stark die Verspätung ist. Verspätet sich beispielsweise ein Flug von Frankfurt nach New York um mehr als vier Stunden, haben Reisende einen Anspruch auf eine Entschädigung von 600 €.
Und wenn es noch länger dauert?
Bei mindestens fünfstündiger Verspätung darf ich entscheiden, ob ich den Flug noch antreten möchte. Wenn die Reise obsolet wird, etwa wegen eines verpassten Geschäftstermins, kann ich auf den Flug verzichten und bekomme den gesamten Flugpreis erstattet. Bei einem Teilstreckenflug bekomme ich die nicht geflogene Strecke erstattet und die Fluggesellschaft muss mich kostenfrei zum Ursprungsort zurückbringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance