Fluggesellschaft Germanwings: Katastrophe in harter Zeit
Mit ihrer Tochter Germanwings will Lufthansa Billigfliegern Konkurrenz machen. Die Piloten verdienen dort bis zu 20 Prozent weniger.
BERLIN taz | Flugzeuge aus Deutschland stürzen extrem selten ab. Der Germanwings-Absturz ist der erste einer Maschine aus der Flotte der 2002 gegründeten Airline. Die Lufthansa, der die Billiglinie gehört, gilt als sehr sicher.
Die Flotte der Lufthansa besteht aus 615 Maschinen, 148 davon fliegen unter Germanwings-Flagge, darunter 42 A320 und 17 der Langversion A321. Zwischen der Lufthansa und ihrer billigeren Tochter bestehen einige Unterschiede. Aus Pilotenkreisen ist zu erfahren, dass die Flugzeuge nicht nur von der Lufthansa-Technik gewartet werden, sondern auch von einer eigenen Wartungsfirma.
Piloten, die bei der deutschen Prestige-Airline fliegen, haben die Ausbildung in der Lufthansa-Flugschule in Bremen und Phoenix, Arizona, durchlaufen. Dort sind die Einstellungskriterien höher als für Flugschüler, die an anderen Flugschulen ihre Ausbildung machen, um später bei anderen deutschen Airlines zu fliegen. Germanwings-Piloten kommen häufig von diesen Flugschulen oder werden von anderen Fluggesellschaften übernommen.
Eine Ausnahme bilden Piloten, die Germanwings direkt von der Lufthansa anwerben konnte – mit dem Angebot, bei dem Billigflieger sofort Flugkapitän zu werden und trotzdem den Lufthansa-Tarifvertrag inklusive lukrativer Renten zu behalten. Diese Piloten sind es dann auch, die sich derzeit an den Streiks der Kollegen bei der Muttergesellschaft beteiligen. Von außen angeworbene Piloten verdienen bis zu 20 Prozent weniger.
Germanwings wurde 2002 gegründet. 2015 sollte die Linie erstmals schwarze Zahlen schreiben. „Germanwings geht unverändert davon aus, nach der deutlichen Verringerung der Verluste im abgelaufenen Geschäftsjahr die Gewinnschwelle 2015 zu erreichen“, heißt es im Geschäftsbericht der Lufthansa vom 12. März 2014. Die wirtschaftlichen Ergebnisse von Germanwings fließen voll in die Bilanz der Lufthansa ein. Der materielle Schaden durch den Absturz ist versichert. Aber der Imageschaden ist enorm. Es ist also unwahrscheinlich, dass Germanwings dieses Jahr das anvisierte Ziel erreicht.
Wirtschaftlich schwierige Lage
Die Lufthansa steckt in einer wirtschaftlich schwierigen Lage. Aus der wollte sich das Unternehmen befreien – mit Hilfe von Germanwings und der ab Ende 2015 fliegenden Partner-Linie Eurowings. Das Problem ist die zunehmende Konkurrenz: Billigflieger wie die irische Ryanair oder Easy Jet zahlen geringere Gehälter und haben niedrigere Betriebskosten.
Ryanair transportierte im vergangenen Jahr 86 Millionen Passagiere, Lufthansa und Germanwings zusammen knapp 78 Millionen. Die Konkurrenz sorgt für sinkende Ticketpreise – allein im vergangenen Jahr um 3 Prozent. Von niedrigen Kerosinpreisen profitiert Lufthansa kaum, weil ein Großteil ihres Sprits gegen Preisschwankungen abgesichert ist.
Ausländische Billigflieger erreichen einen Rekordgewinn nach dem anderen – die Lufthansa ist froh, wenn sie 2015 im europäischen Verkehr abseits der großen Knotenpunkte erstmals schwarze Zahlen erreicht. Dazu hat sie alle Verbindungen, abgesehen derer von den Drehkreuzen Frankfurt und München, auf Germanwings verlagert.
Wettbewerbsdruck nimmt zu
„Der Wettbewerbsdruck für unsere Fluggesellschaften wird weiter zunehmen“, so der Vorsitzende des Lufthansa-Vorstands, Carsten Spohr, bei der Vorlage der Bilanz. Er will die Lufthansa zur Edelmarke umbauen, neben Germanwings soll künftig Eurowings für Profit sorgen.
2014 kam der Konzern auf einen Umsatz von 30 Milliarden Euro. Nach internationalen Bilanzstandards erwirtschaftete Lufthansa einen Gewinn von 55 Millionen Euro, nach den Regeln der deutschen Handelsbilanz aber einen Verlust von 732 Millionen Euro. Die Eigner bekommen deshalb keine Dividende, 2013 erhielten sie noch 45 Cent pro Aktie. Die Verluste stammen aus dem Kerngeschäftsfeld Passagier- und Frachtbeförderung. Bei Technik und Catering-Service für andere Fluggesellschaften macht die Firma Gewinn.
Lufthansa beschäftigt weltweit knapp 190.000 Mitarbeiter. Auch auf ihrem Rücken hat die Airline in der Vergangenheit kräftig Kosten gesenkt. Entsprechend hart laufen die aktuellen Tarifverhandlungen mit den Piloten. Vor dem Absturz lief alles auf einen weiteren Streik hinaus – den zwölften seit April 2014. Erst am Montag waren Tarifgespräche gescheitert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Experten warnen vor Trump-Zöllen
Höhere Inflation und abhängiger von den USA
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Klimagipfel in Baku
Nachhaltige Tierhaltung ist eine Illusion