Flüchtlingsunterkunft in Lichtenberg: Mieten lohnt sich nicht
In ein altes Hotel an der Landsberger Allee sollen bald Geflüchtete ziehen. Der Senat will nur mieten, dabei wäre ein Kauf der Gebäude günstiger.

Es ist eine von drei geplanten Gemeinschaftsunterkünften in bestehenden Immobilien, mit denen der Senat für Entlastung in der chronisch überfüllten Notunterkunft in Tegel sorgen will. Zwei weitere Standorte mit insgesamt rund 2.500 Plätzen sollen in Kreuzberg und Westend entstehen. Zudem sollen 16 Containerdörfer für rund 6.000 Menschen gebaut werden.
Doch die schwarz-rote Koalition, sonst penibel aufs Sparen bedacht, hat sich in Hohenschönhausen nicht für die wirtschaftlichste Option entschieden. Das rechnet die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) in einer aktuellen Analyse vor. Demnach könnte das Land fast 38 Millionen Euro sparen, wenn die Gebäude nicht gemietet, sondern gekauft würden – wozu der Inhaber auch bereit gewesen wäre, so die BIM.
Stattdessen ist geplant, dass Berlin die Hochhäuser für zehn Jahre anmietet. Für die Miet- und Nebenkosten sowie den Umbau sind insgesamt 140 Millionen Euro veranschlagt.
Für einen – eigentlich lohnenswerten – Kauf seien im Haushalt allerdings keine Mittel eingeplant gewesen, räumt die BIM ein. Zudem sei ein Erwerb noch in diesem Jahr ohnehin „nicht mehr zu realisieren“.
„Ein unnötiger Verlust“
Der finanzpolitische Sprecher der Linken-Fraktion, Sebastian Schlüsselburg, widerspricht: „Es gibt durchaus Haushaltstitel, mit denen Immobilien angekauft werden können“, sagte er am Montag zur taz. Außerdem hätte das Land Berlin einen sogenannten Transaktionskredit aufnehmen können, der ausdrücklich von der Schuldenbremse ausgenommen ist.
„Stattdessen werden dem Eigentümer fast 38 Millionen Euro hinterhergeworfen. Das ist ein unnötiger Verlust“, kritisierte er. Ein Kauf hätte dem Land darüber hinaus ermöglicht, die Gebäude nach Ablauf der zehn Jahren auch anders weiterzunutzen. Etwa hätte dort ein Studierendenwohnheim entstehen können.
Was ist mit der sozialen Infrastruktur?
Mit seiner Kritik an der Entscheidung des Senats für die Anmietung des Objekts will Schlüsselburg – direkt gewählt in Lichtenberg – zwar nicht falsch verstanden werden: „Es ist völlig klar, dass dringend neue Plätze für Geflüchtete geschaffen werden, damit die menschenunwürdigen Bedingungen in Tegel ein Ende finden.“
Dennoch sei unverständlich, warum in Lichtenberg eine große Unterkunft errichtet wird. Es gebe eine eindeutige Schieflage zwischen den Bezirken. Tatsächlich versorgt der Bezirk bereits 4.000 Geflüchtete; nur in Pankow, Tempelhof-Schöneberg und Marzahn-Hellersdorf sind, Stand August 2024, mehr Schutzsuchende untergebracht.
In der Eile bleiben offenbar noch weitere Dinge auf der Strecke. Fraglich ist etwa, wie schon so bald die nötige soziale Infrastruktur am Standort Landsberger Allee entstehen soll: Kinderbetreuung, Sprachkursangebote, Beratungsstellen.
Für die erste Phase der Nutzung werde das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) eine aufsuchende Sozialberatung finanzieren, erklärte die Senatsverwaltung für Integration auf taz-Anfrage. Bezüglich weiterer Angebote und möglicher Träger befänden sich LAF und Bezirk „aktuell in Abstimmung“.
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