Flüchtlingsunterbringung: SPD-Fraktion droht mit Ausstieg
In der rot-schwarzen Koalition verschärft sich der Ton weiter, als die CDU im Parlament durchsetzt, eine Entscheidung über modulare Unterkünfte zu vertagen.
Der Streit über die Flüchtlingsunterbringung belastet die rot-schwarze Koalition immer mehr. „Die CDU ist unsortiert, es liegt an ihr, ihre Regierungsfähigkeit nachzuweisen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer und starke Mann der SPD-Fraktion, Torsten Schneider, der taz am Mittwoch. Zuvor hatte die Koalition es im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses vertagt, Geld freizugeben für die ersten 26 von 60 geplanten Standorte für „Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge“, kurz Mufs. Das geschah auf Druck der CDU, die sich mit der Verteilung der Mufs nicht zufrieden zeigt.
Die Vertagung auf die nächste Hauptausschuss-Sitzung am 2. März konterkariert die Planung von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), dessen Experten nach eigenen Angaben aus über 5.000 Grundstücken 100 für Flüchtlingsunterbringung geeignete herausfilterten. Auf 60 davon sollen die Mufs entstehen, auf weiteren 30 Containerdörfer, die höchstens drei Jahre stehen sollen. Der Rest dient als Reserve. Kollatz-Ahnen hatte die 26-Muf-Standorte vor einer Woche Journalisten vorgestellt und ging dabei von Zustimmung in der Ausschuss-Sitzung aus.
Bei der SPD und bei Oppositionsvertretern vermisste man die Logik bei der CDU-Haltung. Denn das nötige Geld für die Container – 68 Millionen Euro – gaben die Christdemokraten durchaus frei. Sie soll die Finanzverwaltung schon am heutigen Donnerstag bestellen können. Die CDU wolle im Kern überhaupt keine Mufs, sondern die Flüchtlinge allein in Containern unterbringen, war aus der SPD-Fraktion zu hören.
Die CDU stellte das ganz anders dar. Zusagen seien nicht eingehalten, Informationen nicht rechtzeitig geliefert worden, hieß es. Und mit der Freigabe der Container-Gelder werde man da aktiv, wo die Zeit dränge – sie sollen im Juni stehen. „Das ist ein Zeichen, dass der Senat handlungsfähig ist“, sagte der taz der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Heiko Melzer.
Bei den Mufs hingegen, die als Fertighäuser über 40 Jahre haltbar sein sollen und das jeweilige Gebiet deshalb weit länger prägen, ist es für Melzer kein Problem, wenn die Entscheidung einige Wochen später als geplant fällt: Sie würden, weil mit weit größerem Aufwand zu planen und zu bauen, zum Großteil 2016 ohnehin nicht fertig, so der Politiker.
Hielt man SPD-Vertretern am Rande der Ausschuss-Sitzung vor, sie würden trotz aller Kritik mit der CDU stimmen und zusammen in einem Boot sitzen, konnte man folgende Replik hören: „Man kann aus diesem Boot auch aussteigen.“ Grünen-Finanzpolitiker Jochen Esser hielt dem Senat gegenüber der taz Staatsversagen mit gefährlichen Folgen vor: „Rechtspopulismus entscheidet sich auch an der Handlungsfähigkeit einer Regierung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann