Flüchtlingspolitik in Kenia: Starthilfe statt Spenden
In Kakuma wird ein neues Konzept der Flüchtlingshilfe erprobt: Nicht mehr Almosen in Lagern, sondern Starthilfen in der Gesellschaft.
Das kann die gute Laune von Maker Mayen nicht erschüttern. Der Südsudanese leitet mit zwei Partnern das Mikrofinanzunternehmen Wunda in Kakuma. „Das Geschäft läuft sehr gut“, sagt er und grinst zufrieden. Sein Büro ist nicht mehr als eine Ecke in einem Abstellraum, mit Stuhl, Tisch und Laptop. Ein weiterer Tisch mit einem Computer dient als Internetcafé.
„Die Nachfrage nach Bargeld ist groß“, erläutert der 33-Jährige das Unternehmenskonzept. „Flüchtlinge brauchen Geld für Kinder, die außerhalb des Lagers zur Schule gehen, für unvorhergesehene Ausgaben oder um ein Unternehmen zu gründen. Wir verleihen kleine Beträge an Personen, von denen wir mit Sicherheit wissen, dass sie die Summe plus zehn Prozent Zinsen zurückzahlen können.“ Zehn Prozent erscheint viel, aber kenianische Banken fordern mehr als das Doppelte.
Das Wichtigste für Mayen ist aber, dass er nicht mehr vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR abhängig ist. „Ich kann von meinem eigenen verdienten Geld leben. Jeder schaut auf Flüchtlinge herab und das nimmt das Selbstwertgefühl. Ich habe es jetzt wiedergefunden. Das ist ein gutes Gefühl.“
Es begann, um Festgenommene freikaufen zu können
Wunda ist Teil eines Start-up-Projekts der Entwicklungsorganisation Action Africa Help International (AAHI). Ziel ist es, Flüchtlingen mit einem Geschäft oder einer guten Idee mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Maker Mayen, Flüchtling aus Südsudan
Das kleine Startkapital ihres Mikrofinanzunternehmens haben die drei Südsudanesen selbst aufgebracht. Dann gab es vom Fonds des nigerianischen Philanthropen Tony Elumelu eine Kapitalspritze von 5.000 US-Dollar. „Wir hatten noch nie davon gehört, aber AAHI hat uns darauf hingewiesen und wir schrieben einen Vorschlag. Zu unserer eigenen Überraschung haben wir gewonnen“, erzählt Mayen.
Seine Suche nach einem Leben auf eigenen Füßen begann vor drei Jahren, als er bemerkte, dass Flüchtlinge häufig von der Polizei festgenommen wurden und erst gegen Schmiergeld wieder freikamen – und viele Flüchtlinge hatten nicht das Geld, um Familienangehörige freizukaufen. Wunda begann also, Kredite für Bestechungsgelder zu vergeben. Inzwischen ist es ein Mikrofinanzunternehmen mit Zulassung der Bezirksregierung von Turkana.
Desertierter Kindersoldat aus Südsudan
Wie fast jeder Flüchtling hat Mayen seine eigene traurige Geschichte. Er kommt aus Tonj in Südsudan. Vor Südsudans Unabhängigkeit 2011 kämpfte er in der Befreiungsbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee). Die SPLA hatte die Angewohnheit, in ihren Gebieten einen Sohn aus jeder Familie zu fordern, um die Reihen der Kämpfer zu füllen. Mayen wurde von seinem Vater dafür bestimmt. Aber kämpfen war nichts für ihn und er desertierte. Nach Jahren des Wanderns kam er in Kakuma an.
Als Südsudan unabhängig wurde, wagte er nicht zurückzukehren, weil die Rebellen von gestern nun die Regierung bildeten und ehemalige desertierte Kindersoldaten nicht mit offenen Armen begrüßten. „Jetzt gibt es einen gewaltsamen Konflikt zwischen Südsudanesen untereinander. Ich gehe nur zurück, wenn Frieden herrscht“, sagt Mayen.
Er will dann aber nicht mit leeren Händen nach Hause gehen. Mayen möchte in Tonj investieren und sein erworbenes Wissen teilen. „Ich möchte mehr über Buchhaltung lernen. Obwohl ich dieses Fach in der Sekundarschule hier in Kakuma hatte, brauche ich fortgeschrittene Rechnungsführung, die mein AAHI-Coach mir gibt.“
Nicht mehr die Hand aufhalten müssen
In Kakuma leben etwa 200.000 Flüchtlinge, hauptsächlich aus Südsudan. Es liegt in einer Halbwüste, in der Turkana-Hirten mit Kamelen auf der Suche nach Futter und Wasser für ihre Tiere sind. Vor vier Jahren entstand 40 Kilometer weiter nördlich Kalobeyei, um Kakuma zu entlasten. Kalobeyei ist kein Lager, sondern eine Siedlung für Flüchtlinge, die für sich selbst sorgen. Auch die lokale Bevölkerung kann sich dort niederlassen.
„Wir müssen wegkommen von Flüchtlingen als Menschen, die nichts zu tun haben und für alle Grundbedürfnisse ihre Hand aufhalten müssen“, sagt der Kenianer Bruno Owiti, Leiter des AAHI-Start-up-Projekts. „Wir haben klargestellt, dass es keine Spenden geben wird, weil wir Menschen nicht zum Betteln bringen wollen. Kredite sind möglich, vor allem aber Coaching.“
Die Erwartung ist, dass Flüchtlinge, die ein erfolgreiches Unternehmen gründen, sich endgültig in Kenia niederlassen können. Aber „wenn sich Menschen mit einem erfolgreichen Start-up für eine Rückkehr in ihr Land entscheiden, nutzen sie das Wissen und es besteht eine gute Chance, dass sie in ihrem eigenen Land einen Neuanfang machen können“, sagt Owiti im AAHI-Speisesaal in Kakuma. Das Restaurant wurde vom Flüchtlings-Start-up „African Building Construction“ gebaut. Zwanzig Handwerker verschiedener Nationalitäten arbeiten dort.
Bewässerung am Fluss – das ging schief
Das extreme Regenwetter hat vorübergehend die Pläne eines landwirtschaftlichen Start-ups kaputt gemacht. Die Sirati-Gruppe besteht aus zehn Flüchtlingen aus Darfur im Sudan. Sie legten Bewässerungssysteme auf Feldern an einem Fluss in der Nähe von Kakuma an. Nun haben die Fluten alles weggespült.
„Auf einen Schlag ist alles weg“, sagt Hassan Abdalla in einem Restaurant aus Segeltuch und Weidenmatten. „Der Spinat, die Okraschoten, die Auberginen und die Wassermelonen standen kurz vor der Ernte. Wir dachten, es sei klug, unsere Produkte in Ufernähe anzubauen, um die Bewässerung zu vereinfachen.“ War es nicht.
Die Sirati-Gruppe hatte bereits ein gutes Einkommen für die Mitarbeiter generiert. Sie sahen dann, was für einen Gewinn die Geschäfte machen, die ihre Erzeugnisse verkaufen. Sirati wollte also ein eigenes Geschäft. „Wir hatten es bereits mit unserem Coach besprochen, aber jetzt müssen wir wieder von vorne anfangen“, sagt Abdalla. „Aber nicht so nahe an einem Flussbett!“
Die Sirati-Gruppe ist auch noch auf ein anderes Problem gestoßen. Wenn ein Flüchtling drei Monate lang nicht kommt, um die zugeteilten Hilfsgüter vom UNHCR abzuholen, wird die Person aus dem Register anerkannter Flüchtlinge gestrichen. Siratis Angestellte hatten ihre Rationen nicht mehr geholt, weil sie selbst mehr als genug zu essen hatten. „Wir müssen das jetzt lösen, weil es eine Weile dauert, bis die ersten Ernten von einem neuen Acker kommen“, sagt Abdalla und seufzt.
Zu früh, um nach Darfur zurückzugehen
Er hat schon genug erlebt. Abdalla floh vor zwölf Jahren aus Darfur. Die Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen dort sind noch frisch in seinem Gedächtnis. Jetzt hofft er, dass die vorsichtige Einführung der Demokratie in Sudan den Krieg beenden wird. Doch Abdalla plant noch keine Rückkehr.
„Ich weiß nicht, ob es wirklich Frieden in Darfur geben wird. Ich möchte meine Familie nicht den Schrecken der Vergangenheit aussetzen“, sagt er und reibt sich die Stirn. Dann fügt er entschlossen hinzu: „Erst möchte ich hier ein erfolgreiches Geschäft aufbauen und von den Vorteilen profitieren. Und von einem Leben in Frieden.“
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