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Flüchtlingspolitik in EuropaStresstest für europäische Grenzen

Frontex will die EU-Außengrenzen nach dem Vorbild des Banken-Stresstests der EZB überprüfen. Immer weniger Flüchtlinge erreichen die EU und Deutschland.

Die, die es nach Europa schaffen, werden in Containern abgefertig. Hier: der Athener Vorort Skaramagas Foto: ap

Berlin afp | Die EU-Grenzschutzagentur Frontex will im Herbst europäische Grenzen einem Stresstest unterziehen. „Wir wollen schauen, wie Mitgliedsstaaten darauf vorbereitet sind, mit einem Krisenfall an der EU-Außengrenze umzugehen“, sagte Frontex-Chef Fabrice Leggeri der Welt am Sonntag. Die Schwachstellenanalyse soll demnach im Oktober an den Grenzen einiger EU-Mitgliedsstaaten vorgenommen werden – darunter Deutschland und Griechenland. Die konkreten Szenarien würden noch bestimmt.

Vorbild für die Überprüfung der Grenzen sind dem Bericht zufolge jene Banken-Stresstests, die die Europäische Zentralbank (EZB) seit der Finanzkrise vornimmt. Bei der Frontex-Schwachstellenanalyse könnten verschiedene Szenarien an den See-, Land- und Luftgrenzen durchgespielt werden. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte der Zeitung die geplante Analyse.

Die Schwachstellenanalyse ist laut Welt am Sonntag Teil einer neuen Frontex-Verordnung, die in wenigen Wochen in Kraft treten soll. Sie sehe zudem vor, dass die EU-Staaten künftig 1500 Beamte bereitstellen müssen, die innerhalb weniger Tage durch Frontex eingesetzt werden können. Frontex-Chef Leggeri setzt sich neben einem besseren Grenzschutz dafür ein, mehr legale Wege nach Europa zu schaffen, um damit den Druck auf die Außengrenze zu reduzieren.

Aktuell kommen die meisten Migranten über den Seeweg nach Europa. Wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) auf Anfrage der WamS mitteilte, wurden in diesem Jahr in Griechenland bislang rund 162.000 und in Italien 105.000 Migranten gezählt.

Die Zahl der Flüchtlinge in der Ägäis ist nach dem Schließen der Balkanroute und dem Start des EU-Türkei-Abkommens allerdings deutlich zurückgegangen. Der IOM beobachtet dabei verstärkt, dass Migranten aus Ägypten kommen. Die Zahl im ersten Halbjahr 2016 verdoppelte sich bereits im Vergleich zur Gesamtzahl 2015.

Flüchtlingszahlen in Deutschland

Auch in Deutschland sinken die Flüchtlingszahlen. Der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, rechnet mit maximal 300.000 Flüchtlingen in diesem Jahr. „Wir stellen uns auf 250.000 bis 300.000 Flüchtlinge in diesem Jahr ein, darauf richten wir unsere Kapazitäten aus“, sagte Weise der Bild am Sonntag. Bis zu dieser Zahl könne seine Behörde einen optimalen Ablauf garantieren. „Wenn mehr Menschen kommen, kommen wir unter Druck.“ Davon sei aber nicht auszugehen: „Es werden dieses Jahr eher noch etwas weniger als 300.000 Menschen kommen.“

Im vergangenen Jahr habe Deutschland zudem weniger Flüchtlinge aufgenommen als gedacht, fügte Weise hinzu. Grund seien Doppelregistrierungen und Weiterreisen. Weise: „Die exakte Zahl werden wir demnächst vorstellen. Sicher ist aber, dass im letzten Jahr weniger als eine Million Menschen nach Deutschland gekommen sind.“

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1 Kommentar

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  • Tja. Ein Merkmal der Wirklichkeit gegenüber Plänen ist es ja bekanntlich, dass die Wirklichkeit einen überraschen kann. Sollte zum Beispiel der Flüchtlingsdeal mit der Türkei platzen, wird es eng. Oder: Pakistan hat gerade endgültig damit begonnen, 3 Millionen afghanische Flüchtlinge zurück nach Afghanistan zu schicken. Viele von denen werden nicht dort bleiben wollen, zumal sie teilweise seit Jahrzehnten nicht in Afghanistan waren und ohnehin praktisch heimatlos sind.

     

    Was tun? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass mittlerweile Vorbereitungen für den Fall der Fälle getroffen werden. Nämlich: Grenzen dicht, jeder ist sich selbst der Nächste. Manche in Europa freuen sich schon darauf, aber auch für die wird es noch Überraschungen geben, denn außer den Folgen, die sie wollen, wird das auch Folgen haben, an die sie noch gar nicht gedacht haben.

     

    Interessante Zeiten.