Flüchtlingsklage gegen Australien: Vergleich über 47 Millionen Euro

1.905 Geflüchtete hatten gegen die inhumane Inhaftierung in einem Lager geklagt. Regierung übernimmt auch 15,3 Millionen Euro an Verfahrenskosten.

Menschen stehen hinter einem Gitterzaun

Die Geflüchteten waren im Lager wie Häftlinge untergebracht Foto: reuters

CANBERRA taz | Brutal, unmenschlich, hart: Die auf Abschreckung fokussierte Flüchtlingspolitik Australiens musste am Dienstag eine Niederlage von historischer Bedeutung hinnehmen. Kurz vor Beginn der Gerichtsverhandlung einigte sich Canberra mit über 1.900 sogenannten Bootsflüchtlingen, die auf der Insel Manus in Papua-Neuguinea interniert waren, auf einen Vergleich. Umgerechnet rund 47 Millionen Euro sollen den Gefangenen bezahlt werden. Außerdem werde die Regierung die bisher angefallenen Verfahrenskosten von etwa 15,3 Millionen Euro übernehmen. Der Rechtsstreit dauert seit 2014 an.

Die Flüchtlinge stammen meist aus Afghanistan, Irak und Pakistan. Sie hatten versucht, von Indonesien aus mit einem Boot nach Australien zu gelangen. Dort wollten sie um Asyl ersuchen. Doch sie scheiterten an der seit Jahren von Australien verfolgten Flüchtlingspolitik. Canberra macht keinen Hehl daraus, dass das Ziel die Abschreckung von Nachahmern ist. Die Regierung lässt sogenannte Bootsflüchtlinge von der Navy auf hoher See abfangen. Von dort werden die Schutzsuchenden direkt in Internierungslager in Papua-Neuguinea und dem Pazifikstaat Nauru gebracht. Seit Jahren habe es kein Boot mehr nach Australien geschafft, behauptet Canberra. Die Einzelheiten der Abwehr auf hoher See unterstehen allerdings strikter Geheimhaltung. Sie können nicht unabhängig geprüft werden.

Die Asylsuchenden hatten die Regierung wegen der Haftbedingungen verklagt, die von vielen Organisationen und Experten als inhuman beschrieben werden. Amnesty International verglich die Behandlung von Schutzsuchenden sogar mit Folter. In den Lagern herrsche Hoffnungslosigkeit und Frust. Ärzte berichten von Selbstmordversuchen und Selbstverstümmelungen. Selbst Kinder sind Opfer sexueller Übergriffe durch Mitinsassen und Aufseher geworden. HelferInnen, die mit Berichten über solche Vorfälle an die Öffentlichkeit gehen, drohen zwei Jahre Gefängnis. Die meisten Inhaftierten werden am Ende als Flüchtlinge anerkannt. Trotzdem will Australien sie nicht ins Land lassen.

Das oberste Gericht von Papua-Neuguinea entschied 2016, die zeitlich unbegrenzte Inhaftierung von Unschuldigen stehe im Widerspruch zur Verfassung. Danach einigten sich Port Moresby und Canberra auf die Räumung des Lagers. Wohin die Menschen gehen sollen, ist jedoch ungewiss. US-Präsident Donald Trump hat sich widerwillig bereit erklärt, ein Versprechen Obamas einzuhalten und eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen.

Die Führerin der ultrakonservativen Minderheitspartei One Nation, Pauline Hanson, bezeichnete die Asylsuchenden fälschlicherweise als „Illegale“. Auch die Regierung stellt Flüchtlinge immer häufiger als Bedrohung für die australische Bevölkerung dar. Um die wachsende Popularität der Rechtspopulisten aufzuhalten, hat Canberra jüngst die Prüfungsbedingungen für einbürgerungswillige Immigranten verschärft. Selbst die meisten Australier hätten nun Mühe, den neuen Englischtest zu bestehen, so Kritiker.

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