Flüchtlingsabkommen mit der Türkei: Der Deal steht – viele Fragen offen
Seit Sonntag ist das Abkommen der EU mit der Türkei in Kraft. Doch viele Details sind ungeklärt. Die Grünen wollen unterdessen die Idomeni-Flüchtlinge aufnehmen.
Nach der Einigung auf dem EU-Türkei-Gipfel vom Freitag hatte sich Ministerpräsident Alexis Tsipras mit Ministern und Beamten beraten. Von Sonntag an sollen dem Pakt zufolge eigentlich alle auf griechischen Inseln irregulär ankommenden Migranten registriert und auf Anspruch auf Asyl überprüft werden. Falls für sie keine Aussicht auf Erfolg besteht oder kein Asylgesuch in Griechenland gestellt wird, sollen sie in die Türkei zurückgebracht werden.
Der stellvertretende griechische Innenminister Yiannis Balafas sagte dem Fernsehsender Mega, für zügige Überprüfungen auf den Inseln seines Landes würde zusätzliches Personal benötigt, das die EU versprochen habe. Griechenland erwartet rund 2.300 Spezialisten, darunter Asylexperten und Dolmetscher.
„Offenbar sind noch keine dieser Leute angekommen“, sagte ein Regierungsbeamter. „Was wir im Moment haben, ist eine politische Entscheidung. Die muss nun in die Praxis umgesetzt werden.“
Nur noch 100 Menschen täglich
Bundesinnenminister Thomas de Maizière beschrieb das Abkommen zwischen der EU und der Türkei als einen Wendepunkt in der Flüchtlingskrise. Täglich kommen seinem Ministerium zufolge mittlerweile nur noch rund 100 Flüchtlinge und Migranten in Deutschland an – ein krasser Unterschied zu den hohen Zahlen im vergangenen Jahr.
In der griechischen Hauptstadt Athen demonstrierten am Samstag Tausende Migranten und Flüchtlinge gegen den Pakt, mit dem die illegale Einwanderung in die EU bekämpft und die Zahl der Migranten reduziert werden soll. Afghanische Migranten marschierten auf das Gebäude der EU-Kommission in der Innenstadt zu und riefen „Öffnet die Grenzen“ und „Wir sind menschlich“. Die Demonstration endete den Angaben zufolge friedlich.
Proteste gab es auch in anderen Städten, etwa Thessaloniki im Norden des Landes sowie auf Lesbos. Im spanischen Barcelona kamen ebenfalls Tausende zusammen.
Migranten, die sich bereits auf Lesbos und anderen Inseln in der Ostägäis befanden, fallen nicht unter diesen Pakt. Sie wurden zu den Häfen Piräus und Kavala gebracht und sollten anschließend auf Notunterkünfte auf dem Festland verteilt werden, wie Regierungsbeamte sagten.
Tausende Menschen gestrandet
In dem Zeltlager in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze kamen am Samstag keine weiteren Migranten an, wie Hilfsorganisationen berichteten. Dort sind Tausende Menschen gestrandet, die auf der jetzt geschlossenen Balkanroute Richtung Westeuropa wollten.
Die Grünen forderten die Bundesregierung indes auf, die Flüchtlinge aus Idomeni in Deutschland aufzunehmen. „Die Menschen, die dort festsitzen, haben Schreckliches hinter sich“, sagte Parteichefin Simone Peter dem Berliner Tagesspiegel. „Wir haben die moralische und menschenrechtliche Pflicht, ihnen eine Perspektive zu bieten.“
Die Bundesregierung müsse die Flüchtlinge aus Idomeni an der Grenze zu Mazedonien „unbedingt“ und „sofort“ nach Deutschland holen, sagte dazu Peter. Sie warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in diesem Zusammenhang vor, dem rechten Rand nachzugeben, indem sie immer weitere Verschärfungen des Aslyrechts mittrage. Auch lasse die Kanzlerin „die Menschen auf dem Mittelmeer und im Schlamm von Idomeni“ aus innenpolitischen Gründen im Stich.
Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und besonders an den von CSU-Chef Horst Seehofer geforderten Obergrenzen für die Aufnahme von Schutzsuchenden übte erneut der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU). „Wir machen eine Obergrenze, und in Griechenland hocken die Menschen“, sagte Blüm dem Magazin „Focus“. Er habe „kein Verständnis für diese Art von borniertem Egoismus“. Zum Aussetzen des Familiennachzugs für einen Teil der in Deutschland lebenden Flüchtlinge durch Union und SPD sagte Blüm: „Seid ihr eigentlich restlos übergeschnappt? Habt ihr den Restbestand von Zivilisation verloren?“
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