Flüchtlinge in Österreich: Obergrenze unterschritten
Österreich hat eine Obergrenze für Flüchtlinge von 37.500 eingeführt, doch es kamen weit weniger. Nun beginnt der Streit: Soll die Grenze in die Verfassung?
Der „eher symbolische Akt“, der die Handlungsfähigkeit der oft zerstrittenen Koalition von sozialdemokratischer SPÖ und konservativer ÖVP unterstreichen sollte, war Ausgangspunkt für eine einschneidende Entwicklung, wie die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sagt: Die Länder auf der Balkanroute schlossen – im Bewusstsein, dass Österreich am Ende der Strecke nicht mehr durchwinkt – weitgehend ihre Grenzen für Migranten. Völkerrechtlich ist die Obergrenze von 37.500 Asylverfahren angreifbar, politisch bleibt sie ein starkes Signal.
„Wir wollen eine Kettenreaktion der Vernunft“, beschrieb die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) das Ziel. Österreich hatte mit seiner „Abschreckungskultur“ die Gegenposition zum deutschen Warten auf eine europäische Lösung eingenommen. Erst später gelang mit dem Türkei-Deal eine weitere Entspannung der Lage.
Ein Signal, das auch bei der Wahl des österreichischen Bundespräsidenten im Dezember eine Rolle spielte: Die lange Zeit als Drohkulisse wirkende Flüchtlingskrise scheint nun beherrschbar. Die Obergrenze wird 2016 in Österreich nach Angaben des Innenministeriums gar nicht erreicht. In der Folge sind die Bürger nun weniger alarmiert. Und Alexander Van der Bellen, Anhänger der Willkommenskultur, wurde der Einzug in die Hofburg erleichtert. Der Kandidat der rechtspopulistischen FPÖ, Norbert Hofer, listete die Nachteile einer Zuwanderung zwar auf, aber der regierungsamtliche Anti-Willkommens-Kurs hatte seiner Botschaft ihre Dramatik genommen.
Bis Anfang Dezember waren in diesem Jahr laut Innenministerium 32.500 Asylverfahren zugelassen worden. Insgesamt wollten 40.000 Flüchtlinge Asyl. Das ist in etwa eine Halbierung der Zahl im Vergleich zum Ausnahmejahr 2015. „Die Menschen kommen auf individuellen Wegen, sie sind nicht mehr einzelnen Routen zuzuordnen“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Aktuell bitten etwa 2.500 Menschen jeden Monat um eine Zuflucht in der Alpenrepublik. 2017 sinkt die Obergrenze auf 35.000 Asylverfahren.
Höchste Zeit also, den rechtlichen Rahmen festzuzurren. Um den Asylbehörden eine Ablehnung des Antrags des 35.001. Asylbewerbers zu ermöglichen, muss laut Ministerium die Obergrenze letztlich in der Verfassung verankert werden. Darüber streiten aber die Koalitionäre.
Die Obergrenze ist in der Regierungspartei SPÖ höchst umstritten. Der seit Mai regierende Kanzler und SPÖ-Vorsitzende Christian Kern hat sich vielfach – wenn auch moderat im Ton – zur Begrenzung der Zuwanderung bekannt. „Kern macht die Türen auf in Richtung Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ“, sagt dazu Politologin Stainer-Hämmerle.
Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl und mit ihm große Teile des äußerst einflussreichen SPÖ-Landesverbands in der Hauptstadt geben sich aber noch weltoffen und migrationsfreundlich: Für sie kommt eine Zusammenarbeit mit der FPÖ nicht infrage.
Umgang mit Flüchtlingen wird Wahlkampfthema
Auf der Seite der ÖVP gilt Außenminister Sebastian Kurz, europaweit einer der Steuermänner des Anti-Migrations-Kurses, als Garant für eine Kooperation mit der FPÖ. Nur: Der ÖVP-Vorsitzende heißt noch Reinhold Mitterlehner, der sich derzeit stark von der FPÖ abgrenzt.
Das erste Jahr mit Obergrenze war nur der Start einer schrittweisen Verschärfung. Nach maximal 35.000 Asylverfahren im kommenden Jahr sinkt deren Zahl 2018 auf 30.000. Allerdings wird diese Politik von einer neuen Regierung verantwortet werden müssen, da spätestens im Herbst 2018 gewählt wird. Der Umgang mit der Flüchtlingskrise – und mit der äußerst populären FPÖ – wird sicher ein Top-Wahlkampfthema.
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